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Zitiervorschlag

Physik spielend verstehen und begreifen - in Kindergarten und Grundschule

Eva Sambale

 

Erst vier Jahre alt und schon Physikunterricht? Ja, auf spielerische Weise ist dies möglich, eingebettet in viele Experimente für alle Sinne. Gerade in diesem jungen Alter sind Kinder sehr wissensdurstig und neugierig auf das, was in ihrer Umgebung geschieht, und fragen oft "warum" etwas so ist. Diese natürliche Neugier zu befriedigen aber auch zu fördern bzw. Interesse für Fragestellungen zu entwickeln, ist Ziel des Projektes "Spielend Physik erleben" des Münchner Vereins Spiellandschaft Stadt e.V. Um den Kindern erste physikalische Gesetzmäßigkeiten spielerisch erfahr- und erlebbar zu machen, besuchte ein Team aus drei Spielpädagoginnen im Sommer 2004 fünfzehn Münchner Kindergärten und im Juni 2005 sechs weitere Kindergärten und sechs 1. Grundschulklassen in München.

Spielend die Welt erforschen - Lernen im Kindergartenalter

Kinder erobern sich ihre Lebenswelt durch das Spiel. Am liebsten lernen sie durch spielerisches Experimentieren und setzen dabei alle Sinne ein. Durch Spielangebote können wichtige Inhalte vermittelt werden, die zur Bildung beitragen. Dabei wirkt spielerisch experimentelles Lernen nachhaltig und entspricht dem Neugierverhalten von Kindern. Genau diese Erkenntnisse macht sich das Projekt "Spielend Physik erleben" zunutze und entspricht damit den im neuen bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan vorgeschlagenen Zielen, Methoden und Inhalten.

In kleinen Gruppen experimentieren und Erfahrungen sammeln

Zielgruppe des gut zweistündigen Projektes sind pro Aktion 20-30 Kindergartenkinder im Alter von vier bis sechs Jahren bzw. gleich viele Kinder der ersten Klasse der Grundschule. Das Projekt findet entweder auf dem Gelände des Kindergartens, auf dem Schulhof oder auf einem nah gelegenen Spielplatz statt. In drei Kleingruppen erfahren die Kinder physikalische Gesetzmäßigkeiten der Reibung, der Fliehkraft und des Gleichgewichts am eigenen Körper. Sie dürfen selbständig experimentieren und im gemeinsamen Gespräch Erklärungen finden. Auf Rutsche, Wippe und Karussell werden verschiedene Experimente durchgeführt.

Bei den bisher durchgeführten Projekten zeigte sich, dass die Kinder offensichtlich Freude daran hatten und viel lernten. Auch die Erzieherinnen zeigten sich begeistert über die vielen tollen und doch einfachen Aktivitäten.

Projektablauf

Einführungsgespräch

Das Projekt startete mit einem großen Kreis mit allen Kindern und Erzieherinnen. Nach einem spielerischen Einstieg in das Thema "Forschen" und einem Gespräch darüber, was Physik ist, wurden die Kinder mittels "Forscherausweisen" in drei Gruppen aufgeteilt: die Rutschen-, die Wippen- und die Karussellforscher/innen. Die Gruppen fanden sich an ihren jeweiligen Stationen mit einer Betreuerin zusammen und füllten ihre Forscherausweise aus.

Gruppe A: Forschen rund um die Rutsche

Die Kinder untersuchten die Reibung verschiedener Materialien auf einer Rutsche und einem schrägen Brett, indem sie selbst auf Teppichresten, Anti-Rutsch-Matten etc. rutschten oder Pflastersteine rutschen ließen. Sie fanden beispielsweise heraus, dass Schleifpapier langsamer rutscht als Plastikfolie, weil Schleifpapier rau und Folie glatt ist. Durch Forscheraufträge angeregt, veranstalteten sie "Wettrennen" zwischen unterschiedlich gefüllten durchsichtigen Dosen. Sie stellten z.B. fest, dass eine halb mit Wasser gefüllte Dose schneller rollt, als eine halb mit Steinchen gefüllte.

Die Kinder erfanden auch eigene, ungewöhnliche Experimente: Rutscht der Stoff besser, wenn ich einen oder wenn ich zwei Pflastersteine darauf lege? Wie rollen mit Sand oder Stöckchen gefüllte Dosen? Wie rollen Zapfen? Kann man auf einer mit Sand gefüllten Plastiktüte tatsächlich schneller rutschen als auf einer leeren? Wie rollen Dosen über eine aus Sand gebaute Schanze?

Die Kinder hatten Spaß am Ausprobieren; fassbare physikalische Ergebnisse brachten diese Versuche jedoch meist nicht.

