Worauf sollte man bei der Wahl eines Krippenplatzes und bei der Eingewöhnung eines Kindes achten?Im Interview mit Käthe Bleicher

Käthe Bleicher

Die Wahl eines Betreuungsplatzes für ein Kleinstkind ist mit vielen Fragen verbunden, die die Bedürfnisse des Kindes und seiner Eltern betreffen.

In diesem Interview befragen wir die Waldorferzieherin und Fachbuchautorin Käthe Bleicher, zum Thema „Worauf sollte man bei der Wahl eines Krippenplatzes und bei der Eingewöhnung des Kindes achten?

Bitte vergleichen Sie Krippenbetreuung und Tagespflege. Was sind Ihrer Meinung nach die Vor- und Nachteile der jeweiligen Betreuungsform?

Zunächst einmal unterscheiden sich beide Betreuungsformen vor allem in ihrer Gruppengröße. Während in einer Krippe üblicherweise bis zu 12 Kinder betreut werden, sind es bei einer Tagespflege in der Regel nur 5 Kinder. Ein Vorteil der Tagespflege ist sicherlich, dass es meist familiärer zu geht als in einer Kindertagessstätte. Auch bei den Betreuungszeiten bietet die Tagespflege meist ein individuelleres Angebot an, das mit den Eltern abgesprochen werden kann. Bei der Krippenbetreuung sind die Abholzeiten sehr klar und verbindlich vorgeben und können nicht individuell abgesprochen werden. Ein Nachteil bei der Tagespflege ist meist: wird die Tagesmutter oder der -vater einmal krank, bringt das die Eltern schnell in Bedrängnis, denn meist ist dann kein Ersatz da und die Betreuung fällt für diese Zeit aus. Selbst wenn eine Ersatzbetreuung organisiert werden kann, bedeutet dies für die meisten Kinder Stress, da sie zu dieser Person in der Regel keine stabile Beziehung haben. Hier sehe ich einen klaren Vorteil der Krippenbetreuung. Wird hier die Bezugserzieherin krank, sind immer noch die anderen Betreuer*innen der Gruppe anwesend, die den vorübergehenden Wegfall der Bezugserzieherin in der Regel gut ausgleichen können.

Voraussetzung hierbei ist selbstverständlich, dass die Kinder neben ihrer Bezugserzieherin auch zu den anderen Pädagogen der Gruppe schon eine Beziehung aufgebaut haben. Ein weiterer Unterschied zwischen Krippenbetreuung und Tagespflege liegt sicherlich in der Qualifizierung der Betreuer. Während in einer Krippe in der Regel meist ausgebildete Erzieher*innen, oder Betreuer*innen mit anderen pädagogischen Ausbildungen tätig sind (dies variiert von Bundesland zu Bundesland), besitzen die meisten Tagesmütter und -väter eine Pflegeerlaubnis vom jeweiligen Jugendamt und darüber hinaus einen Grundqualifizierungskurs zur Kindertagespflege. Eine Tagespflegeperson hat also nicht zwingend eine mehrjährige pädagogische Ausbildung absolviert. Was nicht bedeutet, dass eine Tagespflege primär schlechter ist als eine Krippenbetreuung. Für manche Kinder ist dies sogar eine tolle Alternative, besonders wegen der familiäreren Ausrichtung und der geringeren Kinderanzahl.

Grundlegend würde ich den Eltern immer raten, sich ein gutes Bild über die Qualität der jeweiligen Betreuungsform zu verschaffen und zu prüfen, wie das pädagogische Konzept ist. Hier sind sicherlich die eigene Wahrnehmung und das Bauchgefühl eine gute Hilfe bei einer Beurteilung der Qualität der jeweiligen Betreuungsform.

Weshalb machen Sie einen Hausbesuch, bevor das jeweilige Kind in der Krippe aufgenommen wird?

Der Hausbesuch ist ein wichtiger Bestandteil des späteren Beziehungsaufbaus zum Kind und der sicheren Eingewöhnung. Hier knüpft die Bezugserzieherin ein erstes zartes Band zum Kind und zu seinen Eltern und legt den Grundstein für den späteren Vertrauens- und Beziehungsaufbau. Der Hausbesuch dient als ein erstes Kennenlernen und miteinander vertraut werden. Für die bevorstehende Eingewöhnung und den Beziehungsaufbau zwischen Bezugserzieherin und Kind bringt er einen ganz entscheidenden Vorteil.

