Den Hort im Blick

Katja Oethe und Josefin Barthold im Dialog

Seit 2016 findet jährlich im Herbst an der TU-Chemnitz eine pädagogische Fachtagung statt. Die Professur Allgemeine Erziehungswissenschaft (AEW) unter Leitung von Bernhard Koring rückte in den Jahren 2016 und 2017 den Hort in den Fokus der Veranstaltung. Die Tagung 2016 mit dem Titel „Hort(er)leben“ fand ihren Abschluss in einem Podiumsgespräch zwischen Katja Oethe und Josefin Barthold.

Katja Oehte war sechs Jahre Leiterin einer Horteinrichtung und zum Zeitpunkt der Tagung Fachberaterin des AWO Kreisverbandes Chemnitz und Umgebung e.V. Aus der Perspektive der (Hort-)Pädagogin gibt sie einen Einblick in die aktuellen Chancen und Herausforderungen des Hortbereiches – in Sachsen - und fasst die Entwicklungen pointiert zusammen. Josefin Barthold ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur AEW. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Elementarpädagogik, Kollegiale Beratung und Fallstudienarbeit.

Josefin Barthold: Frau Oethe ich freue mich, dass Sie hier neben mir Platz genommen haben und mit mir ins Gespräch über den Hort kommen wollen. Beginnen wir mit einem Blick in die Geschichte: Die Entwicklung des Hortes in Ost- und Westdeutschland gibt wieder, welche unterschiedlichen Hoffnungen und Erwartungen an diesen gerichtet waren. Welche Bedeutung oder Aufgabe nimmt der Hort aktuell in der deutschen Bildungslandschaft ihrer Meinung nach ein?

Katja Oehte: Der Hort hat heute in der öffentlichen Wahrnehmung, meiner Ansicht nach, den Stellenwert einer Aufbewahrung und „Bespaßung“ nach dem Unterricht. Zu mehr schafft er es in der Bildungslandschaft leider nicht. Dort wird von „außerunterrichtlicher Betreuung“ gesprochen und damit auch schon definiert, dass der Hort eben nachrangig nach dem Unterricht ist. Leider ist damit eine Geringschätzung verbunden, die der Hort keinesfalls verdient hat. Der Hort hat in den Ideen von Nicht- (Hort) Pädagogen häufig die Aufgaben der Hausaufgabenerledigung und des „Freispiels“ inne – ein unerträgliches Wort, wie ich finde.
Damit wird auch die Arbeit der Pädagogen im Hort äußerst verkürzt dargestellt. Der Hort spielt eine untergeordnete Rolle, erscheint als Randgebiet der Pädagogik. Und dies absolut zu Unrecht, wie ich finde. Sowohl in der Debatte um die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Sachsen, als auch in der Fachliteratur und der Fachwissenschaft ist die Altersspanne der 6 bis 12-Jährigen, außerhalb vom Kontext Schule, völlig unterrepräsentiert.

Josefin Barthold: In der Praxis erweist sich der Hort als äußerst vielgestaltig und kreativ. Die AWO ist Träger von Horten mit unterschiedlichen Konzeptionen und Schwerpunktsetzungen – gibt es dennoch zentrale Merkmale, die die einzelnen Einrichtungen über die Differenzen hinweg verbinden? Welche wären das?

Katja Oethe: Das zentrale Merkmal des Hortes ist wohl seine unabdingbare Verbundenheit zur Grundschule. Ohne Schulen gäbe es keine Horte in ihrer heutigen Funktion. Dies führt immer wieder zu Differenzen zwischen den Institutionen. Der Hort behält damit quasi seine Rolle als „außerunterrichtliche Betreuung“.
Ein weiteres Merkmal, das mir auffällt, ist, dass sich unsere Horterzieher mehr und mehr bewusst um Fortbildungen und konzeptionelle Veränderungen bemühen. Aber ich erkenne auch eine gewisse Resignation in den Teams, aufgrund der sich nicht verändernden schlechten Rahmenbedingungen und der oft geringschätzigen öffentlichen Wahrnehmung der Institution „Hort“. Häufig findet auch eine Auseinandersetzung mit der Rolle im Grundschule-Hort-Team statt.
Alle unsere Horte wollen Ruhezonen für die Kinder schaffen. Ruhe im Sinne von Entspannung, Freiheit und freier Zeit. Sie wollen dem Leistungsgedanken der Schule etwas entgegensetzen und sind damit „Entlaster“ für die Kinder. Ich denke, über diesen Schwerpunkt sollten Horte sich definieren und einen sozialpädagogischen Auftrag ableiten.