Abschließend bastelten die "Rutschenforscher" Kullermännchen aus Pappe, die die schiefe Ebene hinunterpurzelten. Die Kinder erkannten anhand eines durchsichtigen Kullermännchens, dass die Murmel im Inneren die Purzelbewegung bewirkt.

Gruppe B: Forschen rund um die Wippe

Wie schaffen es die Kinder, die auf der Wippe sitzende Erzieherin in die Höhe zu bekommen? Was können zwei oder auch vier auf einer Wippe sitzende Kinder tun, damit der jeweils andere oben ist; wie können sie sich "schwerer" machen? Wie bringen acht Kinder die Wippe ins Gleichgewicht? Durch Vor- und Zurückrutschen, sich weit nach hinten Lehnen oder weitere Kinder dazu Setzen bewältigten die Kinder die Aufgaben und lernten auf diese Weise Gleichgewicht und Hebelwirkung kennen. Sie vertieften diese Erkenntnisse, indem sie selbst aus Brettern und Rundhölzern Wippen bauten und diese ausprobierten.

Beeindruckt zeigten sich die Kinder, wenn ein einzelnes Kind es schaffte, durch die richtige Anordnung von Brett und Rundholz ein schweres Gewicht hoch zu heben (z.B. einen Biertisch mit mehreren Kindern darauf).

Später sollten die Wippenbretter durch das darauf Legen unterschiedlich großer Holzklötzchen ins Gleichgewicht gebracht werden. Ein Teil der Kinder schaffte es auch, Vorhersagen zu treffen wie "Wenn ich diesen Klotz da hin lege, geht die Wippe da nach unten/ bleibt sie im Gleichgewicht/ ..." Zwei Jungen erfanden folgendes Spiel: Jeder bekommt 10 Klötze und legt diese auf seine Seite des Wippenbrettes. Gewonnen hat der, dessen Seite tiefer ist. Mit Unterlegscheiben experimentierten die Kinder auf farbig angemalten Holzlinealen, unter die sie einen Stift legten.

Die Kinder probierten aus, auf welche Weise sie mit den Wippenbrettern Schachteln in die Höhe schleudern können und was am höchsten fliegt: Kräftiges Springen auf das eine Brettende ließ die mit Steinen gefüllten Schachteln meterhoch in die Luft fliegen. Abschließend bastelten die Kinder Wippen aus Holzmundspateln und einem dreieckigen Holzstückchen, mit denen sich ebenfalls Filmdosen in die Höhe schleudern ließen.

Gruppe C: Forschen rund um das Karussell

Auf einer Drehscheibe und einem Drehstuhl ließen sich die Kinder drehen. Sie erlebten, dass man sich mit ausgebreiteten Armen langsamer dreht als mit angezogenen Armen.

Die Mitarbeiterin drehte die Kinder an der Hand im Kreis, sodass sie spürten, wie sie durch die Fliehkraft nach außen gezogen werden.

Das Phänomen der Fliehkraft ermöglichte ihnen einen "Trick": An einer Schnur drehten die Kinder einen kleinen Wassereimer im Kreis. Das Wasser fällt selbst dann nicht aus dem Eimer, wenn die Öffnung nach unten zeigt! Begeistert wiederholten die Kinder den Versuch mit anderen Materialien im Eimer.

Auch eine kleine Drehscheibe, auf die verschiedene Klötze gelegt wurden, verdeutlichte den Kindern die Fliehkraft. Beim Experimentieren fanden die Kinder heraus, welche Dinge aus welchen Gründen schneller herunterfallen als andere. Es hängt davon ab, ob sie am Rand der Scheibe oder in der Mitte stehen, ob sie eine raue oder glatte Oberfläche haben und wie schnell die Scheibe gedreht wird. Außerdem zeigte sich, dass hohe Dinge schnell umfallen. Es gab jedoch auch Kinder, die sich wenig für Erklärungen interessierten, sondern sich mehr für möglichst weit von der Scheibe fliegende Gegenstände begeisterten.

Abschließend gestalteten die Karussellforscher/innen sehr schöne Bilder, indem sie flüssige Farben auf ein sich drehendes Papier aufbrachten und beobachteten, wie die Farben nach außen liefen und sich vermischten.

Erfahrungsaustausch

Zum Abschluss trafen sich alle Gruppen wieder im großen Kreis, wo jede Gruppe ein oder zwei besonders wichtige Experimente präsentierte und diese den anderen erklärte. Wer wollte, konnte dann noch einzelne Aktivitäten der anderen Gruppen ausprobieren.

Weitere Informationen

Eva Sambale, Spielpädagogin
Spiellandschaft Stadt e.V.
Albrechtstr. 37
80636 München
Email: [email protected]
Website: www.spiellandschaft.de