Heidi Jensen
Einleitung
Die Entwicklungsgeschichte der Säugetiere, zu denen bekanntlich auch der Mensch zählt, ist maßgeblich geprägt durch das Spiel. Gerade Kleinkinder zeigen ein hohes Maß an Lernbereitschaft und Neugierde ihre Umgebung zu erkunden. Martin Textor (2007) beschreibt, im Artikel Bildung in der Erzieherin-Kind-Beziehung, „die frühe Kindheit als lernintensivste Zeit im Leben des Menschen“. Rolf Oerter (2007) charakterisiert die Bedeutung des Spiels für die Entwicklung des Kindes, als „Bewältigung spezifischer Probleme“, die begleitet wird von einem „intensiven Austausch zwischen Individuum und Umwelt“ (S. 7).
Dieser vorliegende Artikel geht der Frage nach, welche Bedeutung das Spiel für die Entwicklung des Kindes hat. Dazu werden Ergebnisse aus der Hirnforschung, Entwicklungs- und Lernpsychologie gesammelt und zusammengeführt mit Beispielen aus Praxis.
Die Bedeutung des Spiels in der kindlichen Entwicklung
Nach allgemeiner Auffassung könnte man das kindliche Spiel, als Erwerb von Fähigkeiten bezeichnen, die später im Leben benötigt werden. Erstaunlich erschien mir, dass die Entwicklung bestimmter Hirnregionen erst durch das Spiel gefördert werden. Während der ersten Lebensjahre lernt das Gehirn über Augen, Ohren, Tastsinn usw. gelieferte Informationen zu verarbeiten und neuronale Vernetzungen aufzubauen, die zur weiteren Verarbeitung und Verknüpfung von Informationen wichtig sind (vgl. Göppel 2014). Als besonders erstaunlich erschien mir, das spielen nicht gleich spielen ist. Es gibt Spiele, die das Gehirn stärker fördern als andere.
„Einige Arten von Spielen stärken die Grundfunktionen des Gehirns wie das limbische System und bilden so die emotionale Grundlage für die kognitive Entwicklung von Kindern. Andere Arten des Spielens verstärken die Sprachentwicklung und das Gedächtnis, und schließlich gibt es auch Spielarten, die das Zell- und Synapsen Wachstum im Cortex und damit die Abstraktionsfähigkeit der Kinder, ihre Konzentrationsfähigkeit und insgesamt ihr kognitives Potenzial direkt beeinflussen.“ (Knudsen 2019, S. 80, Übersetzung der Verfasserin).
Ergebnisse aus der Lern- und Hirnforschung lassen darauf hindeuten, dass gerade das Freispiel neutrale Vernetzungen begünstigt, da eine höhere intrinsische Motivation des Kindes gegeben ist (vgl. Hüther & Quarch 2016; Huizinga 1997; Sutton-Smith 2001). Das Kind wählt beim Freispiel bewusst Spielmaterialen aus, die seinem Entwicklungsstand entsprechen und gestaltet seinen Spielverlauf – individuell und in der Gruppe. Durch die spürbare Selbstwirksamkeit erlebt sich das Kind und andere. Es kann Empathie im Gruppenspiel empfinden, wenn ein anderes Kind ausgeschlossen wird oder auch Selbstkontrolle erleben, wenn es ein Spiel „verliert“.
Wissenschaftliche Studien zum Gruppenspiel Verhalten konnten zeigen, dass das gemeinsame Spiel neuronale Vernetzungen entstehen lässt, die dazu beitragen, dass Kinder ihre Welt lernen zu sortieren und soziale Zusammenhänge zu begreifen (vgl. Friedrich & Streit 2002).
Kinder, die es vorziehen nur mit einem Kind oder Erwachsenen zu spielen, sollten von Erzieher/innen dazu ermutigt werden auch in einer größeren Gruppe zu spielen. Erfolgserfahrungen im Gruppenspiel haben positive Auswirkungen auf soziale Lernerfahrungen und können schon ab einer kleineren Gruppegröße von drei Kindern erreicht werden. Bei älteren Kindern, die Schwierigkeiten haben im Gruppenspiel Spielregeln einzuhalten, können Erzieher/innen das Geben und Nehmen des Spiels üben. Indem sie situativ Regeln erklären sowie Kinder emotional im Umgang mit anderen begleiten. Dies erfordert sowohl Ressourcen als auch ausgebildete Pädagogen/innen, die eine entsprechende Lernumgebung schaffen können.
