Kindertagesbetreuung in Frankreich, Finnland und Schweden

Birgit Fix

Im Anschluss an den Erziehungsurlaub stellt sich für berufstätige Eltern die Frage, wer die außerfamiliale Erziehung der Kinder übernehmen soll. In den hier untersuchten Ländern werden dabei sowohl in Form als auch in Umfang unterschiedliche Möglichkeiten angeboten. Die Betreuungsrate für Kleinkinder unter drei Jahren ist mit 48 Prozent am höchsten in Schweden, gefolgt von Frankreich (29 Prozent) und Finnland (22 Prozent). Deutschland kommt hingegen mit einer nur zehnprozentigen Quote eine Schlusslichtfunktion zu. Etwas besser schneidet Deutschland beim Vergleich der Versorgungsquote für die Altersgruppe drei Jahre bis Grundschulalter ab. Hier liegt es mit 78 Prozent nahezu mit Schweden (80 Prozent) gleich auf. Spitzenreiter ist Frankreich, wo nahezu alle Kinder (99 Prozent) einen Betreuungsplatz haben. Finnland ist mit 66 Prozent das Schlusslicht.

Die Unterschiede in der Versorgungsquote lassen sich teilweise aus der unterschiedlichen rechtlichen Situation in den untersuchten Ländern erklären. Zwar gibt es in allen vier Ländern Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Allerdings unterscheiden sich die Regelungen in den Ländern bezüglich des zeitlichen Umfanges der Betreuung und der Altergruppen.

Kinderbetreuung in Finnland

Im Unterschied zu Deutschland, wo ein Kind gemäß § 24 Sozialgesetzbuch VIII erst ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenbesuch hat, wurde in Finnland der zunächst nur für Kinder der Altersgruppe null bis drei geltende individuelle Rechtsanspruch 1995 auf alle Kinder bis zum Schuleintrittsalter ausgeweitet. Eltern können dabei optional zwischen einem Platz in einer Kindertagesstätte (päiväkoti), der Betreuung durch eine Tagespflegeperson in einer Familientagesstätte (perhepäivähoito) oder durch einen Elternteil wählen (vgl. European Commission Network on Childcare and Other Measures 1996, S. 105). Dadurch soll jeder Familie die Möglichkeit gegeben werden, die für ihre Situation angemessene Betreuungsform zu wählen.

Wenn Eltern die Betreuung selbst übernehmen wollen, wird eine Familienbetreuungszulage in Höhe von 63 EUR pro Monat gezahlt, wenn der betreuende Elternteil im Rahmen eines steuerpflichtigen Arbeitsverhältnisses die Arbeitszeit auf weniger als 30 Stunden reduziert. Für die häusliche Kinderbetreuung, die z.B. durch Angehörige oder eine Tagesmutter erbracht wird, erhalten die Eltern im Rahmen der Kinderbetreuungshilfe (lasten kotihoiden tuki) einen Grundfreibetrag von 252 EUR, der bei Existenz eines zusätzlichen Geschwisters unter drei Jahren um 84 EUR bzw. bei Geschwistern zwischen drei und sechs Jahren um 50 EUR aufgestockt wird. Zusätzlich wird die private Betreuung von Kindern im Vorschulalter durch eine einkommensabhängige Zulage von maximal 168 EUR pro Monat bezuschusst (vgl. http://europa.eu.int/comm/employment_social/missoc2002/finland_de.pdf).

Das Hauptbetreuungsangebot für Vorschulkinder in Finnland sind Kindertagesstätten, die überwiegend von den Kommunen getragen werden. Die Öffnungszeiten dieser Einrichtungen betragen mindestens 10 Stunden am Tag, wobei den Kindern in den Einrichtungen je nach Verweildauer Frühstück und warmes Mittagsessen angeboten wird. Die Betreuung erfolgt vor allem durch Erzieher, die über ein dreijähriges Universitätsstudium mit starker Praxisorientierung verfügen. Darüber hinaus arbeiten auch Heimerzieher mit einer dreijährigen Berufsausbildung in speziellen Ausbildungsstätten für soziale Berufe in derartigen Einrichtungen (vgl. Oberhuemer/ Ulich 1997, S. 112-115). Ein sehr günstiger Personalschlüssel von einer Betreuungsperson für vier Kinder unter drei Jahren bzw. sieben Kindern unter sieben Jahren ermöglicht dem praxisnah ausgebildeten Personal eine gezielte Einzel- oder Gruppenförderung der Kinder.

