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Zitiervorschlag

Die neuen Steuerungsmodelle

Hans-Christoph Vogel

 

Verwaltungen sollen nicht länger ungesteuert Entwicklungen konstatieren und kameralistisch festhalten, sollen sich nicht in selbstgefälligen Beschäftigungen gefallen, von Politikern nicht länger zum Spielball ihrer Begehrlichkeiten und für Einrichtungen sozialer Hilfe nicht weiter die Rolle eines Zahlmeisters einnehmen, der in korporatistischen Bünden mit seinen Kunden verstrickt ist. Aber auch die freien Träger sozialer Einrichtungen sollen nicht weiterhin "ungesteuert" verrichten, was ihnen für ihre Klienten angebracht zu sein scheint, nicht am (höchstmöglichen) Pflegesatz orientiert sein, nicht am Wachstum um des Wachstums willen, nicht am Helfen um des Helfens willen.

Daß die Forderungen nach Planung, Steuerung und Management zu dieser Zeit so gebündelt und massiv erhoben werden, hängt mit den leeren Kassen der Kommunen zusammen.

Die Steuerungsmodelle bzw. allgemeiner: ein Sozialmanagement helfen, die Krise zu meistern, soll Kostentransparenz und Leistungstransparenz ermöglichen, die Entscheidungsoptionen eröffnen, anhand derer die Entscheider gezielt (gesteuert) Kosten zu reduzieren und sozial-politische, also fachbezogene Entscheidungen über Prioritäten in den Arbeitsfeldern sozialer Arbeit zu treffen vermögen.

Es nachfolgend nicht um Forderungen, nicht um eine Bewertung der Steuermodelle oder eine Beurteilung einzelner Instrumente. Vielmehr soll beobachtet werden, wie die Beteiligten "handeln" bzw., weil alles Handeln ja auch Beobachten ist: beobachten, wie andere beobachten.

In der Sprache der Systemtheorie ausgedrückt: wir wollen einige "Beobachtungen zweiter Ordnung" (Beobachtungen über Beobachtungen) zu den "Beobachtungen erster Ordnung" anführen (s. dazu Luhmann, 1992). Diese Perspektive verspricht, andere Seiten hervorzuheben, Seiten, die die Beobachter erster Ordnung in ihrer Auseinandersetzung um die neuen Modelle häufig außer Acht lassen, weil sie zu sehr mit der Implementierung solcher Modelle oder dem Verteidigen überkommener Strukturen befaßt sind.

Geplante und gezielte Steuerung, so läßt sich ein erstes Merkmal dieser Modelle formulieren, soll eine ungesteuerte, planlose Entwicklung ersetzen.

Ein zweites Merkmal bezieht sich auf das Ergebnis der Tätigkeit sozialer Arbeit bzw. der Verwaltungsarbeit: Sie soll sich nicht in Gestalt von Stellen, Zahl der geförderten Projekte und aufgewendeten Mitteln dokumentieren, sondern in Form von Produkten gefaßt sein und dazu ihre Leistungen und Erträge sowie die dazu spezifisch aufgewendeten Mittel aufführen.

Damit ist ein drittes Merkmal verbunden: Produkte werden auf Märkten angeboten. Dort werden Preis- Leistungsverhältnisse gehandelt, über die Kontrakte geschlossen werden. Produkte werden aber nur dann nachgefragt, wenn sie den Bedürfnissen von Kunden entsprechen. Die bürokratische Binnenorientierung soll darum einer Öffnung zur Umwelt der Organisation, einer Markt- oder Kundenorientierung weichen. Das betrifft auch soziale Einrichtungen, deren Experten nur zu gerne zu wissen vermeinen, was ihren Kunden dienlich sei.

Die bereits angeführten Merkmale lassen bereits erkennen, daß sie sich nicht mit Bürokratien herkömmlicher Art vertragen, sondern andere, marktgängigere Strukturen benötigen: Vom "Konzern Stadt" ist die Rede, von Dienstleistern sozialer Güter. Diese Dienste lassen sich gut dezentral fassen und dem Kunden nachgehend "outsourcen", so daß lediglich hoheitliche und steuernde Aufgaben in einer zusammengeschrumpften "Holding" verbleiben.

In allem drückt sich die Suche nach einer höheren (Zweck-)Rationalität aus, die sich sowohl auf das Wirtschaften wie die fachliche Arbeit erstreckt. In der ersteren sehen viele Beobachter den größeren Nachholbedarf, nicht allein wegen des Sparzwangs, sondern ebenso aufgrund der zunehmenden "träger-internen" Konkurrenz, vor allem zwischen frei gewerblichen und gemeinnützigen Trägern.

Steuerung bedeutet schließlich eine engere Kopplung zwischen geldgebenden und koordinierenden auf der einen, den Träger sozialer Arbeit auf der andern Seite, bedeutet aber auch engere Kopplung der häufig zusammenhanglos nebeneinander und "übereinander" tätigen Träger.

Wir wollen die zuvor angeführten Merkmale mit ihren "Schattenseiten" oder Gegenwerten kontrastieren, wollen der Paradoxie das Wort reden, weil sie die Grundfigur allen Steuerns und Organisierens abgibt und weil sie, wegen ihrer verstörenden Ungereimtheit in aller Regel ausgeblendet wird - obwohl sie zum Nachdenken über das Steuern anregt.