Spielerfahrungen als Lernentwicklung
Beim Krippenkind ist das Spiel meistens ein Objektspiel. Es versucht etwas zu greifen und Objekten lange zu untersuchen. Hier ist es wichtig, dass das Kind ein Objekt selbstständig untersucht, wenn der Erwachsene sofort zeigt, wie zum Beispiel der Ball rollt, verliert das Kind schneller die Motivation das Objekt zu untersuchen und im Spiel zu bleiben. Jedoch brauchen Kinder Pädagogen, die ihnen helfen den Raum aktiv zu erkunden.
Im Krippenalltag habe ich oft beobachtet, wie Kinder eigenständig den Gleichgewichtspunkt eines Stuhls untersuchen, indem sie beispielsweise an verschiedenen Stellen hin und her klettern. Oftmals schreiten leider immer wieder Erzieher/innen ein und sagen: „Du darfst das nicht, das ist zu gefährlich“. Hier verpasst das Kind die Gelegenheit durch den eigenen Körper zu erfahren, dass der Stuhl umkippen kann. Die körperliche Erfahrung des Kleinkindes ist wichtig, für sein Verständnis gegenüber der Welt. Aber natürlich müssen Erzieher/innen auch die notwendige Verantwortung übernehmen, damit sich das Kind oder andere nicht gefährdet.
Vielleicht werden wir auch als Erzieher/innen von den Reaktionen der Eltern beeinflusst, wenn das Kind eine oder zwei Schrammen hat. Daher ist es wichtig, dass wir professionell erklären können wie wichtig es ist, „ein Lernumfeld für Kinder zu schaffen, in dem die Möglichkeit von „Trial and Error“ eine der wichtigsten Erfahrungen ist, die Kinder im Gehirn speichern. Auf diese Weise sind sie auf einem guten Weg, die unmittelbare Neugierde, Spontanität und das Lernen der Kinder zum spielerischen Lernen zu führen. Genau das ist die Grundlage für jede künftige emotionale, soziale und kognitive Entwicklung“ (Knudsen 2019, S. 23, Übersetzung der Verfasserin).
Ein guter Weg, um den Eltern dies zu kommunizieren, könnte beispielsweise sein zu sagen: „Heute hat Ihr Kind mit dem Gleichgewichtspunkt des Stuhls experimentiert und hat eine „Kompetenzschramme“ erhalten.
Eine Perspektive wäre „Kompetenzschrammen“, als Teil der Entwicklung zu sehen, durch die Kinder aus ihren eigenen Erfahrungen lernen. Natürlich muss grundsätzlich die Sicherheit von Kindern immer gewährleistet sein, gerade wenn es um vermeidbare Risiken geht.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Lernangebote die kindliche Entwicklung wiederspiegeln sollten. Selbstständiges Lernen sollte fördert werden, sodass die jeweiligen Bedürfnisse und Interessen des Kindes wahrgenommen werden. Fehlermutigkeit sollte als Teil eines komplexen Entwicklungsprozesses darstellt werden.
Das Freispiel in der kindlichen Entwicklung
Für jedes Lebensalter stehen verschiedene Entwicklungsaufgaben an (vgl. Staudinger & Baltes 2000), die durch verschiedene Spiele unterschiedlich gefördert werden können.
Die Entwicklungspsychologin Mildred Parten (1933) untersuchte das Freispiel Verhalten von Kindern zwischen zwei und fünf Jahren. Als Freispiel wurden hier selbstinitiierte Aktivitäten der Kinder definiert, die keine Vorgaben oder Anweisungen seitens der Erziehenden beinhalten. Auf Grundlage ihrer Untersuchung entwickelte Parten (1933) vier „Stages of play“ die sich wie folgt untergliedern in:
- Einzelspiele (2-2,5 Jahre)
- Parallelspiel (2,5-3,5 Jahre)
- Assoziatives Spiel (3,5-4,5 Jahre)
- Kooperatives Spiel (ab 4,5 Jahre)
Stages of Play stellen laut Parten (1933) Kategorien dar, in denen Spielphasen je nach Alter und Entwicklung variieren. Wobei Spielphasen nicht zwingend Entwicklungssequenz darstellen, die Kinder linear durchlaufen, sondern Spielphasen können sich in verschiedenen Altersgruppen auch gleichzeitig wiederfinden. Wenn beispielsweise ein Kind im Alter von 4 Jahren allein spielt, könnte es auch denken: „jetzt brauche ich etwas Zeit für mich“.