Das Kind kommt an seinem ersten Eingewöhnungstag nicht in etwas völlig Unbekanntes, sondern hat dank des Hausbesuches seine Bezugserzieherin schon mal kennengelernt und wird sich im Idealfall an sie erinnern: „Diese Person war schon mal bei mir zuhause und hat mit mir gespielt.“ Auch die Eltern können sich viel entspannter auf die bevorstehende Eingewöhnung einlassen, da sie die Bezugserzieherin schon kennengelernt und zu ihr ein erstes Vertrauen aufgebaut haben. Dies bringt einen enormen Vorteil, denn wenn die Eltern wissen, welche Person sie erwartet und die Eingewöhnung ihres Kindes übernehmen wird und wie diese Person von ihrem Wesen her ist, dann sind sie für die anschließende Eingewöhnung bereits positiv eingestimmt. Sind die Eltern entspannt und haben Vertrauen aufgebaut, so unterstützen sie damit auch ihr Kind bei der Bewältigung dieser Aufgabe.

Das Gleiche gilt für die Bezugserzieherin, auch sie kann dank des Hausbesuches der Eingewöhnung viel entspannter entgegensehen, da sie weiß was sie erwartet. Sie hat einen ersten Kontakt zum Kind und zu seiner Familie geknüpft und kann sich auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes besser einstellen. Wer ist das Kind? Was bringt es mit sich? Welche Bedürfnisse haben das Kind und seine Familie? Gibt es vielleicht Sorgen, Ängste oder Unsicherheiten bei den Eltern in Bezug auf die bevorstehende Eingewöhnung? All diese Dinge lassen sich bei einem Hausbesuch wunderbar klären und beantwortet. Der Krippenalltag bietet hier meist nicht die Möglichkeit und den vertrauten Rahmen. Besuchen wir das Kind und seine Familie zu Hause, erleben wir das Kind in seinem sicheren und natürlichen Lebensumfeld, so können wir viel lernen und die bevorstehende Eingewöhnung bestmöglich auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes und seiner Familie anpassen.

Wie gestaltet sich die Eingewöhnung? Gibt es Unterschiede je nach Alter des Kleinstkindes?

Eine Eingewöhnung ist mit jedem Kind immer wieder eine neue und interessante Herausforderung. Sie sollte nie nach starren Mustern oder Abläufen erfolgen, sondern sich immer an den individuellen Bedürfnissen des Kindes orientieren. Selbstverständlich spielt hier auch das Alter des jeweiligen Kindes eine wichtige Rolle. Ein Säugling etwa benötigt noch einen viel intensiveren und engeren Körperkontakt als ein Kind mit 2.5 Jahren. Als Eltern sollte man sich darüber bewusst sein, dass für ein Baby eine Eingewöhnung eine besonders große Herausforderung bedeutet. Vor allem im ersten Jahr legt das Kind seine ersten Bindungsmuster an und entwickelt sein Urvertrauen in seine Hauptbezugsperson. Es benötig viel und intensiven Körperkontakt, da es sich noch nicht selbst regulieren kann. Fällt in diese sensible Phase eine Eingewöhnung bzw. der Start in eine Fremdbetreuung, sollte man sich als Eltern überlegen, ob eine Kinderfrau einem Krippensetting nicht vorzuziehen wäre. Denn ein Baby benötigt eigentlich eine 1:1 Betreuung.

Kommt das Kind um seinen zweiten Geburtstag herum in eine Krippe oder in die Tagespflege, so ist es dem Gruppensetting schon viel besser gewachsen und kann auch mit der Eingewöhnung anders umgehen. Dennoch gilt für jedes Alter, dass man dem Kind bei der Eingewöhnung genügend Zeit gibt, damit es sich auf die neue Situation einlassen und zu seiner Bezugserzieherin eine sichere und tragfähige Beziehung aufbauen kann. Somit sollte eine Eingewöhnung auch immer bezugspersonenorientiert und elternbegleitet sein und über einen Zeitraum von mindestens 6 bis 10 Wochen erfolgen.

Wie gehen Sie mit starken und lang andauernden emotionalen Reaktionen des Kindes wie z.B. Weinen und Schreien um?

Hier muss ganz genau hingesehen werden, worauf sich diese emotionale Reaktion bezieht. Handelt es sich z.B. um ein starkes Weinen und Protestieren bei der Trennung von Mama, also eine Reaktion des Kindes darauf, dass seine Hauptbezugsperson gerade den Raum verlässt und sein Bindungssystem aktiviert wurde, so ist dies zunächst einmal eine normale und gesunde Reaktion des Kindes. Nun sollte die Bezugserzieherin das Kind durch Körperkontakt und eine feinfühlige Ansprache versuchen zu beruhigen. Je nach Kind kann dies etwa ein liebevolles in den Arm nehmen sein oder auch eine feinfühlige Kommunikation.

