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Zitiervorschlag

Aus: Klaus Schüttler-Janikulla (Hrsg.): Handbuch für ErzieherInnen in Krippe, Kindergarten, Vorschule und Hort. Neuausgabe. München: mvg-verlag 1996, 18. Lieferung (um eine Tabelle gekürzte Fassung)

Qualität von Kindertageseinrichtungen - Internationale Forschungsergebnisse

Martin R. Textor

 

Die Geschichte der außerfamilialen Kinderbetreuung ist von Anbeginn durch Bestrebungen gekennzeichnet, die Qualität vorhandener Angebote zu steigern oder bessere zu entwickeln. In Deutschland gingen und gehen diese Bestrebungen fast ausschließlich von der Praxis aus - von den Fachkräften und auch von den Trägern bzw. Trägerverbänden. Die Universitäten widmeten sich hingegen nur ganz am Rande der Erforschung der außerfamilialen Kinderbetreuung und der Verbesserung ihrer Qualität. Eine etwas größere Rolle spielten und spielen außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das Deutsche Jugendinstitut (München), das Sozialpädagogische Institut (Köln) oder das Staatsinstitut für Frühpädagogik (München) - vor allem durch die wissenschaftliche Begleitung von Modellversuchen. Die hier gewonnenen Forschungsergebnisse waren bisher aber nahezu ausschließlich beschreibender und wertender Natur; "harte" empirische Daten wurden nicht gesammelt. So fehlt z.B. noch jeder empirische "Beweis", ob der nur in Deutschland praktizierte Situationsansatz in irgendwelchen Bereichen "besser" als andere pädagogische Ansätze ist, was die "ideale" Gruppengröße ist, ob die im Kindergarten praktizierte Altersmischung sinnvoller als die in den meisten anderen Ländern üblichen Jahrgangsgruppen sind oder ob Tagespflege "besser" bzw. "schlechter" als Krippenerziehung ist.

Im angloamerikanischen Bereich und in Skandinavien ist jedoch eine andere Situation als in Deutschland gegeben. Dort werden empirische Untersuchungen über außerfamiliale Kinderbetreuungsangebote und deren Qualität bereits seit rund drei Jahrzehnten von Universitäten und Forschungseinrichtungen durchgeführt. Im folgenden werden vor allem die in Nordamerika gesammelten Forschungsergebnisse vorgestellt. Diese Erkenntnisse können natürlich nicht direkt auf die Kinderbetreuungssituation in Deutschland übertragen werden, da zentrale Rahmenbedingungen wie z.B. Gruppengröße und -zusammensetzung, Raumgestaltung und -ausstattung, Ausbildung der Fachkräfte und der von ihnen praktizierte pädagogische Ansatz unterschiedlich sein können. Vermeiden wir den Fehler der direkten Übertragung auf deutsche Verhältnisse, können wir jedoch aus ausländischen Forschungsergebnissen viele relevante Erkenntnisse gewinnen.

1. Zum Verständnis von "Qualität"

Was unter qualitativ hochwertiger Fremdbetreuung verstanden wird, ist von der jeweiligen Gesellschaft, Kultur und historischen Epoche abhängig. So können wir davon ausgehen, dass sich die Vorstellungen von einer "guten" außerfamilialen Fremdbetreuung Vierjähriger unterscheiden, wenn wir entsprechende Aussagen aus der Zeit der Jahrhundertwende mit heutigen, Meinungen aus einem Land der Dritten Welt mit solchen aus einem Land der Ersten Welt oder Vorstellungen aus dem islamischen mit solchen aus dem christlichen Kulturkreis vergleichen. Noch komplizierter wird das Bild, wenn wir uns verdeutlichen, dass in einem bestimmten Land zu einem bestimmten Zeitpunkt die betroffenen Gruppen - also Eltern, Kinder, Fachkräfte, Träger, Wissenschaftler, Politiker usw. - unterschiedliche Vorstellungen über die Charakteristika einer hochwertigen Fremdbetreuung haben können. Beispielsweise ließ Farquhar (1991) in Neuseeland 223 Eltern, 32 Fachkräfte und 47 Experten die Bedeutung verschiedener Kriterien für die Qualität von Kindertageseinrichtungen auf einer vierstufigen Skala bewerten. Sie fand heraus, dass es bei einzelnen Kriterien signifikante Unterschiede zwischen den drei Gruppen gab. Und wir können uns leicht vorstellen, dass eine Befragung der Kinder ganz andere Ergebnisse erbracht hätte...

Schließlich ist offensichtlich, dass es auch innerhalb der jeweiligen Gruppe von Betroffenen unterschiedliche Vorstellungen über eine qualitativ hochwertige Fremdbetreuung gibt. Beispielsweise werden sich die Auffassungen von Erzieherinnen an einem Montessorikindergarten von denen an einem Waldorfkindergarten unterscheiden, verstehen manche Eltern darunter eine intensive kognitive Förderung ihrer Kinder unter Einsatz von Arbeitsblättern, während andere dies ablehnen und mehr Wert auf die soziale Entwicklung legen. Einige Kinder wünschen sich z.B. offene Gruppenangebote, viele Freiräume und Entscheidungsmöglichkeiten, andere hingegen eher überschaubare geschlossene Gruppen und abwechslungsreiche Beschäftigungen.