Die amerikanische Entwicklungspsychologin Rachel White (2012), beschreibt in The Power of Play, in Anlehnung an bereits bestehende Phasen- und Typen Modelle des Spiels (vgl. Moyles 1989; Pellegrini & Smith, 1998; Pellegrini & Gustafson 2005) Kategorien des Spiels. Für das kindliche Spiel nach White (2012) ist die Förderung der intrinsischen Motivation zentral. Das Freispiel, ähnlich wie bei Parten (1933), ist ein Konstruktions- und Problemlösungsspiel, mit dem Kinder Beharrlichkeit und eine positive Einstellung gegenüber Herausforderungen entwickeln können.
Das Freispiel, nach White (2012) hat demnach keine äußerlich motivierte Funktion oder Ziel und gliedert sich wie folgt in:
- Gesellschaftsspiele (soziale Spiele)
- Objektspiele
- Physische, motorische Spiele
- Rollen- / Phantasiespiele
- Medien Spiele (Spiele mit digitalen Medien)
Zum Bespiel reagiert das Kleinkind anfänglich auf das soziale Spiel mit einem Lächeln und Geräuschen – es respondiert somit stärker mit dem Spielen der Erwachsenen. Krippenkinder erkunden beim Objektspiel auf experimentelle Weise die Eigenschaften von Dingen. Bei den 4-Jährigen, vermischt sich das Objektspiel mit dem Fantasiespiel, Legosteine werden verwandelt in Essen oder in etwas ganz anders.
Spielmaterialien
Viele Spielzeuge werden heute so hergestellt, dass kein Raum für die Fantasie bleibt, eine Mikrowelle, ein Fön oder Spielessen scheint genau das zu sein was es ist. Es ist oftmals dieses Spielzeug, dass Kinder Zuhause haben. Daher ist es in einer Lernumgebung, wie der Kita wichtig Spielzeug zu haben, das die Fantasie anregt und die Verwendungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt. Damit Legosteine sowohl als Spielessen als auch als großer Turm oder als Werkzeug für ein Bus Spiel verwendet werden können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten das Kinder in ihrer Entwicklung verschiedene Spielphasen/ Spieltypen durchlaufen. Wobei Phasen wechseln oder gleichzeitig stattfinden können, sodass beispielsweise Kinder nicht zuerst soziale Spiele als 3-4-Jährige spielen. Oftmals beginnen soziale Spiele früher im Leben des Kindes und entwickeln sich im Laufe der Kindheit. Das Spiel des Kindes ist geprägt durch seine Neugierige die Welt zu entdecken und kennzeichnend einen Problemlösungsprozess. Durch diesen Prozess gewinnt es neue Fertigkeiten und Fähigkeiten.
Guided Play
Wenn wir das Spiel in den Lernraum einbeziehen ist, „das Wichtigste, was wir für unsere 0-6-jährigen Kinder tun können, um eine Grundlage für lebenslanges Lernen zugegeben – nicht instruiertes Lernen, sondern eine bessere Grundlage für das Lernen zu schaffen“ (Knudsen 2019, S. 68, Übersetzung der Verfasserin).
Aus meiner Sicht besteht eine Gefahr darin, dass playful learning zu einem Lehrspiel vereinfacht wird, in dem der Erzieherende Spielanweisungen festlegt. Wenn ein Kind und ein Erwachsener zum Beispiel einer Gebrauchsanweisung folgen, um mit Lego ein Schloss zu bauen, besteht der Erwachsene darauf, dass es die richtigen Farben haben muss, da eines der Ziele des Erzieherenden darin besteht, dass das Kind lernt, zwischen Farben und Formen zu unterscheiden. Das Kind macht wiederholt Vorschläge für eine bevorzugte Farbe, der Erzieherende antwortet jedoch mit geschlossenen Fragen, um die Lernziele zu erreichen. Nach kurzer Zeit verliert das Kind den Wunsch im Spiel zu bleiben, da die Motivation sinkt weiter zu experimentieren.
