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Zitiervorschlag

Aus: Petra Adolph, André Dupuis, Hilmar Hoffmann, Roger Prott: Qualität kommt nicht von allein. Anforderungen für eine Entwicklungsaufgabe. GEW-Hauptvorstand, Postfach 900409, 60444 Frankfurt am Main, Juni 2001, S. 15-20

Konzeptionsarbeit als Bestandteil von Qualitätsentwicklung

André Dupuis

 

Begriffsbestimmung: Konzept oder Konzeption, was ist gemeint?

Über sie wird immer wieder geredet und heftige Diskussionen geführt, bis die Köpfe rauchen, sie müsste man haben, um die Pädagogik der Einrichtung darzustellen. Die Rede ist von der Konzeption, oder wie manche andere sagen, dem Konzept. Obwohl man meint, dass doch klar sei, worüber man redet, gibt es sehr unterschiedliche Interpretationen, was denn eine Einrichtungskonzeption sei, was sie beinhalten müsste und wie sie denn geschrieben werden sollte. Machen Sie einmal den Versuch und sammeln Sie die Vorstellungen von diesem Begriff unter Ihren Kolleg/innen. Sie werden sehen, dass fast so viele Interpretationen wie es Personen in Ihrer Einrichtung gibt zusammenkommen.

Schaut man sich im Lexikon den Begriff an, so findet man folgende Erklärung:

Konzept (lat.) erste Fassung, Entwurf (einer Rede);

Konzeption (lat.) schöpferischer Einfall, Entwurf, Plan (eines Werkes)

(aus: Knaurs Universallexikon). An dieser Stelle soll ein Versuch unternommen werden, den Begriff "Konzeption" allgemein gültig zu definieren, damit die Verständigungsschwierigkeiten minimiert werden, die in diesem Zusammenhang auftreten.

Definition von Konzeption

Eine Konzeption ist eine schriftliche Darstellung aller inhaltlichen Punkte, die in einer Kindertageseinrichtung für die Mitarbeiter/innen, die Eltern, die Kinder und den Träger relevant sind.

Im Gegensatz dazu ist ein Konzept etwas Vorläufiges, ein Entwurf, ein Skript, in dem die Gedanken für eine Konzeption vielleicht grob festgehalten werden.

Das Wort "Konzeption" ist mit einem weit höheren Anspruch verknüpft. Es geht dabei um eine reflektierte, fundierte Darstellung der pädagogischen Arbeit in einer Einrichtung, verknüpft mit dem theoretischen Wissen derjenigen, die diese Konzeption verfasst haben. Damit wird sich eine Konzeption immer an und mit der Realität der spezifischen Kindertageseinrichtung befassen. In einem solchen Werk muss erkennbar sein, wie in der jeweiligen Institution gearbeitet wird. Es kann also auch nicht darum gehen, die Theorie, die man aus einem Buch entnommen hat, abzuschreiben oder aus der Konzeption einer anderen Einrichtung abzuschreiben, weil die Überlegungen, wie die eigenen Gedanken zu einem Thema zu formulieren sind, etwas sehr Spezifisches sind.

Vom Gesagten/Gedachten in die Schriftform

Natürlich geht es in einer Konzeption auch darum die, Gedanken schriftlich festzuhalten, die in der Zukunft realisiert werden sollen. Nur sollte man den Ausgangspunkt seiner Vorhaben an der Wirklichkeit orientieren und nicht - wie es häufig geschieht - umgekehrt. Wenn ich weiß, wo ich herkomme, d.h. meinen Ausgangspunkt beschreiben kann, weiß ich auch, wohin ich gehen kann.

In einer Konzeption muss eine außenstehende Person das vorfinden können, was dieser beim Besuch der Einrichtung begegnet. Die Erarbeitung der inhaltlichen Bereiche einer Konzeption ist immer als ein Prozess aller (pädagogischen) Mitarbeiter/innen zu sehen. Damit es ein gemeinsames Werk des gesamten Teams wird, ist es eine Voraussetzung, dass alle Mitarbeiter/innen ihre Gedanken und Vorstellungen formulieren, miteinander diskutieren und Kompromisse finden können. Im Einzelnen ist es ziemlich schwierig, die richtigen Worte zu finden und die eigenen Gedanken schriftlich abzufassen. Die individuelle Handschrift des Teams einer Einrichtung ist aus einer Konzeption ablesbar. Es entsteht während dieses Prozesses ein unverwechselbares Profil. Es geht also nicht darum, dass Einzelne, vielleicht die Leiterin, die Texte formuliert und den Übrigen vorlegt, sondern bereits der Prozess der Formulierung muss gemeinsam erfolgen.

Die Gültigkeit der Konzeption

Eine Konzeption hat durch die gemeinsame Erarbeitung im Team einen verbindlichen Wert; sie verpflichtet alle Mitarbeiter/innen zur Realisierung der dort getroffenen Aussagen. Gleichzeitig ist sie aber nur zeitbegrenzt gültig, nämlich solange die darin enthaltenen Formulierungen mit der Wirklichkeit der pädagogischen Arbeit der Einrichtung übereinstimmen. Veränderungen in der Konzeption sind also wieder in einem gemeinsamen Prozess vorzunehmen und nicht willkürlich von einzelnen Personen.

