Spielen und Lernen mit der Maus: Computerspiel ein Kinderspiel

Aus: Wehrfritz Wissenschaftlicher Dienst (WWD) 2000, Ausgabe 73, S. 14-15  

Stephanie Müller

Die Integration des Computers in den Kindergarten erfährt im Allgemeinen zwei klare Positionen: Eltern und Pädagog(inn)en begegnen dem Einsatz des Computers im vorschulischen Bereich einerseits mit großer Skepsis, andererseits wird er absolut befürwortet.

Die Skepsis gegenüber einem möglichen sinnvollen Einsatz des Computers in der Arbeit mit Kindern beruht oft auf einem bestehenden, geringen Umgang mit dem Computer der Erzieher(innen) und Eltern. Zudem geben Erwachsene die Inhalte an Kinder weiter, die sie selbst in ihrer Kindheit erlebten - und: In der Kindheit der gegenwärtigen Eltern- und Erzieherinnen-Generation war der Computer noch kein alltäglicher Bestandteil. Da nicht alle Pädagog(inn)en einen alltäglichen Umgang mit dem Computer haben, erzeugt die Vorstellung, diesen in die vorschulische Erziehung zu integrieren weitere Vorbehalte, wie z.B.: "Wie soll ich Kindern den Umgang mit dem Computer und somit mit neuester Technologie vermitteln, wenn ich nicht einmal selbst Ahnung habe, diese zu bedienen?" Solche und ähnliche Fragen plagen manche Erzieherin, die auf das Thema "Computer im Kindergarten" trifft. Dazu gesellt sich oftmals die Angst, dass der Computer die Erzieherin künftig ersetzen werde - warum also den Computer in der Bildungseinrichtung befürworten? Doch gerade letztes wird im Erziehungs- und Bildungsbereich nicht der Fall sein; vielmehr kommt es darauf an, dass sich Erzieher(innen) und Pädagog(inn)en dem Einzug des Computers und seinen Möglichkeiten öffnen, diesen in den Erziehungs- und Bildungsauftrag ihrer Kindertagesstätte integrieren und schließlich selbst zu einer Wandlung ihrer Rolle bereit sind: Der Computer wird die Erzieherin keinesfalls ersetzen! Sie wird zur Begleiterin in Situationen am Computer, in der Anwendung, in der Ideenfindung wie der Computer eingesetzt und verwendet werden kann und zeigt somit dem Kind die Möglichkeiten auf, wie und wofür ein Computer sinnvoll benutzt werden kann.

Allen Kindern ist der Computer heutzutage ein Begriff; jedes Kind ist einem Computer schon irgendwo begegnet - hier müssen wir Erwachsene uns bewusst machen, wo unser Alltag überall computerisiert ist. Oft nehmen wir dies gar nicht mehr wahr: im Supermarkt an der Kasse (hier sind es sogar spezielle Scanner = Code-Lesegeräte), in Parkhäusern, der Geldautomat und schließlich steht heutzutage in fast jedem Büro mindestens ein Computer; Büros ohne Computer sind mittlerweile eine wahre Rarität. Viele Kinder kennen den Computer von zu Hause, weil ein Familienmitglied diesen beruflich oder für andere Dienste nutzt. Kinder lernen viel durch Imitation der Erwachsenen, d.h., sie möchten auch alles das tun, was die Erwachsenen tun. Warum also sollen sie nicht mit Computern umgehen? Uns allen sind gebannte Kinder an Spielcomputern in Kaufhaus- und Supermarktabteilungen ein bekanntes Bild. Der Einsatz und die Integration des Computers in Kindergärten stellt für die Kinder eine sinnvolle Bereicherung dar, die beispielsweise keinen Zugang zum Computer zu Hause haben und die im Umgang und in der Anwendung des Computers nicht begleitet werden.

Der Computer - ein Spiel- und Arbeitsgerät

Prinzipiell ist von Bedeutung, dass der Computer im Kindergarten sowohl als Spiel- als auch als Arbeitsgerät für Kinder und Erzieher/-innen eingesetzt werden kann.