Josefin Barthold: Gehen wir noch einen Schritt weiter. Wie könnte ein Profil des Hortes aussehen – was bietet der Hort als Institution, was keine andere kann? Auch in Abgrenzung von reiner Betreuung oder z.B. kommerziell orientierten Angeboten.

Katja Oethe: Der Hort hat einen sehr speziellen, sozialpädagogischen Auftrag. Die benannte freie Zeit spielt hier eine entscheidende Rolle. Hort bietet den Kindern ein soziales Trainingsfeld ohne Leistungsgedanke. Horterzieher sollten Bildungspartner und -begleiter für die Kinder sein. Die Kinder wertschätzen und ihre sozialen Kompetenzen ausbauen lassen. Sie dürfen nicht nach Leistung oder abrechenbaren Ergebnissen bewerten (oder schlimmer entwerten). Damit bietet der Hort vor allem im sozialen Bereich einen Schutzraum zum Ausprobieren und Fehler machen. Die Gleichaltrigengruppe, als Spiel- und Freizeitpartner im Hort, bietet Kindern in Zeiten der Verinselung manchmal die einzige Möglichkeit, sich auszuprobieren, Rollen in Gruppen zu übernehmen und Lernmuster zu entwickeln.
Das Potenzial des Hortes ist für mich damit klar: Wir müssen stärker auf Partizipation und Demokratiebildung schauen. Der Hort könnte ein ideales Lernfeld für Kinder sein. Er bietet das Erproben und Evaluieren von Beteiligungsmechanismen sowie das Erleben und Austesten von Strukturen einer Demokratie.
Ich denke, wir brauchen hier eine Qualitätsinitiative, um „mit Kindern Hort zu machen“. Weg von den klassischen „Fadengrafik – Angeboten“ hin zu einem Ort der Mitbestimmung und Gestaltung durch und für Kinder.

Josefin Barthold: Die Fachliteratur betont als wesentliches Qualitätsmerkmal die fachlich fundierte (sozial-) pädagogische Kompetenz der Erzieher/innen.Was macht diese Kompetenz aus oder pointiert formuliert: Was können Horterzieher/innen, was andere Pädagog/innen nicht so gut können?

Katja Oethe: Pointiert geantwortet: Sie stellen sich oft bewusster „in den Wind“. Ich möchte dies erläutern: Hortkinder haben, zum Glück, die Eigenschaft, Autoritäten zu hinterfragen. Haben wir es mit einem hoch-partizipativen Hortalltag zu tun, geschieht dies offen. In den meisten Fällen tun Kinder dies allerdings verdeckt. Sie zeigen es uns in ihrem „unangepassten“, „herausfordernden“, „wilden“ Verhalten.
Autoritäre Lehrer/innen werden von Kindern meistens eher akzeptiert, weil diese über das Wohl und Wehe ihrer Schullaufbahn entscheiden und Bewertungen abgeben. Auch Eltern nehmen dies so wahr. Horterzieher/innen hingegen bieten eine ganz andere „Reibungsfläche“ für Kinder. Sie sind keine Lehrer/innen und auch keine Eltern. Sie müssen mit Kindern auf Augenhöhe kommunizieren und ihnen respektvoll gegenüber treten, wenn sie ebenso respektiert werden wollen. Übrigens ein Grundsatz, der selbstverständlich für alle Pädagog/innen gelten sollte. Horterzieher/innen müssen sich Respekt und Anerkennung in der sozialen Gruppe mit den Kindern anders oder sogar mehr erarbeiten, als bspw. Erzieher/innen in Kindergärten.
Kinder erkennen Erwachsene im Laufe ihres Lebens nicht mehr unreflektiert als Macher, Wissender oder Entscheider an. Je größer das Autonomiebestreben des Kindes, umso größer sind die Differenzen mit Autoritäten. Und genau dies müssen Horterzieher/innen aushalten und pädagogisch nutzen.
Hier – im Hort – in dieser Zeit lernen Kinder so viel Wichtiges über die Gesellschaft, die Welt, ihre Mitbestimmungsrechte. Dies darf nicht ungenutzt verstreichen! Horterzieher/innen müssen die Selbstbestimmungsrechte der Kinder aktiv unterstützen, ihnen die Hand reichen, wenn sie sie brauchen und in der Lage sein, selbst Fehler zu machen und diese zu feiern!