Beobachtungen 1. und 2. Ordnung

Die Systemtheorie unterscheidet eine Beobachtung 1. Ordnung von einer Beobachtung 2. Ordnung. Erstere nimmt wahr, was sie beobachtet und stellt es nicht in Frage. Sie "kommt" zu ihren Beobachtungen, entdeckt Trends, erhebt Wünsche der Kunden und sieht Daten oder Kennziffern Dokumente spezifischer Erscheinungen und Entwicklungen. Die neuen Steuermodelle nehmen in dieser Orientierung den Wert von Erfordernissen an, ein Gebot der Stunde. Eine solche Beobachtung ist geläufig und vorherrschend.

Eine Beobachtung 2. Ordnung dagegen unterstellt, daß alles Beobachten ein Wahr-Nehmen bedeutet, daß sich alle Wahrnehmung den angelegten Kriterien bzw. den angelegten Unterscheidungen verdankt. Andere "Brillen" der Beobachtung ergeben andere Beobachtungen.

Beobachter 2. Ordnung sehen also beispielsweise in der Steuerdiskussion eine Diskussion, die den Steueraspekt hervorhebt -und den Willküraspekt auszuschalten bestrebt ist.

Nicht dem Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen wird hier das Wort gesprochen. Die neue Sprachlichkeit wird gesprochen, und wer sie nicht aufnimmt, wird nicht wahrgenommen. Soziale Arbeit steht im engen Verbund mit anderen Funktionssystemen, der Verwaltung, der Wirtschaft, der Politik. Sie muß Anschlüsse finden, kommunizieren können. Soziale Arbeit muß das "Spiel" der Produktbenennung und der Ressourcenkontrolle mitspielen, aber sie kann es in verschiedener Weise. Sie muß sich nicht einreihen in die Diskussion um ein Richtig oder Falsch, nicht wetteifern darüber, wer den Kunden sozialer Arbeit eher beurteilen kann. Sie kann die Steuerdiskussion in eine "bunte" Organisationswelt von Moden, Meinungen, Märkten und Verkaufsveranstaltungen einreihen, wohl wissend, daß einer Steuerdiskussion eine weitere Diskussion folgt, so wie der Diskussion "schlanken" Organisation derzeit eine um ihre notwendige "Fettheit" folgt.

In diesem Sinne wollen wir einige systemische Kriterien an die gegenwärtige Steuerdiskussion anlegen - und der "kundige" Leser mag sich seinen Reim darauf machen.

Die Steuerung

Die Notwendigkeit, Kosten zu limitieren oder einzuschränken nimmt in aller Regel "ungesteuerte" Formen an: Man spart an allem ein wenig, spart einmal hier und einmal da oder wartet mit dem Sparen bis der "Sparkommissar" erscheint und ein Zwangssparen verordnet. Man spart insbesondere dort, wo geringe Widerstände zu erwarten sind; denn Politik heißt Gunst um des Wählers Stimme - und darum wird ein beliebtes Schwimmbad nur ungern geschlossen, eher eine Jugendeinrichtung, vor allem wenn es sich um eine "freiwillige" soziale Leistung handelt.

Man spart dort, wo die stärksten, sichtbarsten und kurzfristig durchsetzbaren Wirkungen zu erwarten sind. Wer sich die Kosten einer Intensivbetreuung für Jugendliche vor Augen hält, wird alles daran setzen, solche Ausgaben zu mindern.

Natürlich folgt auch solche Spar-politik einer "Steuerung", allerdings einer "ad hoc - Steuerung", einer Steuerung, die eigen-interessiert ist, die sich durchlaviert oder zeitweise "abtaucht".

Weil solche Formen der Steuerung so ungesteuert, so wenig berechenbar, so zufällig und wendig und wechselhaft verläuft, vor allem so re-aktiv, werden ihr die meisten Beobachter wohl den Steuercharakter absprechen. Solche Steuerung weiß nicht, wohin sie steuern will.

Steuern heißt dagegen: nach vorne zu schauen, auf ein festgelegtes Ziel und aus diesem strategischen Ziel operative Maßnahmen abzuleiten. Dieses Steuern bedeutet laufende Ziel-Ergebnisvergleiche im Wege eines "Controllings", das bei Abweichungen Kurskorrekturen vornimmt.

Aber die Steuerer sind von einem solchen Steuern häufig so eingenommen, daß sie die Grenzen der Steuer-Logik außer Acht lassen: "Eindeutig" steuern lassen sich allenfalls Systeme mit berechenbarer Prozeßlogik, Systeme, deren Abläufe linearen Wegen folgen, deren Einflußgrößen bekannt und deren Wirkung ermittelbar ist, Systeme, die sich immer wieder zu Gleichgewichtszuständen hinbewegen, nicht aber komplexe Systeme mit un-berechenbaren Netzverbindungen, mit zirkulären Bezügen oder ungeahnten Folgewirkungen, also Systeme mit den typischen Merkmalen sozialer Systeme.