Hat das Kind die Bezugserzieherin als eine weitere Bindungsperson akzeptiert, so wird es sich auch von ihr beruhigen lassen und es gelingt der Bezugserzieherin durch ihre Zuwendung dem Kind wieder ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Lässt sich das Kind allerdings nach kurzer Zeit nicht beruhigen und gerät in hohen emotionalen Stress, so sollte eine Trennung immer umgehend abgebrochen werden. Dann ist das Kind zu diesem Schritt noch nicht bereit. Starke, lang andauernde emotionale Reaktionen eines Kindes sind immer ein Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Das sollte bei uns Erwachsenen immer einen Alarm auslösen. Kinder lange schreien zu lassen, bis sie vor Erschöpfung von selbst aufhören, ist nicht hinnehmbar. Soweit muss es erst gar nicht kommen.

Lassen wir den Kindern in der Eingewöhnung so viel Zeit und Ruhe wie sie benötigen, um eine sichere und stabile Bindung zu ihrer Bezugserzieherin aufzubauen, so kommt das Kind erst gar nicht in die Situation, in hohen emotionalen Stress zu geraten. Denn ein Kind wird sich immer von seiner Bezugserzieherin beruhigen lassen, wenn es zu ihr eine tragfähige Beziehung aufgebaut hat und in ihr eine feinfühlige und achtsame Person vorfindet, die prompt und angemessen auf seine Bedürfnisse reagiert.

Aus diesem Grund steht der Beziehungsaufbau zwischen Erzieherin und Kind bei dem Eingewöhnungsmodell Sicher eingewöhnen auch an erster Stelle. Eine Trennung wird hier immer erst dann vollzogen, wenn das Kind eine sichere Beziehung zu seiner Bezugserzieherin aufgebaut hat und sich von ihr auch beruhigen lässt.

Wie können Eltern die Eingewöhnung ihres Kindes fördern?

Eltern sollten sich mit der Eingewöhnung vor deren Beginn immer auseinander setzten. Dies bedeutet zum einen, dass ich als Elternteil zu diesem Schritt bereit sein sollte und zum anderen, dass ich dabei auch ein gutes Gefühl haben sollte. Fühle ich mich in der Einrichtung oder bei der Tagespflege wohl und willkommen? Habe ich Vertrauen in die Bezugserzieherin? Bin ich mit dem Eingewöhnungskonzept und dem Ablauf zufrieden? Bin ich bereit mein Kind loszulassen und einer anderen Person anzuvertrauen? Ich würde allen Eltern raten und sie auch dazu ermutigen, immer den direkten Kontakt zur Bezugserzieherin ihres Kindes zu suchen, wenn sie während der Eingewöhnung etwas stört oder sie sich Sorgen machen. Da sich Kinder sehr stark an der inneren Einstellung ihrer Eltern orientieren, tragen die Eltern ganz entscheidend dazu bei, wie gut sich das Kind auf die Eingewöhnung einlassen kann oder eben auch nicht.

Eine Eingewöhnung stellt das kleine Kind immer vor eine große Herausforderung. Deshalb würde ich den Eltern auch empfehlen während dieser Zeit keine großen Unternehmungen wie etwa eine Urlaubsreise zu machen. Auch zusätzliche längere Trennungen vom Kind würde ich während einer Eingewöhnung vermeiden. Je nach Alter des Kindes kann es auch hilfreich sein, über das Erlebte mit dem Kind zu sprechen. Auch genügend Beziehungszeit zwischen Eltern und Kind außerhalb des Krippenalltags ist für das Kind in dieser Zeit sehr wichtig. Und ein letzter wichtiger Punkt, der häufig unterschätzt wird, sind Zeit und Geduld. Eltern sollten also im Vorfeld die Eingewöhnung zeitlich so einplanen, dass sie keinen Druck empfinden etwa, weil sie ihren Job bald wiederbeginnen. Eine Eingewöhnung benötigt vor allem viel Zeit und Geduld, die aufzubringen sich aber am Ende auszahlt. Denn ein gut eingewöhntes Kind wird auch gerne in die Krippe gehen und sich dort wohlfühlen.

Autorin

Käthe Bleicher, Jahrgang 1987, lebt in München. Sie ist Waldorfpädagogin, SAFE®-Mentorin und Mama eines Sohnes. Sie arbeitet als pädagogische Leitung in einem Waldorfkindergarten, als freie Autorin und Elterncoach.

Kontakt

www.kaethebleicher.de

Literatur

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