Auch in Familientagespflegeeinrichtungen ist die Betreuungsanzahl auf vier Kinder begrenzt. Im Unterschied zum Personal der Kinderbetreuungseinrichtungen sind die Tagesmütter jedoch nicht mehrjährig professionell ausgebildet, sondern müssen lediglich eine Grundausbildung von 250 Stunden durchlaufen. Allerdings werden sie fortlaufend von Fachkräften beaufsichtigt und angeleitet. In so genannten "offenen Kindertagesstätten" können sie zusammen mit interessierten Eltern an Vorträgen und Workshops zu erziehungsrelevanten Themen teilnehmen. Die Familientagespflege findet in der Regel im Haus der Tagesmutter oder des zu betreuenden Kindes statt. Darüber hinaus gibt es aber auch Zusammenschlüsse von Eltern, die sich eine Tagesmutter teilen. Dann findet die Betreuung entweder abwechselnd in den Häusern der Familien oder in kommunalen Räumlichkeiten statt. Obwohl auch in diesem Fall die örtliche Behörde die Gruppen berät und beaufsichtigt, ist aufgrund der schlechteren Ausbildung der Tagesmütter die Betreuungsqualität bedeutend schlechter als in Kindertagesstätten.

Am geringsten gesetzlich reglementiert ist in Finnland die außerschulische Erziehung von Kindern im Anschluss an den Ganztagesunterricht. Die Freizeitgestaltung findet vor allem in öffentlich bezuschussten Spielzentren statt, wobei die Eltern allerdings nur einen Elternbeitrag von 15 Prozent der Kosten zu tragen haben. Die Einrichtungen sind ebenfalls während der Sommerferien geöffnet, so dass Eltern auch in dieser Zeit ihre Kinder betreut wissen. Zudem bietet die lutherische Kirche für Kinder ab vier Jahren Spielgruppen an, in welchen die Kinder für einige Stunden pro Tag betreut werden. Dieses Angebot wird von 60 Prozent aller Kinder genutzt.

Kinderbetreuung in Frankreich

In Frankreich besteht im Unterschied zu Finnland kein Rechtsanspruch auf die außerfamiliale Erziehung von Kindern bis zum dritten Lebensjahr. Anstelle dessen wird die Erziehung von Vorschulkindern in erheblichem Maße politisch favorisiert. Die Vorschulerziehung stößt dabei auf breite gesellschaftliche Akzeptanz. Ein Grund dafür könnte die lange Tradition sein, auf welche die Vorschulerziehung in Frankreich zurückblicken kann. Bereits 1881 wurden die salles d'asile, die Vorläufer der heutigen Vorschulen (école maternelles), in das allgemeine Bildungssystem integriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist ihr Angebot aufgrund des Bevölkerungswachstums und der verstärkten Erwerbsbeteiligung von Frauen stark expandiert.

Heute besuchen nahezu alle drei- bis sechsjährigen französischen Kinder diese Einrichtungen, in denen die sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten der Kinder gefördert werden. Darüber hinaus lernen die Kinder im letzten Jahr der école maternelle bereits Lesen, Schreiben und Rechnen.

Die Einrichtungen sind während der Woche mit Ausnahme des Mittwochs, an dem meist nur halbtags betreut wird, von 8.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Davor und danach sowie in der Mittagspause werden die Kinder durch qualifiziertes Personal betreut. In der Regel handelt es sich dabei um Fachkräfte, die ein praxisnahes Lehrerhochschulstudium für den Vorschul- und Primarbereich haben. Sie werden in ihrer Arbeit durch Hilfskräfte unterstützt, die überwiegend eine paramedizinische, pädagogische oder heilpädagogische Ausbildung absolviert haben.