Das heißt nicht, daß sich gerade bei "trivialen" Prozessen, bei den in den Steuermodelle vorgesehenen Kostenerfassungen, Erhebungen über Aktivitäten der Anbieter wie der Ämter wertvolle Einsichten ergeben, die sich unmittelbar umsetzen lassen. Die Modelle legen neue Beobachtungskategorien vor, lassen darum auch anderes sehen als die Kategorien der Vergangenheit. Die Kameralistik, das globale Einnahmen-Ausgabenprinzip bürokratischer Verwaltung, verschweigt mehr als sie offenbart. Insoweit kann eine Kosten-Rechnung zeigen, welche Aktivitäten welche Kosten verursachen.

Ebenso wertvoll kann die Erhebung über die Art der Aktivitäten sein, das Nachfragen, wer was mit welchen Vorstellungen verrichtet, ob andere Mittel in Frage kommen. Es stimmt schon nachdenklich, wenn sich herausstellt, daß die Interventionen der Sozialarbeit eng mit dem Thema der Diplomarbeit oder dem Schwerpunkt korrelieren (obgleich der Systemiker darin die Selbstbezüglichkeit der Person wiedererkennt).

Aber ein Steuern erscheint angesichts einer "Unberechenbarkeit" eines sozialen Systems vermessen - und wie unberechenbar die sonst immer so vorbildhafte Industrie "steuert", zeigen uns die alltäglichen Fälle von "Fokker" alias "Dornier" alias. Fall "Reuter", Vulkanwerft, KHD usw. usw. usw..

Wir reden keinem Entweder-Oder das Wort, sondern einem In-Rechnung-Stellen des Nicht-Berechenbaren, also einer Steuerung, die - immer auch - hinterherläuft, die sich verrechnet, die sich ihre Kriterien aus sich selbst (er-)finden muß, weil sie diese nicht von außen ableiten kann, einer Steuerung, die sieht, daß sie nicht alles sehen kann.

Der Beobachter kann Vermutungen anstellen, kann Zusammenhänge entdecken zwischen der um wirtschaftliche Kriterien erweiterten Planung und der Blindheit: Er vermutet, daß die tautologische Wohldefiniertheit, die Berechenbarkeit eines Systems der Rechnungslegung, der Kostenrechnung, der Bilanz, der Nachfrage- und Angebotskurven auf die Planung der nicht eindeutig definierbaren Zusammenhänge abfärbt. Die Steuerer werden nur zu gerne blind für die Nicht-Steuerbarkeit oder die "gesteuerte" Rationalität (Trivialität) ihrer sog. "Objekte".

Die Produkte

Steuern, d.h. gezielte Einflußnahme, setzt voraus, daß die Steuerparameter konkret benannt sind, und zwar inhaltlich wie bezüglich der Form, der Abläufe und Kosten. Soziale Dienste waren in der Vergangenheit nur unscharf gefaßt bzw. in ihrer formalen Struktur, z.B. was das Protokollieren von Vorgängen betrifft, sehr präzise, dagegen hinsichtlich ihres Zwecks, ihrer Funktion oder erhofften Wirkungen, ungenau gefaßt. Die Steuermodelle wollen zur Klarheit verhelfen darüber verhelfen, was denn nun eigentlich mit welcher Zielrichtung in den einzelnen Arbeitsfeldern geschieht. Steuern, etwa im Sinne einer Festlegung von Prioritäten oder verstärkter bzw. verringerter Bemühungen - oder auch: gänzlich anderer als der bislang gewählten Interventionen, erfordert klare Zweck-Mittel-Relationen. Das "Produkt" oder die "Dienstleistung" sind der Ausdruck für den Zweck, die dazugehörigen "Leistungen" stellen die Mittel dar.

Eine Profession zeichnet sich u.a. darin aus, daß sie über einen Satz an derartigen Zweck-Mittel-Relationen verfügt, die verwenderunabhängig zum Einsatz kommen. Will man etwa Jugendliche ansprechen, um sie über Konsequenzen des Drogengebrauchs zu informieren, wird man auf sie zugehen müssen oder niederschwellige Angebote als "Produkt" anbieten. Die "Gruppenangebote" im Rahmen dieser Arbeite entsprächen den "Leistungen".

Dieses Produkt wird in den Steuerkonzepten gerne als ein vom Produzierenden geschaffenes, unabhängiges "Objekt" gesehen, das vom Produzierenden abgelöst ist. Es wird mit einem Symbol, einem Zeichen versehen und steht für ein bezeichnetes Etwas (das Designatum). Eine Drogen-Beratung "ist" in diesem Verständnis eine Drogen-Beratung. Eine präzise beschriebene Beratung steht in dieser Sicht für einen konkreten Beratungsvorgang, dem man dann auch konkrete Mittel bzw. Kosten zuordnen und den man auf seine Wirkung hin befragen und auswerten kann.

Bei solcher Sicht geht allerdings der soziale Zusammenhang verloren, der das jeweilige "Produkt" erst er-stellt. Alle Beratung, alle Dienstleitung "realisiert" sich im konkreten Vollzug einer Kommunikation von Ratgebendem, Ratsuchendem und Rat- Kontext (Beratungssituation).