Josefin Barthold: Aus ihrer Einschätzung – welchen Einfluss können die Erzieher/innen auf die Entwicklung und Bildung der Kinder haben? Und sind sich Fachkräfte dessen bewusst?

Katja Oethe: Erzieher/innen können gerade im Hortbereich einen großen Einfluss auf die Kinder haben. Als Rollenvorbild und Impulsgeber. Ich denke, dass die mangelhafte Außenwahrnehmung der Hortarbeit manchmal dazu führt, dass Horterzieher/innen ihren Einfluss unterschätzen.
Die Schule ist vorrangig – die Hortarbeit wird nicht in dem Maße wertgeschätzt, wie sie es sollte. Wenn es einen Perspektivwechsel gäbe, einen sozialpädagogischen „Fußabdruck“ im Hort, wenn Sie so wollen, kann auch hier die Einflussnahme eine andere werden. Gerade die beginnende Pubertät stellt Eltern von Grundschulkindern vor harte Prüfungen. Genauso haben wir einen enormen Anstieg von diagnostizierten „Verhaltensauffälligkeiten“ in dieser Zeit. Verkürzt und vereinfacht könnte man den Leistungsgedanken der Schule als Schuldigen ausmachen. Ich glaube aber, dass die Problematik hier noch weiter geht. Umso mehr sollten Horterzieher/innen sozialpädagogisch kompetent geschult sein.
Die Elterngeneration der heutigen Hortkinder hat eine eigene Vorstellung von Hortarbeit im Kopf. Diese ist meistens geprägt durch die Hortarbeit der Vor- und Nachwendezeit. Aber welche Pädagogik wurde damals vertreten? Forschungen und Befragungen hierzu könnten erhellende Einblicke in vorherrschende Rollenklischees von Horterzieher/innen, nach Ansicht der Eltern, bringen.
Diese Bilder leben in den erwachsenen Köpfen weiter und aus diesem Rollenklischee muss der Hort sich emanzipieren, will er öffentlich anders wahrgenommen werden. Befragungen und wissenschaftliche Studien hierzu würden mich sehr interessieren.
Wir müssen in die Reflektion und das Rollenverständnis im Hort investieren. Und das meine ich finanziell und personell. Wir haben hier definitiv eine Baustelle.

Josefin Barthold: Wie Sie bereits erwähnten wird der Hortbereich in der Fachliteratur, der Bildungspolitik sowie der Öffentlichkeit vernachlässigt. Was denken Sie, wie die Fachkräfte ihre Arbeit sehen und bewerten?

Katja Oethe: Ich glaube, Fachkräfte bewerten ihre Arbeit als eine schöne und erfüllende Arbeit. Ich höre es oft und habe es auch in meiner Zeit im Hort selbst so erlebt, dass einem die Kinder, neben all dem Stress auch viel zurückgeben. Der überwiegende Anteil der Horterzieher/innen arbeitet, meiner Erfahrung nach, gern im Hort. Aus Gesprächen mit Erzieherinnen und Erziehern im Hort weiß ich auch, dass sie ihre Arbeit als hochstressig und anspruchsvoll empfinden und sehr unter der Geringschätzung leiden, die ihnen von vielen Seiten entgegenschlägt. Ihnen ist schon bewusst, was für eine hochsensible Zeit sie mit den Kindern erleben dürfen und die meisten Horterzieher/innen die ich persönlich kenne, definieren sich auch über die Besonderheit des Hortbereiches. Mir begegnet oft ein sehr liebevoller und verständnisvoller Blick auf die Kinder.
Manchmal sehen Horterzieher/innen sich allerdings auch nach wie vor als „verlängerter Arm“ der Schule.

Josefin Barthold: Mit welchen Entwicklungen und Veränderungen sehen sich die ErzieherInnen in ihrer Arbeit noch konfrontiert, außerhalb des Bezugs zur Grundschule?

Katja Oethe: Also aus meiner Erfahrung, als Fachberaterin heraus, kann ich sagen, dass Horterzieher/innen stärker mit Qualitätsanforderungen konfrontiert werden, als noch vor ein paar Jahren. Gleich hoch bleibt die Anforderung der Eltern an die Erzieher/innen, den Leistungsgedanken der Schule – hier vor allem in Bezug auf die Hausaufgabenerledigung – weiterzuführen. Es wird nach einer Ergebnispädagogik gefragt, die für viele Horterzieher/innen nicht mehr in Frage kommt. Horte sind keine „Produktionsstrecken“ für Basteleien mehr. Damit einhergehend bedarf es dringend einer neuen Rollendefinition. Wir reden hier von einem sehr langwierigen Prozess. Die Landesjugendämter fordern fortschrittliche und offene Konzepte und die Erzieher/innen müssen diese leben. Das braucht Zeit.