Wenn die "Konzeption" so verstanden wird, dann ermöglicht sie auch eine Kontrolle (z.B. durch andere Außenstehende wie Fachberatung, Praktikant/innen). Pädagogik wird dadurch transparent und greifbar auch für die vielen pädagogischen Laien, mit denen die Professionellen, die Erzieher/innen, in der Einrichtung zu tun haben.

Vom Allgemeinen zum Konkreten

Es geht in einer Konzeption darum, aus den allgemeinen Begriffen zu konkretisieren, was man selbst meint und wie man im einzelnen bestimmte pädagogische Schritte durchführt oder durchführen will. Es geht um die Formulierung der eigenen Standpunkte.

Und wie sieht es mit der Verwirklichung der Bedürfnisse der Kinder aus? Wie weit spielen die eigenen Bedürfnisse und die der Eltern eine Rolle? Stehen die eigenen Bedürfnisse manchmal im Widerspruch zu denen der Kinder (und da müssen die durch)?

Wichtig ist es, die Einzelheiten, die Alltäglichkeiten, das Normale aufzuschreiben, auch wenn man meint, das wüssten doch alle. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zwischen dem, was man als Gedanken im Kopf hat, und dem Ausformulierten. Der Alltag von Erzieher/innen besteht zu sehr großen Teilen aus vermeintlichen Selbstverständlichkeiten - es lohnt sich, sie in schriftlicher Form transparent zu machen. Dies auch für einen selbst, weil das gleichzeitig eine Reflektion über das eigene Tun ermöglicht. Der Prozess der Erarbeitung einer Konzeption ist also immer auch eine Möglichkeit, einen Selbstreflektionsprozess im Team einzugehen - ein wichtiger Teil der pädagogischen Arbeit, der die Sichtweisen der Teammitglieder deutlich werden lässt.

Welche Vorteile bringt die Erarbeitung einer Konzeption?

Für den Träger schafft eine Konzeption eine Verbindlichkeit und die Überprüfbarkeit von getroffenen Vereinbarungen. Konkrete Perspektiven für die Weiterarbeit können gemeinsam entwickelt und getroffen werden. Pädagogische Qualität entsteht in einem Prozess der Reflektion der pädagogischen Arbeit und in der kontinuierlichen Weiterarbeit an einzelnen Konzeptionspunkten. Die Inhalte der Einrichtungskonzeption sind auch die Grundlage dafür, welche Kenntnisse bzw. Fähigkeiten ein/e Erzieher/in bei der Neueinstellung haben soll.

Die Leitung erhält ein Arbeitsmittel, das ihr erlaubt, die eigene Arbeit und die Pädagogik in der Einrichtung zu strukturieren. Ihre Handlungsweisen sind durch die gemeinsame Erarbeitung verständlicher und durch die Darstellung der Arbeitsweise der Leitung in der Konzeption nachvollziehbarer. In größeren Einrichtungen verschafft sich die Leitung einen besseren Überblick über die Arbeitsweisen der einzelnen Erzieher/innen. Zugleich ist sie der Ausgangspunkt zur Förderung von einzelnen Mitarbeiter/innen. Vor dem Hintergrund der inhaltlichen Diskussionen während der Konzeptionserarbeitung können Fortbildungen für Einzelne wie auch gemeinsame für das Gesamtteam gezielt ausgesucht werden.

Eine gemeinsame Erarbeitung der Konzeptionspunkte macht die unterschiedlichen Standpunkte transparent. Eine notwendige Offenheit entwickelt sich; es entsteht bei den Erzieher/innen ein Bewusstsein für die pädagogischen Alltagssituationen und die Vorgehensweisen. In größeren Häusern lernen sich die Mitarbeiter/innen über die gemeinsamen Diskussionen kennen, dies trägt dazu bei, vorhandene Barrieren zu überwinden.

Konzeption und Qualität

In welchem Verhältnis steht nun die Konzeptionserarbeitung mit der Diskussion um (gute) Qualität in Kindertageseinrichtungen?