Das Wort "Beratung" orientiert allenfalls auf ein Geschehen hin, das "Beratung" ergeben soll bzw. nicht darstellen soll, also etwa keine :zwanglose Unterhaltung, Austausch von Meinungen, Geschwätz oder Belehrung. Es orientiert, weist auf etwas hin, stellt eine Überschrift in den Raum, unter der etwas stattfinden soll, aber was dieser Vorgang bei den Beteiligten "ist", hängt ab von der jeweiligen Art der Kommunikation.

Und das "Produkt" der Beratung mag dabei für die beteiligten Personen unterschiedlich erfahren werden, für den Ratgeber anders als für den Ratsuchenden (Kunden).

Die soziale Situation mag von einer Asymmetrie gekennzeichnet sein, bei der der Ratgeber der Fragende ist, der Ratempfänger der Antwortende. Beide tragen jedoch in solcher Weise zu dem bei, was man "Beratung" nennt bzw. diese beiden darunter verstehen. Auch der Raum, die Situation tragen Verweischarakter, der auf eine "Beratung" verweist.

Wir sprachen bislang von "dem" Produkt. Dabei lassen sich verschiedene Dimensionen eines Produkts unterscheiden, die ökonomischen, die emotionalen, die sozialen, die physiologischen oder die kulturellen Aspekte (s. dazu Schwarz, 1993). Eine Pflege stellt ja nicht allein eine physiologische Operation dar, und sie stellt häufig für den Produzierenden etwas anderes dar als für den Empfänger der Leistung. Und schließlich hat selbst der eine Aspekt geschätzte und nicht geschätzte Aspekte: Man möchte gewaschen werden, aber man möchte auch nicht so hilflos erscheinen, daß das Pflegepersonal beim Waschen helfen muß.

Das heißt, daß das Produkt in einer jeweiligen Situation pro-duziert, hervorgebracht werden muß. Die Produktbeschreibung orientiert allenfalls die Beteiligten in eine Richtung, aber sie steht nicht für eine situationsübergreifende "ein-deutige" Handlung oder Intervention. Der Klient ist vielleicht erbost über die elende (Nach-)Fragerei, die der Berater als intensives, ganz auf den Klienten gerichtetes, professionelles Gespräch erlebt.

Der Markt - die Kunden und Anbieter

Die Steuermodelle geben sich in der Regel als "kundenorientierte" Modelle, als Modelle, die sich am Kunden ausrichten, auf ihn hin orientiert sind.

Die "Träger" sozialer Arbeit (die "im" Dienst stehen und unter die "Last" ihrer Verantwortung zu tragen haben) mutieren zu "Anbietern", die Leistungen vorhalten. Sie führen Kundenbefragungen durch, lassen ihre Produkte, ihre Dienstleistung und das Image ihrer Organisation einschätzen, bewerten und vergleichen. Sie werben um die Gunst des Kunden, bemühen sich um ein Corporate Design, um eine Corporate Identity, vergleichen Marktanteile, sprechen von einem "Portfolio" ihres Produktsortiments, sie ersetzen die Schwesternhaube durch Werbeschriftzüge auf den Fahrzeugen des mobilen Hilfsdienstes.

Solche Unterschiede, die Organisationen heute machen, machen sicherlich Unterschiede, nicht nur im Design. Der unmündige "Klient" verwandelt sich zu einem mündigen "Nachfrager", der Dienste vergleicht, der wählt und abwählt, der "Qualitäten" (s. ISO - Normen) anmahnt und ihm zustehende Dienste einklagt.

Der Beobachter einer Diskussion um solche Entwicklungen (z.B. der Beobachter eines Symposions wie dem unseren) vernimmt sogleich Entrüstung über die Unangemessenheit des Marktmodells. Der "ambulante Dienst" ließe sich vielleicht in dieser Sprache angemessen ausdrücken, nicht aber die Hilfe für psychisch Kranke und Verwirrte, der Kaufkräftige könne wählen, nicht aber der auf Hilfe zum notwendigen Lebensunterhalt Angewiesene.

Sehen wir in einem solchen Markt eine Metapher für eine bestimmte Art der Kommunikation von sozialen Diensten und Empfängern von Diensten, so können wir sie gleichwohl an alle Formen der Hilfe anlegen und werden sehen, was wir sehen. Das "Objekt" der Beobachtung wird dabei vermutlich nicht unberührt bleiben. Selbst der Un-Kundige (-Mündige) wird vielleicht kundiger und seines Mundes bewußter.

Die Kunden-Metapher bleibt dabei nicht allein auf das Klient-Hilfe-System beschränkt. Die Steuermodelle legen es ebenso auf die Beziehungen zwischen geldgebenden Stellen und den Trägern sozialer Leistungen an. Der Korporatismus und die tradierten Verteilsysteme sollen einer Transparenz von Anbietern weichen. Und die, die dies fordern, beziehen sich in ihrer Arbeitsweise selbst in diese Prinzipien ein: Die Verwaltung sei als ein Dienstleistungsunternehmen für Bürger zu verstehen, jede ihrer Abteilungen leiste Dienste für andere und müsse sich hinsichtlich ihrer Preis-Leistungsverhältnisse mit anderen Anbietern vergleichen lassen. Nur folgerichtig werden darum auch hoheitliche von dienstleistenden Abteilungen unterschieden und, wie in der Ringvorlesung auch aus der Kommune Mönchengladbach vorgestellt, in Form verselbständigter Gesellschaften (GmbH's) geführt.