Josefin Barthold: Was sind die wesentlichen Punkte unter denen Erzieher/innen im Hortbereich leiden?

Katja Oethe: Ganz oben steht der Betreuungsschlüssel. Wir haben noch nicht mal eine ganze Fachkraft für 20 Kinder. Die Realität sieht häufig noch miserabler aus. Gruppen mit 25 Kindern sind normal. Selbst in der offenen Arbeit kommen wir hier an eine Grenze. Selbstverständlich ist Personalausfall in der offenen Arbeit besser zu kompensieren. Aber sollte das unser Anspruch sein? Wir brauchen mehr Erzieher/innen in den Horten, um nicht nur die Aufsichtspflicht abdecken zu können. Es macht mich regelmäßig sehr betroffen, wenn ich sehe, dass Horte nur deshalb ein offenes Konzept haben, weil sie sonst permanent Gruppen aufteilen würden. Die Erzieher/innen sind dann nur noch Verteiler. Man könnte es manchmal mit einem Bahnhof vergleichen.
Durch die langen Stundenpläne und die Ganztagsangebote in den Grundschulen ist die Zeit mit den Kindern an vielen Tagen auf eine halbe Stunde begrenzt. Dies führt häufig zu Unzufriedenheit bei den Erzieher/innen.
Darüber hinaus ist die bereits beschriebene mangelnde positive öffentliche Wahrnehmung für viele Horterzieher/innen eine belastende Situation. Auch, dass Eltern häufig nur die Erledigung der Hausaufgaben als originäre Hortaufgabe betrachten, ist oftmals eine nicht-zufriedenstellende Situation.

Josefin Barthold: Der Aufbau der Ganztagsschule stellt sich als enorme Herausforderung für den Hort dar. Eine gelungene Kooperation mit der Grundschule scheint für das Überleben des Hortes unabdingbar. Was sind ihrer Meinung nach Voraussetzungen damit diese gelingt?

Katja Oethe: Kommunikation auf Augenhöhe, Gleichwertigkeit, Gleichrangigkeit, Gleichberechtigung, Partizipation. Das sind große Worte. Aber aus meiner Erfahrung funktioniert echte Kooperation nur mit diesen Erfolgsfaktoren.
Ein gemeinsamer Aufbau der GTS, die gemeinsame Organisation, gemeinsame Mittelverwaltung, sind ebenso wichtig. Die Gleichwertigkeit muss allen Beteiligten wichtig und nützlich sein. Es darf keine Unterschiede zwischen den Pädagogen geben.

Josefin Barthold: Damit kämen wir wieder an den Punkt, dass sich der Hortbereich verändert und verändern muss – im Moment ist noch nicht ableitbar, wie sich seine Zukunft gestaltet. Was sind, aus Ihrer Perspektive, die zentralen Herausforderungen?