Ich bin nicht der Meinung, dass wir davon Abstand nehmen sollten, mit Gebrauchsanweisungen Lego zu bauen oder Puzzle zu spielen oder ähnliches, da Kinder hier lernen Muster zu erkennen und ihre mathematischen Logikfähigkeiten zu entwickeln. Es ist jedoch wichtig, dass Erzieher/innen das Kind bei offenen Fragen unterstützen, es immer wieder zu versuchen sich vorzustellen, was passieren könnte, welche Auswirkungen es haben könnte und wie etwas aussehen kann.
Beispiel aus der Praxis
Erzieherin Elisabeth baut zusammen mit Christian ein Legoeducation „Wedo“. Das Ziel ist es ein Auto zu bauen, das einen Anhänger ziehen kann. Sie nehmen die Bedienungsanleitung und Elisabeth fragt: „Kannst du die Teile finden, die wir brauchen?“. Christian schaut sich die Zeichnung an und sucht aktiv nach den Teilen. Als er die Teile gefunden hat, fragt Elisabeth, „Was denkst du, womit wir anfangen sollen?“. Christian findet einige Teile und beginnt zu bauen. Dann muss der Anhänger gebaut werden. Elisabeth fragt weiter, welche Art von Rädern gebraucht werden. Christian findet ein paar kleine Räder, aber es stellt sich heraus, dass das Auto den schweren Anhänger nicht ziehen kann. Christian sieht ein bisschen traurig aus. Elisabeth fragt ihn, ob er vielleicht glaubt, dass etwas anderes dem Anhänger helfen könnte, sich zu bewegen. Christian sitzt ein wenig und sieht nachdenklich aus, Elisabeth gibt ihm die Zeit. Plötzlich sucht er in der Kiste, Elisabeth fragt, wonach er suche. Christian sagt, „Ich suche nach größeren Rädern“, dann setzt er die Räder auf den Anhänger und jetzt kann das Auto mit dem Anhänger fahren.
Wenn Elisabeth, Christian von Anfang an die Antworten gegeben hätte, wäre das Spiel früher zu Ende gegangen. Christian hätte dann keinen Erfolg mit „Trial and Error“ erlebt. Durch dieses Spiel konnte er Fehlermutigkeit spüren, die ihm half nach einer anderen Lösung zu suchen.
Beim „Guided Play“ geht es darum, dass Erzieher/innen für das Entwicklungsniveau und die Bedürfnisse der Kinder sensibel sind. Erzieher/innen sollten bereit sein, die Initiative des Kindes zu folgen. „Wenn Erwachsene im Moment zu beherrschend oder unempfindlich gegenüber den Bedürfnissen des Kindes werden, neigen Kinder dazu, das Interesse zu verlieren und aufhören zu spielen“ (Knudsen 2019, S. 71, Übersetzung der Verfasserin). Es ist wichtig, in der Lage zu sein, die Situation zu lesen und somit das einzelne Kind und die Gruppe von Kindern richtig zu unterstützen, damit sie ihre spielerischen Fähigkeiten entwickeln können.
Wilde und Körperliche Spiele
In vielen der Kitas, in denen ich bisher gewesen bin, hatten die Wilden und Körperlichen Spiele schwierige Bedingungen. Sie wurden auf bestimmte Bereiche im Kissenraum oder auf den Garten beschränkt. Wilde und Körperliche Spiele machen oft mehr Lärm und viele Pädagogen werden leider nach vielen Jahren lärmempfindlicher. Nach meiner Erfahrung ergeben sich weiterhin Einschränkungen, dadurch das Erzieher/innen Angst vor den Reaktionen der Eltern haben, wenn Kinder Kompetenzschrammen bekommen.
Auch hier gilt zu bedenken, dass das Gehirn viele verschiedene Arten von Spielen braucht, um sich zu entwickeln. Ann Elisabeth Knudsen (2019) hebt hervor, dass die Wilden und Körperlichen Spiele wichtig sind, da sie Aktivitäten im Limbischen System fördern. „Das Limbische System ist die Grundlage für die emotionalen und sozialen Kompetenzen der Kinder, und wie wir zuvor gesehen haben, bildet das Limbische System auch die Grundlage für das kognitive Lernen“ (Knudsen 2019, Übersetzung der Verfasserin).