Die Kundenorientierung

Wir wollen die Selbstverständlichkeit der geforderten Kundenorientierung mit zwei weiteren Unterscheidungen der systemischen Beobachtung konfrontieren: der Selbst- und Fremdbezüglichkeit von Systemen.

Die erste bezieht sich auf den Code eines sozialen Systems. Jedes (Funktions-)System bzw. jeder Bereich von Systemen (soziale Arbeit, die Wirtschaft, die Politik) zeichnet sich dadurch von einem anderen aus, daß er sich eines eigenen Codes bedient. Das kann, im Falle sozialer Arbeit, der Code von Hilfe und Nicht-Hilfe sein, wie Baecker in seinem Vortrag ausführt. Benutzt man diese Unterscheidung, kann der Preis nicht ausschlaggebende Kriterium der Hilfe sein - oder man hat es mit einem Wirtschaftsmarkt zu tun. Ein System sozialer Hilfe braucht jedoch für seine Orientierung einen spezifischen, sie ausmachenden Verweis, z.B. den auf Hilfe.

Wenn, wie aus den Berichten über die Einführungen der Steuermodelle häufig das nach wie vor zu beobachtende Hineinregieren der Ratsmitglieder in Form großzügiger Mittelzuweisungen, so uneingeplant wie uneinsichtig, beklagt wird, mögen sie sich vergegenwärtigen - um ihren Unmut zu lindern - , daß ein politische System um des Wählers Gunst buhlen muß und darum alle Planung durchkreuzen muß, um die begehrten Stimmen des Fußballklubs wie derjenigen, die von dieser Förderung erfahren, zu sichern.

Eine zweite Prämisse betrifft die Grundstruktur sozialer Systeme: Sie müssen stets sich selbst im Auge haben, sich also zusammenhalten, ihren eigenen Bestand sichern - sonst überleben sie nicht als dieses System - und sie müssen die Umwelt im Auge halten, weil sie mit ihr vielfältig verknüpft: ihre "Selbstreferentialität" wie ihre "Fremdreferentialität". Und fremdreferentielles Denken, also ein Denken in Kategorien des "Kunden" , der "Hilfeempfängers" etc. ist stets nur auf der Grundlage des selbstreferentiellen Denkens möglich. Der Kunde, der Markt kann nur in der Weise beschrieben werden, über die das System verfügt. Der Markt ist so groß, wie die Reichhaltigkeit der Beschreibungen, so "konkurrenzhaft", wie die Reichhaltigkeit konkurrenzbezüglicher Unterscheidungen, mit denen das System operiert.

Keines der Systeme kann also das jeweils andere "aufnehmen", kann so operieren wie das andere. Das wäre der soziale oder psychische Tod. Jedes System kann das andere nur nach den Regeln aufnehmen, die es selbst für sich zur Grundlage gelegt hat. Die Selbstreferentialität stellt also eine notwendige Überlebensgrundlage dar.

Natürlich können sich soziale Einrichtungen "kundennah" geben und beispielsweise kleine, dezentrale Einheiten im Stadtteil aufbauen und "hautnah" mit ihren Kunden leben. Aber die Anbieter bleiben Anbieter, bleiben dezentrale Einheiten einer Kommune oder eines freien Trägers. Der Kunde "stört" vielleicht in penetranter Weise das anbietende System, weil er immer anderes wünscht, zu ungebetener Zeit an der Türe steht, weil er Schmutz in das saubere Haus trägt, weil er unpünktlich ist, weil er Vereinbarungen nicht einhält. Aber an diesen Störungen zeigen sich ja gerade die Unterschiede der jeweiligen Systeme.

Der "Kunde" bleibt ein eigenes System, ein fremdes nie erfaßbares System.

Systeme lassen sich darum nicht "ver-planen", sondern allenfalls ver-"stören". Sie planen zunächst und vor allem einmal sich, planen sich fort, unter stetem Bezug auf sich selbst. Dies ist Ausdruck ihrer "Selbstbezüglichkeit". Das meint, daß jedes System in erster Linie damit befaßt ist, sich "fortzupflanzen". Dabei kann es immer nur auf das zurückgreifen, was vorliegt, also auf die bestehenden Instrumente, Vorlagen, Kommunikationsorte und -verfahren, auf eine Sprachkultur, eine Verweis- und Attributionskultur (Wer tut was wann in welchen Fällen wozu?).

Im Lande sammeln sich Produktbeschreibungen, papierene oder auch digitalisierte (materialisierte) Ausdrucksformen der "Produkte". Es kennzeichnet die verwaltende Jugendhilfe, daß sie diese Form wählt, daß sie Produktbeschreibung in hoher Anzahl und hoher Ausgiebigkeit (an-)sammelt, dokumentiert und sich darüber austauscht, daß beratende Stellen (KGST) Formulierungen "vorschlagen" bzw. nahelegen. Vielleicht sollte man sie "freigeben" zur Mit-Formulierung, zur kontextbezogenen Neuformulierung, vielleicht ins Internet einspeisen und den Jugendlichen Gelegenheit geben, ihre "jugendlichen" Formulierungen zu wählen. Vermutlich würden sie anders ausfallen.