Katja Oethe: Ich möchte nicht schwarzmalen, beobachte aber die Entwicklung der GTS mit Sorge. Wir haben es mit einer riesigen finanziellen Welle zu tun, die es Schulen ermöglicht, Nachmittagsangebote zu stemmen. Und auch wenn die Zuwendungsgeber immer darauf hinweisen – eine echte Kooperation zwischen Grundschule und Hort und eine reale Rhythmisierung des Schultags für die Kinder, findet in den meisten sächsischen GTS nicht statt. Ich bin deshalb besorgt, dass wir es hier mit einer Aufgaben- und Rollenverschiebung zu tun haben. GTS können den Hort noch nicht ersetzen. Dafür haben sie einen zu großen Freizeitcharakter. Aber die Aussage, die damit rübergebracht wird, ist meiner Meinung nach, dass der Hort ersetzbar ist. Wir brauchen womöglich für eine gleichberechtigte Gestaltung der GTS eine andere Finanzierungsform für den Hort.
Die nächste Entwicklung, die ich wahrnehme ist die, dass die Zahlen der Grundschüler, erfreulicherweise, jährlich steigen bzw. auf einem hohen Niveau bleiben. Dies geht mit einem Platzproblem in den Grundschulen einher. Dieses Problem wird oft leider zu Ungunsten des Hortes gelöst. Der Schulabbau hat dazu geführt, dass es nun an Plätzen mangelt – angesichts einer langfristigen Bedarfsplanung eigentlich ein Unding. Ich musste schon häufig Verhandlungen miterleben, in denen Horträume kurzerhand zu Klassenzimmern umgenutzt wurden und der Hort weichen musste. Wo und wie Hortarbeit dann stattfinden soll, ist den Entscheidungsträgern in keiner der Diskussionen vorrangig wichtig gewesen. Mir ist klar, dass die Schule an der Stelle einen staatlichen Auftrag zu erfüllen hat. Doch wenn der Hort Räume innerhalb des Schulgebäudes nutzt, wäre es eine eigentlich selbstverständliche Sache, Lösungen zu suchen, wie gute Hortarbeit unter den neuen Bedingungen gelingen kann. Dies bleibt meistens dann den Teams überlassen, die wiederum versuchen „das Beste draus zu machen“.
Am Ende wird es wohl, wie immer, eine finanzielle Entscheidung werden. Kann sich ein Staat eine qualitativ hochwertige, bezahlbare (sogar kostenlose?) Nachmittagsbetreuung leisten, die einen eigenen sozialpädagogischen Auftrag hat? Oder gibt es irgendwann für die Eltern, die es sich leisten können, nachmittägliche Bezahlangebote und parallel dazu eine kostengünstige Nachmittagsbetreuung, damit die Kinder nicht allein zu Hause sind?
Mit der letzteren Idee schaffen wir eine Heterogenität, die jedem Inklusionsgedanken entgegensteht. Aber auch hier bin ich eher pessimistisch.
Der Hort muss sich profilieren, will er in Zukunft anders wahrgenommen und für wichtig erachtet werden. Dies ist unsere Aufgabe für die kommenden Jahre.

Josefin Barthold: Welche Hausaufgaben würden Sie dem Hortbereich, den Fachwissenschaften, der Politik und den Fachkräften aufgeben?

Katja Oethe: Reflektiert und definiert eure Rolle, bildet euch fort zu Partizipation und Demokratiebildung, setzt dies um, schafft Hort-Fachberatungen, forscht zur Nachhaltigkeit von Hortarbeit und gelingender Hortarbeit, definiert den sozialpädagogischen Auftrag!

Josefin Barthold: Sie sprechen die Forschung an. Welchen Beitrag könnte der wissenschaftliche Bereich zur Zukunft des Hortes haben? Wo sehen Sie zentrale Anknüpfungspunkte?

Katja Oethe: Ja, wir brauchen mehr Forschung im Hortbereich – zu Wirksamkeit, Nachhaltigkeit, Umsetzbarkeit. Wir brauchen Konzepte für demokratische Prozesse, die in den Horten umgesetzt und wissenschaftlich begleitet werden. Es ist gut, wenn Student/innen der Unis in unsere Einrichtungen kommen. Allerdings wäre ein ebenso wichtiger Schritt eine Aufwertung der Hortarbeit mit Publikationen, Schriften und Büchern. Wir brauchen für den Hort nicht nur die Beachtung durch einzelne Student/innen oder Studienbereiche, sondern die der Professor/innen und Dozent/innen.

Josefin Barthold: Welche Formen der Zusammenarbeit stellen Sie sich konkret vor?

Katja Oethe: Wie schon erwähnt – mit verschiedenen Studienrichtungen. Und ich spreche hier nicht nur von den Geisteswissenschaften. Im Grunde genommen, haben wir in unseren Horten die Student/innen und Auszubildenden von morgen. Nicht nur über die Kinder–Uni, sondern praxisnaher sollten Kooperationen entstehen.
Ich könnte mir vorstellen, dass Horterzieher/innen Vorlesungen besuchen, dass Student/innen, Professor/innen und Dozent/innen im Hort hospitieren und daraus Forschungsprojekte entstehen. Dass es einen Austausch zwischen allen gibt, der ständig zur Reflexion einlädt. Ganz weit aus dem Fenster lehne ich mich mit der Idee eine engere Verknüpfung des Lehramtes Grundschule mit den Horten anzustreben. Wie gewinnbringend könnte für beide Seiten der fachliche Austausch sein?
Es sollte mehr Netzwerktreffen und Fachtage nur für Horte geben. Und natürlich sollten wir unseren Fokus auf Horte mit „best practice“ legen, dort hospitieren und wegkommen von Evaluationsmethoden, die erfassen, wie viele Zangen in einem Hort vorhanden sind.

Das Gespräch wurde im Anschluss an die Tagung verschriftlicht.

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