Ist eine Konzeption erst einmal aufgeschrieben, dann geht es immer wieder darum, diese zu überarbeiten und sich deutlich zu machen, dass alles, was in der Kindertageseinrichtung geschieht, etwas mit der Konzeption zu tun hat. Wenn dort nicht bloße Absichtserklärungen, sondern konkrete Pädagogik beschrieben worden ist, dann wird die ständige Weiterbearbeitung der Texte zum Alltag jeder Besprechung gehören. Ist in einem Team festgelegt worden, welche Ziele in einzelnen Bereichen erreicht werden sollen, so geht es dann darum, die Schritte zur Erreichung dieser Ziele festzulegen. Ein Team formuliert über diesen Weg für sich Qualitätskriterien, legt fest, was sie selbst unter guter pädagogischer Qualität verstehen, und erarbeitet sich Wege zu deren Realisierung. Es besteht also ein innerer Zusammenhang zwischen der eigenen Konzeptionserarbeitung und der Diskussionen um Qualität. Auch dabei ist es erforderlich, konzeptionell zu entscheiden, welche Qualität man denn meint und wie sie denn konkret auszusehen hat. Die Orientierung an den im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) und den Landesgesetzen für Tageseinrichtungen formulierten qualitativen Gesichtspunkten ist ebenso eine Voraussetzung wie auch der Blick auf die eventuell auf Trägerebene formulierten Standards, um die eigene Konzeption daraufhin zu überprüfen.

Die im KJHG oder den Gesetzen/Richtlinien bzw. in Standards formulierten Ergebnisse könnten auch zum Ausgangspunkt genommen werden, um konkret auf Einrichtungsebene zu beschreiben, wie eine bestimmte Rahmenvorgabe aussieht oder aussehen soll. Was bedeutet z.B. das im § 22 Abs. 1 KJHG formulierte Ziel: "in Kindergärten, Horten und anderen Einrichtungen ... soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden"? Was trägt die Einrichtung dazu bei, dass die Kinder eigenverantwortlich und gemeinschaftsfähig agieren können? Wie sieht das dann konkret aus? Welche weiteren Ziele ergeben sich daraus?

Hier können Schritte in Richtung Qualitätsentwicklung gegangen werden, immer unter der Voraussetzung, dass alle Mitarbeiter/innen einer Einrichtung daran beteiligt werden und nicht vor vollendete Tatsachen gesetzt werden.

Dazu gibt es inzwischen eine Vielzahl von Büchern und Arbeitshilfen, die dazu genutzt werden können, um das Vorgehen bei der Erarbeitung der Konzeption festzulegen. Vielfach sind dort Raster enthalten, an denen man sich orientieren kann, oder wie im Fall der Materialien von Kokigei/Teigeler gibt es zu jedem der inhaltlichen Punkte, die in der täglichen pädagogischen Arbeit relevant sind, eine gelbe Seite, auf der Fragen zum jeweiligen Inhalt stehen, die dazu anregen sollen, sich damit auseinander zu setzen und den jeweiligen Text zu formulieren.

Mit der eigenen Konzeption können ebenso qualitative Ziele und die Wege zu deren Erreichung beschrieben werden. Immer wieder geht es darum, die Auseinandersetzung unter den Mitarbeiter/innen zu suchen, um sich die konzeptionellen Gesichtspunkte der Arbeit vor Augen zu führen.

Dazu gehört natürlich auch, die vom Träger beschlossenen Standards sowie eventuell vorhandene Leitlinien während und mit der Konzeptionserarbeitung qualitativ zu überprüfen. Diese können der Maßstab sein, entweder wo man sich gerade befindet oder wo man noch gemeinsam im Team hin möchte. Das ist abhängig von der Formulierung und dem Selbstverständnis der Standards und des Leitbildes.

Es gilt also auch bei der Entwicklung von Qualität in den Einrichtungen zu durchforsten, was bereits in den letzten Jahren formuliert wurde und durch welche Gedanken es ergänzt werden muss. Konzeptionell und im Sinne von Qualitätsentwicklung zu arbeiten bedeutet auch, sich genauer anzusehen, wo und was bereits vorhanden ist; dieses gilt es in einem gemeinsamen Prozess unter Beteiligung aller (Mitarbeiter/innen, Träger, Eltern) weiterzuentwickeln.

Die GEW fordert die Mitarbeiter/innen auf, sich aktiv an dem Prozess der Entwicklung von Qualität zu beteiligen - jede/r muss seinen/ihren Beitrag dazu leisten.

Die GEW fordert von den Trägern die Zur-Verfügung-Stellung entsprechender Arbeitszeit zur Qualitätsentwicklung in den Teams.

Die GEW fordert die Träger der Jugendhilfe auf, Vereinbarungen zur Qualitätsentwicklung auf der Grundlage der jeweiligen landesrechtlichen Gesetze für Tageseinrichtungen abzuschließen.

Literatur

Kokigei/Teigeler: Wir schreiben unsere Konzeption, Materialien zur Erarbeitung einer Kita-Konzeption, Haus am Rupenhorn, Am Rupenhorn 5, 14055 Berlin

Elisabeth Hollmann/Sybille Benstetter: In sieben Schritten zur Konzeption. Wie Kindertageseinrichtungen ihr Profil entwickeln - ein Arbeitsbuch, Seelze-Veber: Kallmeyer, 2000

Armin Krenz: Die Konzeption - Grundlage und Visitenkarte einer Kindertagesstätte, Konzeptbuch Kindergarten, Freiburg: Herder-Verlag

Norbert Huppertz: Wir erstellen eine Konzeption, München: Don Bosco Verlag