Der Computer als Spielgerät

Das Spiel ist zentraler Aspekt des Bildungs- und Erziehungsauftrages im Kindergarten. Der multimediale Computer kann als Spielgerät eingesetzt werden (Multimedia bietet die Möglichkeiten der Integration von Bild, Text und Ton; z.B. können kleine Videosequenzen oder Animationen/Zeichentrickfilme innerhalb der Programme abgespielt werden). Mittlerweile gibt es wunderbare Edutainment-Programme für den Vorschulbereich (Edutainment ist ein Kunstwort und setzt sich aus den beiden Wörtern Education - Erziehung und Entertainment - Unterhaltung zusammen; konkret bedeutet Edutainment spielerisches Lernen). Diese Programme können zum Teil von Kindern ab 4 Jahren bedient werden, hier gilt es qualitative und pädagogisch sinnvolle Programme auszuwählen. Bereits beim Spielen von Edutainmentprogrammen werden den Kindern Fähigkeiten abverlangt, die grundlegende Techniken im Umgang mit dem Computer darstellen. Gute Programme für den Vorschulbereich sind so gestaltet, dass sie ohne geschriebene Sprache auskommen bzw. wenn Texte vorhanden sind, werden diese von einem Sprecher oder einer Sprecherin vorgelesen, und: Die Programme sind selbsterklärend; das bedeutet, es müssen keine dicken Bücher vor dem Einsatz der CD-ROM gelesen werden (CD-ROM = Medium, auf dem die Programme gespeichert und verkauft werden), sondern jeder Schritt, der zum Spielen des Programmes notwendig ist, wird kindgerecht erklärt. Das kann so aussehen, dass die Figur, die durch das Programm führt und begleitet, zu Beginn des Programmes am Monitor erscheint und das Kind zu bestimmten Handlungen oder Bedeutungen von Zeichen, z.B. Wie kann ich weiterblättern?; Wo finde ich Hilfe?; Wie kann ich das Programm beenden? und Worauf muss ich dann klicken? anleitet. Der Umgang mit der Computer-Maus stellt eine hohe Leistung dar, die die Kinder oftmals nach kürzester Zeit beherrschen. Es gilt die Computer-Maus auf dem Tisch - am besten auf einem Mousepad (sprich: Mauspäd = spezielle Unterlage auf der die Computer-Maus bewegt wird und die sie vor Verunreinigungen schützen soll) - so zu bedienen, dass der Cursor (sprich Körser = Pfeil-/Strichdarstellung auf dem Bildschirm, in Programmen ist dies oftmals auch eine Figur, die die Position der Mausbewegung am Bildschirm anzeigt) an bestimmte Stellen des Monitors bewegt wird, wo durch ein Klicken auf die Maustaste (jede Computer-Maus hat Tasten) bestimmte Aktionen ausgelöst werden: Es wird z.B. eine neue Monitordarstellung erzeugt (entspricht dem Umblättern auf eine neue Seite in einem Buch). Für das Lösen mancher Aufgaben ist es notwendig, die Maustaste zu drücken, gedrückt zu halten und währenddessen an einen anderen Punkt zu bewegen (so können am Monitor in bestimmten Aufgabenstellungen z. B. Dinge von Punkt A nach Punkt B bewegt werden, z.B. bei Sortieraufgaben).

Der Umgang mit der Maus stellt eine grundlegende Fähigkeit dar, die eine hohe Koordinationsleistung von Auge und Hand verkörpert, v.a. da das Auge die Mausbewegung indirekt am Monitor beobachtet und nicht am Mauspad. Kinder schaffen diese Leistung spielerisch, u.v.a. erlernen sie diese Koordination weitaus leichter, wenn sie für das Spielen und Lösen von Aufgaben notwendig ist und nicht in konkreten schulischen oder berufsbezogenen Programmen mühsam und sofort punktgenau erfolgen soll.

Für Kinder ist es ebenfalls von Bedeutung, den Computer als Arbeitsgerät und somit als Werkzeug für das Herstellen und Produzieren eigener kleiner Geschichtsbücher oder Spiele einzusetzen und kennen zu lernen. Mit ganz einfachen kleinen und mit ganz klassischen Programmen (z.B. PaintBrush - kleines Malprogramm), die meist auf dem Rechner schon installiert (vorhanden) sind, wenn der Computer angeschafft wird, können Geschichten kindgerecht geschrieben und ausgedruckt werden, kann Material für Spiele, die dann ohne Computer gespielt werden können, hergestellt werden:

Der Computer als Arbeitsgerät - Projektarbeit eingebettet in den Kindergartenalltag

Wie soll der Computer im Kindergarten als Arbeitsgerät genutzt werden können, und was können wir mit den Kindern herstellen?