Wilde und Körperliche Spiele sind soziale Spiele, in denen Kinder die Fähigkeit üben, ihre eigenen Grenzen zu erkennen, aber auch die anderer. Auf diese Weise lernt das Kind, sich an die Größe, das Alter oder die Stärke des anderen Kindes anzupassen. Es macht keinen Spaß, seinen Gegner sofort zu „besiegen“, weil dann das Spiel zu schnell vorbei wäre. Es geht eher darum das Spiel fortzusetzen, so lange es Spaß macht. In meiner Praxiserfahrung habe ich oftmals erlebt, dass Kinder unter Umständen auch Schwierigkeiten haben können an solchen Spielen teilzunehmen.
Beispiel aus der Praxis
Nicholas hat es im Kindergarten oft schwer. Im Alltag braucht er große Vorhersehbarkeit und Struktur. Wenn die Dinge nicht genau so sind, wie er denkt, fängt er an zu weinen. Er ist jetzt Teil der Vorschule und die Pädagogen/innen machen die Kinder mit einem Fangspiel bekannt. Nicholas will mitmachen, aber sobald er gefangen wird, fängt er an zu weinen. Es fällt ihm schwer zu verstehen, dass es Teil des Spiels ist. Ein anderes Mal, wenn die Jungen kämpfen, möchte er mitmachen, aber sobald ihn das Kissen trifft, zeigt er seine Frustration durch Weinen. Hier ist es wichtig, dass die Pädagogen/innen diese Reaktionen sehen, sie Nicholas unterstützen und anleiten. Damit er lernen kann an diesen Spielen teilzunehmen und seine eigenen Grenzen kennenzulernen.
Zusammenfassend brauchen Wilde und Körperliche Spiele eine geeignete Lernumgebung, die aus einer Kombination von Platz im Garten und Innenräumen bestehen könnte. Es ist auch wichtig, den Eltern die Bedeutung dieses Spieles für die späteren Lernchancen der Kinder zu erläutern. Ich habe oft bemerkt, dass Eltern Angst davor haben, dass ihrem Kind etwas zustößt – was natürlich sehr verständlich ist.
Als Beispiel, wenn Jonas jeden Tag in den Kindergarten kommt, umarmt ihn der etwas größere Jan. Jonas Vater findet es grenzüberschreitend und sagt: „Hey! Pass auf, Jonas mag das nicht“. Was die Eltern nicht sehen ist, dass Jan immer seine Kräfte anpasst, weil Jonas sein bester Freund ist. Hier muss der Erzieherende erklären und übersetzen, damit Jan keine Niederlage erleidet, sondern die Situation lesen lernt. Und das Jonas lernt sich abzugrenzen, wenn er es nicht mag.
Der vorliegende Beitrag hat die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung untersucht, anhand von Entwicklungssequenzen und Spielphasen. Durch das Spiel erlernen Kinder Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für das spätere Leben wichtig sind. Dabei konnte im Besonderen gezeigt werden, dass unterschiedliche Arten von Spielen die kognitive Entwicklung des Kindes beeinflussen.
Erzieherende sollten daher Kinder in ihren Lernaufgaben unterstützten und ihre Bedürfnisse wahrnehmen. Über Erfolgserfahrungen im Freispiel und in Gruppenspielen, mit einigen wenigen Kindern oder im Spiel mit Erwachsen lernen Kinder soziales Verhalten sowie Spielregeln kennen.
Bei älteren Kindern, die Mühe haben mit anderen zu spielen kann der Erziehende das Spiel begleiten, indem er Spielregeln erklärt und Emotionen zulässt und diese bespricht. Dies erfordert Ressourcen und ausgebildete Pädagogen, die geeignete Lernbedingungen schaffen können.
Zusammenfassung
- Spiele haben eine wichtige Funktion in der kindlichen Entwicklung. Kitas haben damit eine Verpflichtung geeignete Spielumgebungen zu schaffen.
- Kinder brauchen präsente Erwachsene, die ihnen helfen sie im Alltag und im Spiel zu begleiten.
- Die Vorteile der Wilden und Körperlichen Spiele in der Kita sollten evaluiert und gefördert werden. Die Kitaleitung könnte dabei eine Diskussion anstoßen, über den Umgang mit Lärm und Kompetenzschrammen.