Problematisch ist dabei, dass die Kinder jedes Vorschuljahr durch eine andere Lehrerin betreut werden. Auf diese Weise steht den Kindern keine kontinuierliche Bezugsperson zur Seite, die sie durch das gesamte Vorschulzeitalter begleitet. Auch in Bezug auf die frühpädagogischen Praktiken geht Frankreich andere Wege als Deutschland. Die Hauptaktivitäten liegen auf der Arbeit mit der ganzen Gruppe und angeleitete Projektarbeiten (Oberhumer/ Ulich 1997, S. 123). Damit hat das französische Vorschulsystem einen deutlich stärkeren schulischen Charakter.

Eltern sehen es als wichtig an, Kinder in die Vorschuleinrichtungen zu schicken, denn Untersuchungen belegen, dass die Länge der Vorschulbesuchsdauer mit einer Verringerung der schulischen Wiederholungsrate korrespondiert (vgl. Plaisance 1998, S. 176). Es zeigte sich für Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten, dass eine kontinuierliche Vorschulerziehung deutliche Vorteile für ihre weitere schulische Laufbahn mit sich bringt.

Gerade wegen dieses bildungspolitischen Anspruchs der Vorschulen ist die Aufnahme von zweijährigen Kleinkindern in écoles maternelles umstritten. Ein Grund dafür ist, dass den Erzieherinnen in diesen Einrichtungen unterstellt wird, für die Arbeit mit dieser Altersgruppe nicht genügend ausgebildet zu sein (vgl. Oberhumer/ Ulich 1997, S. 120). Für die Altersgruppen zwei Monate bis drei Jahre werden daher Kollektivkrippen (crèches collectives) sowie Familienkrippen in der Trägerschaft von Kommunen, regionalen Familienfonds, Verbänden, Elterninitiativen und Firmen bevorzugt. Der Personalschlüssel in Kollektivkindergärten ist dabei nicht ganz so günstig wie in Finnland. Hier werden acht Kinder im lauffähigen Alter von einer Fachkraft betreut. Die Anstellung einer diplomierten Erzieherin ist erforderlich, wenn in der Einrichtung mehr als 40 Kinder betreut werden.

Weniger stark reguliert ist hingegen die Arbeit von Tagesmüttern. In Frankreich ist für derartige Tätigkeiten keine formale Ausbildung nötig. Registrierte Tagesmütter müssen sich lediglich einer medizinischen Untersuchung sowie einer Befragung durch Facharbeiter der Sozialarbeit unterziehen (vgl. Laville 1998, S. 18).

In den Kindergärten (jardins d'enfants), die allerdings aufgrund der Dominanz der Vorschulen einen quantitativ geringen Stellenwert haben, leiten diplomierte Erzieherinnen die Einrichtungen. Die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren übersteigt allerdings trotz vermehrter Ausbauanstrengungen seit den 60er Jahren immer noch das Angebot. Dies ist besonders vor dem Hintergrund problematisch, dass der Elternurlaub deutlich schlechter als in den anderen untersuchten Ländern ausgebaut ist. Die beschränkten Öffnungszeiten in den konventionellen Krippen sind darüber hinaus nur schwer mit den üblichen Arbeitszeiten zu vereinbaren.

Diese Tatsache hatte zur Folge, dass Eltern seit Ende der 60er Jahre verstärkt die Initiative übernommen haben, neue Formen der Betreuung ins Leben zu rufen. Dementsprechend kam es zur Bildung so genannter Elterninitativ-Krippen (crèches parentales), in denen alternative Formen der Betreuung für Kleinkinder bereitgestellt werden. Die Einrichtungen basieren dabei stark auf der Mitarbeit der Eltern, die zusammen mit meist paramedizinischem Personal die Betreuung der Kleinkinder übernehmen. Diese Form der Betreuung ist seit 1981 offiziell anerkannt und wird öffentlich bezuschusst.