Ein Beispiel: Erzieher/-innen und Kinder können gemeinsam am Computer Geschichten schreiben und gestalten. Hierzu denken sich die Kinder im Vorfeld ihre eigene Geschichte aus und Bilder dazu malen (mit Stiften und Kreiden auf Papier). Die Geschichte wird einer Erzieherin vom Kind diktiert. Diese gibt sie direkt in den Computer ein. Die Bilder können eingescannt und in die Geschichten eingefügt werden. Schließlich werden die Geschichten ausgedruckt und das Kind hält ein eigenes Werk in Händen. Beispielsweise können auch Memorys mit gemalten Bildern der Kinder gestaltet werden: Die Bilder werden eingescannt, auf eine entsprechende Größe für das Memoryspiel gebracht, verdoppelt, ausgedruckt und auf Kartons geklebt; die Kinder können Memory spielen. Je nach Bedarf können sogar Buchstaben oder Worte zu den Bildern kombiniert werden. Die Kinder haben eine weitere Einsatzmöglichkeit des Computers kennen gelernt. Zwar sind zusätzliche Geräte (Scanner = Gerät, das Bilder in den Computer "liest" und Drucker) nötig, diese sind mittlerweile aber recht kostengünstig zu erwerben bzw. vielleicht hat ein Vater die Möglichkeit die Bilder einzuscannen und auszudrucken; in jedem Fall ist eine Durchführung in der Einrichtung vorzuziehen, damit die Kinder den Arbeitsprozess komplett miterleben und nachvollziehen können. Noch ein bedeutender Aspekt ist, dass die Kinder lernen, festzulegen, was sie ausgedruckt haben wollen. Durch ein wahlloses Produzieren und Arbeiten am und mit dem Computer und seinen Möglichkeiten wird Material verbraucht; es entstehen weitere Kosten (z.B. für Druckerpatronen). Kinder erlernen insgesamt Handlungsabläufe zu planen und ein schrittweises Vorgehen.

Summa summarum gilt es, den Computer in der vorschulischen Erziehung weder zu verteufeln noch zu feiern. Unsere Aufgabe ist es, den Kindern in ihrer Person und entsprechend ihrer Umwelt gerecht zu werden. Daher dürfen wir nicht von unseren Kindheitserfahrungen allein ausgehen, in denen - wie bereits zuvor erwähnt - der Computer nicht plaziert war. Ziel muss es sein, den Kindern sowohl eine ästhetisch-sinnliche als auch eine mediale Erziehung zuteil werden zu lassen; d.h., es ist unser eindeutiger Erziehungs- und Bildungsauftrag, unseren Kindern Räume zu ermöglichen in denen sie originale Erfahrungen zur Entfaltung ihrer Sinne machen können - gegenwärtig wohl mehr denn je. Ebenso ist es sehr wichtig, auch Räume zu gestalten, in denen mediale Inhalte erarbeitet werden. Und kann es denn eine schönere Art und Weise geben, als den Umgang mit dem Computer zusammen mit Kindern auf eine spielerische Weise kennen zu lernen, bei der sicher der/die ein oder andere Vater/Mutter mit ihrem technischen Know-how zur Seite steht?

Biographie

Stephanie Müller ist Kunst- und Medienpädagogin. Nach ihrem 2. Staatsexamen für ein Lehramt für Grundschulen war sie vier Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Kunstpädagogik. Seit 1997 ist sie freiberufliche Kunst- und Medienpädagogin. Ihre Vortrags- und Seminararbeit für Erzieher/-innen sowie ihre Elternarbeit und Projekte mit und für Kinder beziehen sich auf die Themen Kinderzeichnung und Kind und Computer. In Oberfranken begleitet sie medienpädagogisch ein intergeneratives Internetprojekt. In Nürnberg gehört sie der Forschungsgruppe Neue Medien an und hat einen Lehrauftrag an der Evang. Fachhochschule. Kunstpädagogisch berät sie Faber-Castell in Stein; medienpädagogisch berät sie Wehrfritz in Bad Rodach.

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