- In der Erziehungspartnerschaft sollten Eltern sensibilisiert werden für Kompetenzschrammen und Fehlermutigkeit sollte gefördert werden.
- Wichtig wäre es auch die Bedeutung des Spiels besser zu kommunizieren. „Heute haben wir nur gespielt“, sollte fachlicher kommuniziert werden.
- Spielen muss geübt werden; kleine Kinder sollten lernen sich zu beteiligen, Erwachsene sollten wieder lernen zu spielen.
- Als Erzieher/in kann es hilfreich sein sich zu vergewissern, „Wann habe ich heute gespielt?“, „Wann habe ich heute gelacht?“. Das eigene spielerische Verhalten zu eruieren kann helfen das Spiel zu verstehen und auf die eigene Weise zu lieben.
Anmerkungen
Der Artikel ist inspiriert in das Buch Børns hjerner von Ann Elisabeth Knudsen (2019) und soll ein Teil einer Reihe von Artikeln über das Spiel werden.
Literaturverzeichnis
Friedrich, G. & Streit, C. (2002): Was sich im Kopf abspielt. Erkenntnisse aus der Hirnforschung und ihre Bedeutung für die Elementarpädagogik. In: Kindergarten heute, Jahrgang 32, Heft 9, S. 6-11.
Göppel, R. (2014): Gehirn, Psyche, Bildung: Chancen und Grenzen einer Neuropädagogik. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.
Knudsen, A. E. (2019): Børns hjerner. Hjerne, leg og dannelse i dagtilbud – og et opør med tanken om tvangsmodning of børn. Frederikshavn/Dänemark: Dafolo forlag.
Moyles, J. R. (1989): Just playing?: The role and status of play in early childhood education. London: Open University.
Parten, M. B. (1933): Social play among preschool children. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 28(2), 136.
Pellegrini, A. D. & Smith, P. K. (1998): Physical activity play: The nature and function of a neglected aspect of play. Child development, 69(3), 577-598.
Pellegrini, A. D. & Gustafson, K. (2005): Boys’ and girls’ uses of objects for exploration, play, and tools in early childhood. The nature of play: Great apes and humans, 113-135.
Staudinger, U. M. & Baltes, P. B. (2000): Entwicklungspsychologie der Lebensspanne. In: Psychiatrie spezieller Lebenssituationen, Berlin/Heidelberg: Springer, S. 3-17.
Textor, M.R. (2007): Bildung in der Erzieherin-Kind-Beziehung.
https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/gruppenleitung-erzieherin-kind-beziehung-partizipation/beziehungsgestaltung-gespraechsfuehrung-konflikte/1119 (18.11.2019).
White, R. E. (2012): The power of play: A research summary on play and learning. Rochester: Minnesota Children's Museum.
Autorin
Heidi Ingemann Jensen aus Dänemark
Ausgebildete Pädagogin mit Management-Diplom. Arbeitet seit 13 Jahren als Kitaleitung in Dänemark. In der KLAX- GmbH ist sie angestellt, als pädagogische Bereichsleiterin und verantwortlich für das internationale Konzept.
Heidi Jensen beschäftigt sich leidenschaftlich mit Bildungsbereichen, in denen Lernumgebungen geschaffen werden, die Kinder fit für die Zukunft fit machen. Sie ist überzeugt, dass die Förderung von Kompetenzen des 21. Jahrhunderts nicht erst in der Schule beginnt. Kinder sollten mit Fehlermutigkeit und einer Maker-Mentalität frühzeitig motiviert werden. Digitale Medien kreativ nutzen zu können, sieht Heidi Jensen als Teil der Kompetenzen des 21. Jahrhunderts an. Weiterhin hat Sie bei mehreren großen Konferenzen und Workshops zu diesem Thema präsentiert sowie mehrere Artikel dazu veröffentlicht.
Heidi Jensen betrachtet Spiel, Bildung und Playfull Learning als Grundvoraussetzung für sowohl die kleinen Kinder in Kitas als auch für die Schüler/Innen in der Schule. Die Entwicklung der Lernumgebungen erfolgt durch pädagogische und didaktische Überlegungen, bei denen der spielerische Motivationsansatz einbezogen werden sollte.