Der Kunde, das "fremdbezügliche" Element stellt in dieser Perspektive eine unwillkommene "Störung" dar. Er bringt fremde Sprache ins Spiel, fremde Erwartungen, die nicht in die Sparten- oder Abteilungsordnung passen, andere Zeitordnungen (er möchte gerne alles zugleich und sofort erledigt wissen) und eine besondere, ihn in seiner Eigenart, seiner besonderen Situation zu berücksichtigende Beratung - und eben keine "Fall"-Bearbeitung.

Ein soziales System auf eine stärkere (fremdbezügliche) Kundenorientierung hin "steuern" zu wollen, heißt im wahrsten Sinn des Wortes darum: zu stören, also etwas zu verlangen, was dieses System in seiner selbstbezüglichen Ordnung durcheinanderbringt.

Und sollte dieser Störversuch gelingen, weil natürlich das System nur zu gut weiß, daß es von seiner Umwelt abhängig ist, daß es den Kunden braucht, daß geldgebende Stellen die Kundenkontakte beobachten, zählen, nachhalten, prüfen und neuerdings qualitätsorientiert auch dokumentiert haben wollen, so kann dieses gestörte System die Störung zunächst prinzipiell auch zukünftig, so lange es als solches existiert, nur nach Maßgabe seiner Systemeigenarten aufnehmen und verarbeiten

Den Beteiligten Abwehr oder Sabotage, Verbohrtheit und Engstirnigkeit zu unterstellen, heißt die Eigenart sozialer Systeme im Hinblick auf ihre notwendige Selbstreferentialität, die sich an jeweiligen Leitwerten orientiert, zu verkennen, heißt soziale Systeme durch Kategorien personaler Beschreibungsformen zu "anthropomorphisieren", zu "beseelen" und zu reifizieren, also eine feste, ermittelbare Eigenschaft bzw. einen spezifischen "Willen" zu unterstellen. Soziale Systeme können dennoch bzw. gerade im Schutz solcher Leitformeln Markt- und Tummelplatz für allerlei Spiele abgeben.

Die Zweck-Rationalität

Die neuen Steuerungsmodelle, die Outputorientierung oder die Verfahren der Qualitätssicherung fußen auf einer Grundlage: der Vorstellung einer Organisation als einem zweckrationalen Gebilde oder zweck-rationalisierbaren Gebilde. Organisationen werden als Produkte zweckrationaler Gestaltung angesehen, und "un-rationale" Abläufe werden darum als Defizite angesehen, die zu beheben sind, neue Konzepte (wie die genannten), als Ansätze, die geeignet sind, Organisationen auf höhere Stufen der Rationalität zu heben.

Organisationen lassen sich mit dieser "Metapher" der Rationalität beschreiben, und dieses Kriterium eignet sich auch vorzüglich im Verkehr untereinander, sowohl über die Grenzen der Organisation hinweg als auch innerhalb der Organisation.

Die Kosten gelten als der wichtigste Indikator für Wirtschaftlichkeit bzw. Unwirtschaftlichkeit. Diese Kosten stärker ins Spiel zu bringen, als wesentliches Entscheidungskriterium mitzuberücksichtigen (Ressourcenverantwortlichkeit neben der Fach-Verantwortlichkeit) anzulegen, gilt in den neuen Steuerungsmodellen als wesentliches Zeichen einer "höheren", verbesserten und erweiterten Rationalität, mit der sich soziale Arbeit nachdrücklicher, profilierender und nachweislicher auszudrücken und zu legitimieren sucht.

Aber solche Rationalität bleibt gerne in sich selbst gefangen. Sie beobachtet nicht sich selbst, geht mit sich selbst nicht rational zu Gericht, z.B. mit den Kosten der Kostenerfassung.

Sie gräbt sich gerne ein in sich wiederholenden Verbindungen von bestimmten Mitteln zu bestimmten Zwecken. Typische Muster ergeben sich, die zum einen die Typik einer Organisation ausmachen, weil sie den Wiedererkennungswert erhöhen (man weiß, wo man ist). Je höher die Redundanzen, die sich wiederholenden, bekannten Muster ausgeprägt sind, desto rigider aber die Kommunikation. Solche Jugendhilfe weiß dann immer schon, was bei bestimmten Erscheinungen angezeigt ist. Sie antwortet mit vorhersehbaren "Lösungen". Doch soziale Arbeit soll sich gerade, so die neuen Konzepte einer kleinräumigen Sozialanalyse, auf spezifische Problemlagen einlassen und diese in je spezifischer Art und Weise angehen. Vor allem aber soll sie - gleich einer schnellen Eingreiftruppe - intervenieren und wieder verschwinden, sich also nicht etablieren, nicht Leistungen vorhalten, die nicht abgefragt werden oder die andere verrichten können.

Rationalität stellt eine der wesentlichen Mythen dar, an denen sich die Kommunikation, die Entscheidungen orientieren und mit der sich Organisationen legitimieren. So artikulieren sich auch die neuen Steuermodelle als Zeichen einer erweiterten Rationalität, die, wie wir sagten, fachliche (sozialarbeiterische) Professionalität mit "betriebswirtschaftlicher" Professionalität zu verbinden suchen.