Mit der Förderung der Privatinitiative von Eltern wurde in Frankreich eine neue Ära der außerfamilialen Betreuung eingeläutet, die durch die Gesetzgebung der 90er Jahre auch eine neue Qualität bekommen hat. Seither können Eltern, die in ihrem Haushalt Arbeitsplätze für Betreuungspersonal schaffen, einen Steuergutschein erhalten. Dieses Gutscheinsystem wirkt sich allerdings nachteilig für Familien aus, die Kinder durch andere Dienstleistungsformen betreuen lassen und diese Kosten nicht geltend machen können.

Die fehlende Harmonisierung der steuerlichen Absetzbarkeit anderer Betreuungsformen hat in Frankreich zur Folge, dass Eltern keine wirklichen Wahlmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Modellen haben. Anstelle dessen entsteht eine Situation, die der französische Soziologe Jean-Louis Laville folgendermaßen zusammenfasst: "Es ist paradox, dass die derzeitige Situation kollektive Formen von Kinderbetreuung bestraft, obwohl sie hinsichtlich Ausbildung und anerkanntem Status für das Personal mehr Sicherheit bieten als individuelle Kinderbetreuung" (vgl. Lavielle 1998, S. 19).

Die mit dieser Gesetzgebung geförderte Abkehr von der kollektiven Betreuung betrifft allerdings nur die Vorschulkindererziehung. Auch im Bereich der Schulkinderbetreuung geht Frankreich andere Wege. Im Unterschied zu Deutschland und Finnland existiert in Frankreich kein eigenständiges Hortsystem. Anstelle dessen besuchen die Kinder Ganztagsschulen, in denen vor und nach der Schulzeit flankierende Betreuungsangebote existieren. Die Betreuung erfolgt dabei durch Animateure (animateurs), die eine Kurzausbildung in Freizeitgestaltung haben, entweder auf dem Schulgelände oder in nahegelegenen Räumlichkeiten.

Kinderbetreuung in Schweden

Die öffentliche Betreuung von Kindern ist in Schweden ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen. Dabei wird großer Wert darauf gelegt, Angebote zur Verfügung zu stellen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern und zugleich das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Erziehung stellen. Die Kommunen sind verpflichtet, für Kinder im Alter von eins bis zwölf Jahren einen Platz in einer Tageseinrichtung oder Familientagespflegestelle bereitzustellen. Diese Pflicht gilt allerdings nur, wenn die Eltern erwerbstätig sind oder studieren. Das hat zur Folge, dass Kinder im Falle der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern häufig den Betreuungsplatz verlieren. Diese Handhabung entspricht den gesetzlichen Vorschriften von etwa 40 Prozent aller schwedischen Kommunen. Durch eine nationale Gesetzgebung, die eine gebührenfreie Vorschule vorsieht, soll die Benachteiligung von Kindern arbeitsloser Eltern in den kommenden Jahren jedoch beseitigt werden.

Das öffentlich finanzierte Betreuungsangebot ist in Schweden ähnlich wie in Finnland strukturiert. Es stehen 11 ½ Stunden lang geöffnete Kindertagesstätten (daghem), halbtags geöffnete Kindergärten (deltigsgrupper), offene Kinder- und Elterntreffs (õppen fõrskola) und Horte (fritidshem) zur Verfügung. Darüber hinaus besteht, wie in Finnland, ein öffentlich subventioniertes System der Familientagespflege (familjedaghem). In den ganztägig geöffneten Kindertagesstätten erhalten die Kinder ein warmes Mittagessen, welches durch hauswirtschaftliches Personal zubereitet wird. Die Eltern beteiligen sich an der Finanzierung mit Elternbeiträgen, die von Kommune zu Kommune variieren (vgl. European Commission Network on Childcare and Other Measures 1996, S. 114).

