Gesundheitszirkel in Kindertagesstätten

Aus: Kinder, Kinder - sicher/gesund 2005, 2, S. 4-5

Attiya Khan

Warum Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz für Erzieherinnen?

Die berufliche Tätigkeit von Erzieherinnen ist durch erhöhte psychische und vielfältige körperliche Anforderungen gekennzeichnet. Neben Lärm, nicht erwachsengerechten Mobiliar und Konflikten mit Eltern berichten die Erzieherinnen insbesondere Zeit- und Personalmangel (Dippelhofer-Stein und Kahle, 1995; Bamberg, 1995; Netz, 1998, Buch und Frieling, 2001, Seibt et al., 2004). In der bisherigen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Forschung und Praxis wurden aber weder die Arbeitsbedingungen in Kindertagesstätten noch die Gesundheit der Erzieherinnen ausreichend beachtet. Nach einer Studie der Unfallkasse Hessen (2002) weisen Erzieherinnen im Gesamtvergleich des öffentlichen Dienstes z.B. überdurchschnittlich hohe krankheitsbedingte Ausfallzeiten auf. Sie beklagen vor allem Rücken- und Nackenschmerzen (62%) sowie Erschöpfung und Müdigkeit (46%), wie die Dresdner Studie gezeigt hat (Seibt et al., 2004).

Das zeigt, dass bei Erzieherinnen ein Bedarf an betrieblicher Gesundheitsförderung besteht. Im Institut für Arbeitsmedizin der Technischen Universität Dresden wurde im Rahmen eines Projektes begonnen, ein Verfahren der betrieblichen Gesundheitsförderung - Gesundheitszirkel - an die Besonderheiten der Kindertagesstätte anzupassen. Dafür wurde ein Manual für die Durchführung von Gesundheitszirkel entwickelt und ein Seminar für die Qualifizierung der Moderatorinnen konzipiert. Projektträger war die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit.

Wie funktionieren Gesundheitszirkel?

Gesundheitszirkel sind temporäre betriebliche Problemlösegruppen, die das Erfahrungswissen der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen. Sie haben das Ziel, arbeitsbedingte Beschwerden und deren Ursachen abzubauen, um die Gesundheit der Arbeitnehmenden und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu optimieren. Angeleitet von einer Moderatorin bzw. einem Moderator werden in den Sitzungen Belastungsfaktoren gesammelt, für die dringlichsten Probleme Lösungsmöglichkeiten besprochen und für diese Umsetzungskonzepte entwickelt. Um die Nachhaltigkeit der Maßnahmen des Gesundheitszirkels zu gewährleisten, sollten diese in Absprache mit Entscheidungsträgern geplant werden.

Das Manual für Gesundheitszirkel in Kindertagesstätten bietet das Fundament für die Vorbereitung und Durchführung der einzelnen Sitzungen und muss lediglich an die spezifische Situation angepasst werden. Die Moderatorin kann mit Hilfe von Sitzungskonzept, Zeitplanung und Checkliste den gesamten Prozess der Gesundheitszirkel strukturieren. Das Projekt erstreckt sich vom ersten Kontakt bis zur Evaluationssitzung auf ca. fünf bis sechs Monate, in die die sechs neunzigminütigen Sitzungen des Gesundheitszirkels eingebettet sind.

Die erste Sitzung beginnt mit der Auflistung aller Belastungsfaktoren, die in den Nachfolgenden bearbeitet werden. Viele Einrichtungen haben folgende Themen bearbeitet:

  • Lärmreduktion
  • Lösungen für Konflikte mit Eltern
  • Arbeitsunterbrechungen abschaffen
  • Pause für Erzieherinnen regeln
  • Hausmeister organisieren
  • Platz schaffen
  • Teamstärkung
  • Erwachsenengerechtes Mobiliar anschaffen
  • Garderobe erweitern

Beispiel aus einer Kita

In der ersten Sitzung des Gesundheitszirkels wurden die körperlichen und psychischen Belastungen im Arbeitsalltag als ein großer Problemkomplex identifiziert und in der Rangfolge der zu bearbeitenden Problembereiche als dringlichste Aufgabe eingestuft. Mit Hilfe des Problem-Analyse-Schemas konnte das Problem eingegrenzt, beschrieben und hinsichtlich seiner Ursachen erfasst werden. Neben den zahlreichen physischen Anstrengungen, wie beispielsweise einseitiges Heben und Tragen der Kinder, stellte sich der Zeitmangel als wesentliche Ursache vor allem für die psychische Beanspruchung heraus. Die Erzieherinnen beklagten, dass vieles gleichzeitig erledigt werden müsse, wenn z.B. Eltern in die Gruppensituation hereinplatzen, gleichzeitig das Telefon klingelt und ein Kind auf die Toilette muss.

Erste Lösungsvorschläge, die von den Teilnehmerinnen entwickelt wurden, betrafen die Organisation des Tagesablaufes. Vorgeschlagen wurden eine straffere Tagesplanung, stärkere Prioritätensetzung bis hin zum Weglassen einiger Tätigkeiten. Der Tagesablauf sollte also dahingehend neu durchdacht werden, welche Tätigkeiten wirklich sinnvoll oder lediglich zur Gewohnheit geworden sind.

In der folgenden Sitzung wurden konkrete Lösungsansätze zur besseren Organisation des Tagesablaufes vorgestellt. Dies betraf zum einen die Spielzeit am Vormittag, die etwas verlängert werden könnte. Damit entfiele die ohnehin kurze Spielzeit zwischen dem Spiel im Freien und dem Mittagessen. Zum anderen könnte der Mittagsschlaf um 10 Minuten verkürzt werden, um das An- und Ausziehen der Kinder ruhiger zu gestalten. Es wurde beschlossen, diese Lösungsvorschläge in der folgenden Woche zu erproben.

In der darauf folgenden Sitzung wurde der Stand der Umsetzung des neuen Zeitplans besprochen. Die Erzieherinnen stellten eine erhebliche Erleichterung durch die Entzerrung der Zeiten fest. Der Vormittag sei nicht mehr so zerklüftet und es entstehe keine Hektik beim An- und Auskleiden der Kinder für den Mittagsschlaf. Insgesamt stünden sie weniger unter Zeitdruck und die Arbeit sei daher entspannter.

Die Ergebnisse der Gesundheitszirkel zeigen, dass die gemeinsame Problemlösung eine teamstärkende Wirkung hat und Belastungen reduziert. Gleichzeitig erfahren die Beschäftigten, dass sie mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten die Arbeitsbedingungen verbessern können.

Anmerkung

Literaturangeben können bei der Autorin angefordert werden. Weitere Informationen zur Zeitschrift kinder, kinder unter www.kiki-online.de

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