An die Stelle der Rationalität lassen sich aber ebenso andere Mythen einfügen. Die neuen Strukturmodelle sind vorzügliche Modelle, mit denen sich Politik profilieren kann, weil sie endlich Instrumente an die Hand gibt, dem Moloch der Bürokratie Einhalt zu gebieten. Steuerung statt unkontrollierte Mittelvergabe, so lautet die Devise, die sich dem Mythos verdankt, daß das Handeln der Politik an den Interessen der Bürger z.B. an sparsamer Mittelverwendung orientiert ist, dem Mythos, daß man sich dem Bürger verpflichtet fühlt.

Die Steuermodelle lassen sich aber auch unter Machtaspekten deuten: Sie geben Beratungsstellen der Kommunen (KGST) endlich einmal Mittel an die Hand, die bunte Vielfalt und Uneinheitlichkeit kommunaler Strukturen auf meßbare und vergleichbare Standards zu bringen.

Sie versprechen dem Städte- und Landkreistag, endlich einmal über Machtinstrumente zu verfügen, um den freien Trägern den Raum zuzumessen, der ihnen nach seiner Meinung zusteht.

Von solchen Modellen lebt das Gewerbe der Autoren, der Tagungsveranstalter, der Zeitschriften, der Hochschulen und ihren Ringvorlesungen. Über solche Modelle werden Karrieren geschmiedet, erlebt die Mikropolitik neue Blüte, werden neue Hochschulstellen geschaffen und finanziert.

So zu reden heißt, andere Mythen bzw. "Spiele" an die Stelle des Mythos der Rationalität zu stellen, solche der Macht (zwischen Städtetag und freien Trägern z.B.), des Kampfes, der Politik, des Heiratsmarktes, der organisatorische Ästhetik (schlank vs. fett), der Befriedigung unerfüllter persönlicher Bedürfnisse, des Zeitvertreibs. Organisationen spielen viele Spiele. Erst diese Vielfalt macht sie zu einem solch interessanten Gebilde, zu einem sozialen Gebilde. Und es hieße gerade einem einzelnen Mythos zu verfallen, nähme man an, es ginge lediglich um Rationalität.

Feste und lose Kopplungen

Die hohe Komplexität des Systems sozialer Hilfe, der Aufgaben einer Kommune, der Gesetzgebung und politischer Verflechtungen wird gerade dann zum Problem, wenn sie sich hilflos gegenüber allen Versuchen der Bändigung fühlt, wenn Schulden wachsen, trotz aller Maßnahmen, oder wenn die Steuerparameter stumpf bleiben angesichts der Eingebundenheit in ein dichtes Netz von Verpflichtungen zu gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen, zu Ausgleichszahlungen oder Zinstilgungen.

Häufig wird in den Steuermodellen das "moderne Management" als Vorbild für die Steuerung von Organisationen zitiert, Vorbild, weil es mit seinen Methoden und Techniken (der modernen Kostenrechnung, dem Controlling, dem Marketing usw.), mit seinen schnellen Entscheidungswegen, seinen Anreizen zum Wagnis und "unbürokratischen" Prozeduren jene Handlungsfreiheiten und -fähigkeiten wiederzuerlangen verspricht, die allein geeignet erscheinen, den Problemen beizukommen.

Ein Großteil der Kommunen ist darum auch gegenwärtig damit befaßt, alte Strukturen aufzubrechen. "Steuergruppen" werden eingerichtet, Bereiche in die Selbständigkeit ausgelagert, die Dienstleistungen verrichten, Hierarchien "verkürzt" und ein Controlling eingerichtet, das den "Geschäftserfolg" transparent macht.

Die Rede vom Steuern, die Vorlage von Produktkatalogen, die Rasterkataloge zur Produktdefinition, die Suche nach verläßlichen Leistungskriterien und der zunehmend "steuernde" Ton gegenüber den Leistungsanbietern läßt den Verdacht aufkommen, daß es der Verwaltung im Grunde nach wie vor um jene Durchsetzung herrschaftlichen Willens geht, von der Max Weber in seinem Bürokratiemodell spricht.

Dabei zeichnen sich gerade die "Vorzeige-Unternehmen" der Wirtschaft durch eine konsequente Dezentralisation aus, wenigstens einem Mix von Anbindung und Loslösung. Multinationale Unternehmen lassen sich, wie Beispiele der jüngeren Vergangenheit zeigen, nicht "steuern". Sie müssen sich steuern in ihren jeweiligen Umwelten. Zentrale Stellen können für diese Aufgabe Support bieten, sie können aber den Prozeß nicht für sie lenken. Die Töchter wollen angekoppelt sein, aber in "loser Form" ("loosely coupled systems", s. Weick 1985, 163 ff.)