Die Personalstruktur der Einrichtungen ist ähnlich günstig wie in Finnland. Hier stehen drei Fachkräfte - meist zwei Vorschulpädagog/innen und ein/e Kinderpfleger/in - für 15 Kinder unter drei Jahren bzw. für ca. 20 Kinder in der Altergruppe drei bis Schulpflichtalter zur Verfügung. Das Personal in diesen öffentlichen Einrichtungen verfügt über eine dreijährige Hochschulausbildung, wobei die Ausbildung von Vorschulpädagogen weitgehend identisch mit derjenigen der Primarschullehrer ist. Praktika sind dabei fester Bestandteil der Studiengänge (vgl. Oberhuemer/ Ulich 1997, S. 255-260). Bei der Ausbildung wird in den letzten Jahren zudem großer Wert auf interkulturelle Erziehung gelegt.

Seit 1994 besteht am Stockholm Institut of Education sogar ein frühpädagogischer Studiengang in englischer Sprache (International Programme in Early Childhood Education). Der Studiengang ist sowohl für schwedische als auch für ausländische Studenten konzipiert und beinhaltet ein Praxisjahr im Ausland (vgl. http://www.ihs.se/eng/eng_index.htm). Ziel ist es dabei, Frühpädagogikkenntnisse in einer internationalen Perspektive zu vermitteln.

Die verstärkten Investitionen in eine gute Ausbildung der Erzieher sowie ein günstiger Personalschlüssel bieten in Schweden gute Voraussetzungen für eine dauerhafte und intensive pädagogische Begleitung der Kinder. Allerdings haben in den letzten Jahren Einsparungen der Kommunen dazu geführt, dass die Gruppengrößen nach oben angehoben wurden. Die damit verbundene Veränderung der Qualität der Kinderbetreuung wurde kontrovers diskutiert, da in Schweden ganzheitliche Erziehungsansätze bevorzugt werden, welche die Fürsorge, das Wohlfühlen des Kindes in der Einrichtung, die erzieherische Begleitung sowie das spielerische Lernen betonen.

Seit August 1998 existiert ein eigener Lehrplan für Vorschulen, in welchem Ziele und Qualitätskriterien definiert sind. In diesem Curriculum werden auch gesellschaftliche Werte wie die Sorge und Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen, Solidarität, Gleichstellung und Toleranz definiert. Darüber hinaus wird ein besonderes Gewicht auf den Entwicklungs- und Lernprozess des Kindes sowie auf das Zusammenspiel von Vorschule, Schule und Freizeiteinrichtung gelegt. Das Personal der Einrichtung entscheidet aber selbst über die Arbeitsweisen und die Methodik, durch welche diese Zielsetzungen umgesetzt werden. Dabei wird großer Wert auf die Zusammenarbeit mit den Eltern gelegt. Täglicher Kontakt mit den Eltern, das Angebot zur Teilnahme an Aktivitäten, regelmäßige Elternabende und Gespräche über die Entwicklung des eigenen Kindes legen den Grundstein für eine intensive Zusammenarbeit (vgl. Schwedisches Institut 1999, S. 4). Diese Faktoren mögen dazu beitragen, dass der öffentlichen Erziehung von Kindern in Schweden nicht wie in Deutschland das Stigma der elterlichen Vernachlässigung (Rabenmütter und Rabenväter) anhängt.

Trotz des Vorhandenseins eines gut ausgebauten öffentlichen Betreuungsangebots übersteigt die Nachfrage nach Betreuungsplätzen die Angebotssituation. Dies hat Mitte der 80er Jahre zur Errichtung einer Vielzahl von Eltern- und Mitarbeiterkooperativen, gemeinnützigen Vereinen sowie Organisationen mit spezieller pädagogischer Ausrichtung wie beispielsweise nach Montessori oder Waldorf geführt, die ebenso wie die kommunalen Betreuungseinrichtungen öffentlich subventioniert werden. In diesen Einrichtungen, die wohn- und arbeitsortnah sind, wurde 1995 jedes achte schwedische Kind betreut (vgl. Pestoff 1998, S. 14). Die Betreuung erfolgt, ebenso wie in den kommunalen Einrichtungen, durch ausgebildetes Personal.

Anders sieht die Situation im Bereich der Familientagespflege aus. In diesem Zusammenhang mag es erstaunen, dass die Ausbildung von Tagesmüttern im Vergleich zu Finnland nicht gesetzlich geregelt ist. Die Kommunen bieten hier lediglich Einführungsseminare von 100 Stunden an, die von kommunal angestellten Tagesmüttern absolviert werden müssen. Eine mögliche Erklärung für die Diskrepanz in den Ansprüchen an das Erziehungspersonal von Kindertagesstätten könnte darin liegen, dass die Nutzung von Familientagesstätten in Schweden in den letzten Jahren rückläufig ist. Lediglich 12 Prozent aller Vorschulkinder besuchten 1998 derartige Einrichtungen, die vorwiegend in dünn besiedelten ländlichen Gemeinden verbreitet sind.

Neben dem Vorschulsystem wurde in Schweden im Unterschied zu Finnland und Deutschland bereits seit den 70er Jahren ein verstärktes Augenmerk auf den Ausbau der außerschulischen Betreuungssysteme gelegt. Die diesbezüglich verbreitetste Betreuungsform ist das Freizeitheim, das meist in die Schule integriert ist. Dies ist insbesondere deshalb von Vorteil, weil die Schulen in Schweden autonom die Länge des Schultages bestimmen. Der Schultag darf jedoch höchstens acht Stunden für ältere und sechs Stunden für jüngere Schüler dauern. Die Einrichtungen sind auch während der Schulferien geöffnet.

Die außerschulische Betreuung ist stärker als in Finnland reguliert und erfolgt nach einem integrierten Konzept von Erziehung, Bildung und Betreuung, das durch das Pädagogische Programm für Freizeiteinrichtungen in Schweden festgelegt ist. Schweden ist das einzige Land in der Europäischen Union, in dem seit 1977 eine spezielle Hochschulausbildung für das Personal von Horteinrichtungen besteht, so dass die Kinder durch gut ausgebildete Pädagogen betreut werden.

Trotz des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz bekommen allerdings viele Kinder in der Altersgruppe zwischen 10 und 12 Jahren keinen Hortplatz. Um das fehlende Hortangebot zu kompensieren, hat sich eine Reihe von Freizeitklubs gebildet, die durch die Kommunen oder durch Wohlfahrtsorganisationen getragen werden. Die Betreuung erfolgt hier in großen Gruppen durch qualifizierte Teilzeitkräfte.

Literatur

European Commission Network on Childcare and Other Measures to Reconcile Employment and Family Responsibilities (eds.) 1995: A Review of Services for Young Children in the European Union 1990-1995, Brussel (European Commission Directorate General V).

Laville, Jean Louis 1998: Dienstleistungen für Kinder in Frankreich, in: Diskurs, Heft 2: 17-19.

Oberhuemer, Pamela/ Ulich, Michaela (Hrsg.) 1997: Kinderbetreuung in Europa, Weinheim/ Basel (Beltz).

Pestoff, Victor Alexis (1998): Kooperative Kinderbetreuung in Schweden. Implikationen für den Wohlfahrtsstaat, in: Diskurs, Heft 2: 14-16.

Plaisance, Eric 1998: Die Vorschulerziehung und die Institutionen für Kleinkinder in Frankreich. Aktuelle Debatten und Qualitätsproblematik, in: Fthenakis, Wassilios und Textor, Martin R. (Hrsg.): Qualität der Kinderbetreuung. Konzepte, Forschungsergebnisse, internationaler Vergleich, Weinheim/ Basel (Beltz): 170-181.

Schwedisches Institut (Hrsg.), Tatsachen über Schweden. Kinderbetreuung in Schweden, Stockholm (http://www.si.se).

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