Lose Kopplung bedeutet, daß "vorgesetzte" Stellen sich eher als rahmensetzende verstehen, die das konkrete "Geschäft" den kundennahen Stellen überlassen; denn nur letztere sind im Besitz des Wissens um die jeweilige Situation "vor Ort", sie haben Erfahrungen gemacht, die nur sie besitzen. Sie wissen nur zu gut, was sie selbst zu initiieren in der Lage sind und was sie nicht zu tun vermögen, weil es nicht ihren Kenntnissen, Interessen oder Möglichkeiten entspricht. Vor allem aber gehen sie Kommunikationen mit ihren "Klienten" ein, schaffen also eine eigene Kultur, die nicht von vor-gesetzter Stelle dirigiert werden kann und sollte.

Lose Anbindung heißt des weiteren, die Töchter nicht sorgfältig und überschneidungsfrei aneinanderbinden, sondern "fette" Strukturen mit Überlappungen bewußt zuzulassen; denn jede ungeplante Störung (z.B. der Ausfall einer Einrichtung) ließe in einem schlanken Nebeneinander sogleich Lücken im schönen Geflecht entstehen.

Wie mühselig und langwierig Störungen in eng gekoppelten Großorganisationen wie den kommunalen Verwaltungen verarbeitet (bzw. oftmals: "beseitigt" oder "gelöst") werden, zeigen die Erfahrungen mit der Umsetzung der Steuermodelle (s. Gespräch mit G. J. Wolters in der Süddeutschen Zeitung vom 22./23.6. 1996). Eine Störung durch den Kunden hat in kleineren, selbständigen Einheiten größere Chancen, aufgenommen und in Veränderungen des Systems zu münden.

Das Konzept der losen Kopplung zu übertragen heißt, die Töchter in Selbständigkeit operieren zu lassen, nicht aber Leistungsarten vorzuschreiben, festgelegte "Produkte", Leistungen und Kriterien zu ihrer Bemessung vorzulegen, heißt nicht, den Bestand im Wege einer Sozialplanung zu erfassen, "in den Griff zu bekommen", um auf seiner Grundlage Streichungen vorzunehmen. Solche Planung hieße "enge Kopplung", hieße Perfektionierung der Eingriffsverwaltung.

Steuerung als Paradoxie

Auf einen Nenner gebracht können wir unsere Beobachtung als eine Beobachtung bezeichnen, die neben dem Hinweis auf das, was sie bezeichnen will, stets etwas mitführt, auf das sie nicht verweist, von dem sie sich absetzt, dem sie aber gleichwohl verdankt: Alle Steuerung ist immer auch steuerlos, alle Ordnung, die diese Modelle versprechen, ungeordnet, alle Komplexitätsreduktion bedeutet immer auch neuerliche Steigerung der Komplexität usw. usw..

Die Linie der ein-deutigen Steuerung bedarf darum der Krümmung, der Schau auf sich selbst. Die vielfach zu beobachtenden Widerstände gegen die Einführung dieser Modelle (s. LKT NRW 1996, 160 f.) können Anlaß zu einer Beobachtung 2. Ordnung unter den Betroffenen bzw. - auf diese Weise- Beteiligten sein. Wie sollen Kundenberater ihren Kunden helfen, wenn sie selbst nicht beraten werden oder sich selbst nicht beraten? Und wie anders sollen die Kundenberater lernen als durch Reflexion des unsteuerbaren und ungesteuerten oder gesteuerten und doch ungesteuert verlaufenen Teils, d.h. durch Auseinandersetzung mit der Paradoxie, die der entparadoxierte, linearisierte Alltag nicht zur Kenntnis nehmen will. Vielleicht könnten die Non-Profit-Steuerer doch etwas von den profitorientierten Steuerern lernen, vor allem denen aus der Zukunftsbranche, der Elektronik und Computerindustrie: Dort werden die Kunden seit geraumer Zeit mit in die Qualitätskontrolle bzw. Fehlersuche - man könnte auch sagen: Endfertigung - einbezogen. Erst die Entdeckung der Fehler beim Kunden und deren Feedback macht die Produkte reif(er). Aus anfänglicher Not wurde eine Selbstverständlichkeit, sogar eine Tugend. So könnten die Non-Profit-Steuerer auch ihre Kunden in regelmäßigen Abständen in die Fehlersuche einbeziehen. Sie brauchten zukünftig nicht einmal "fertige" Produktformulierungen vorlegen - um Gesprächsstoff für die Kundengespräche zu haben. Und sie verfügten über einen Erfahrungsschatz, der ihnen ansonsten entgehen würde: die Kunden entdecken "Fehler", die die Produzenten nicht sehen, denen sie darum auch nicht prophylaktisch gegensteuern könnten, weil sie sie produzieren, während sie ihre Dienste produzieren.

Literatur

Deutscher Landkreistag - Eildienst

Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung

Luhmann, Niklas: Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1992

Schwarz, G.: Produkte - Ihre Seele und ihre Widersprüche, in: Gerber, P.-W./ Heitger, B./ Schmitz, Chr.: Managerie, 2.Jahrbuch, 1993

Süddeutschen Zeitung vom 22./23.6.1996: Gespräch mit G. J. Wolters

Weick, K.E.: Der Prozeß des Organisierens, Stuttgart 1985

Autor

Prof. Dr. Hans-Christoph Vogel
Fachhochschule Niederrhein
Fachbereich Sozialwesen
Richard-Wagner-Str. 101
41065 Mönchengladbach
Tel.: 02161/186623