Der Begriff der Qualität von Kinderbetreuung ist somit je nach Gruppenzugehörigkeit und Perspektive der jeweiligen Person unterschiedlich. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Bewertung der Qualität einer gegebenen Tageseinrichtung aus: Fachkräfte, Eltern, Kinder oder Wissenschaftler bzw. die einzelnen Mitglieder dieser Gruppen können zu ganz verschiedenen Urteilen kommen. Dabei spielen aber auch Faktoren wie die sozioökonomische Lebenslage oder Vorerfahrungen eine Rolle. Katz (1992) nennt folgendes Beispiel: "Ein Kind, das zu Hause eine große Vielfalt von Spielmaterialien, Fernseh- bzw. Videofilmen und Spielgeräten im Außenbereich sowie häufige Besuche von Spielplätzen genießt, mag dieselbe Vorschule als langweilig erleben, die ein anderes weniger, privilegiertes Kind als anregend empfindet" (S. 70).

In diesem Abschnitt wird auch deutlich, dass der Begriff der Qualität von Kinderbetreuung viele unterschiedliche Dimensionen umfasst. Dies ist vor allem für das Verständnis der nachfolgenden Forschungsergebnisse wichtig. So sollten wir berücksichtigen, dass hier Wissenschaftler den Qualitätsbegriff definiert, die zu untersuchenden Dimensionen ausgewählt und Kriterien festgelegt haben, ab wann in einem bestimmten Teilbereich von einer niedrigen, einer durchschnittlichen oder einer hohen Qualität gesprochen werden kann. Dabei müssen wir darauf achten, ob sich die Wissenschaftler nicht auf bestimmte Dimensionen konzentriert haben - z.B. auf solche, die sich besonders leicht messen lassen - und andere, für Fachkräfte, Eltern oder Kinder wichtige(re) Dimensionen vernachlässigt haben (wie z.B. der pädagogische Ansatz des Teams, der Erziehungsstil, die Arten von Aktivitäten mit den Kindern, die Qualität der Beziehung zwischen Fachkräften und Eltern, das Wohlbefinden der Kinder, die Bedürfnisse ausländischer Kinder und ihrer Eltern). Somit geht es in den nachstehenden Abschnitten in erster Linie um die Auffassung und Perspektive von Wissenschaftlern.

2. Forschungsergebnisse

Mit Erwin et al. (1993) sowie Hayes, Palmer und Zaslow (1990) lassen sich drei Phasen in der Erforschung der außerfamilialen Tagesbetreuung unterscheiden, die sich jedoch überschneiden und alle noch nicht als abgeschlossen gelten:

  1. Zunächst wurde aufgrund der rasant zunehmenden Zahl fremdbetreuter Kinder untersucht, ob die Qualität der Erziehung in Tageseinrichtungen (bzw. in Tagespflege) derjenigen der Familienerziehung entspricht.
  2. Dann wandten sich immer mehr Wissenschaftler der Frage zu, welche Folgen für die kindliche Entwicklung Variationen in der Qualität der Fremdbetreuung haben, wobei viele unterschiedliche Variablen untersucht wurden bzw. werden.
  3. Seit einiger Zeit werden zunehmend individuelle Eigenschaften der Kinder und Familienfaktoren in ihrer Interaktion mit Charakteristika der Fremdbetreuung berücksichtigt, so dass die Untersuchungsdesigns immer komplexer werden.

Im folgenden werden die in den drei Phasen gesammelten Erkenntnisse kurz zusammengefasst. Nur am Rande soll erwähnt werden, dass sie auf ganz unterschiedliche Weisen gewonnen wurden: "Standardisierte Intelligenztests wurden vor allem in den ältesten Untersuchungen verwendet. Andere Studien haben Ergebnisse insbesondere in Begriffen der kognitiven oder Sprachentwicklung von Kindern definiert, wobei Resultate der Kinder bei Tests in der Einrichtung, Einstufungen ihrer Kompetenz durch Fachkräfte oder systematische Beobachtungen zugrunde gelegt wurden. Ein Großteil der Forschung über Säuglinge und Kleinstkinder konzentrierte sich auf emotionale Folgen, insbesondere die Beobachtung der Bindung an die Mütter, von Weinen, Abhängigkeit oder Aggression. Gegenwärtig berücksichtigen viele Untersuchungen die Konsequenzen für die soziale Entwicklung von Kindern und die in Bildungseinrichtungen gezeigte soziale Kompetenz; Verhaltensweisen, die wiederum mit den schulischen Leistungen der Kinder in Bezug stehen" (Podmore 1994, S. 2).

2.1 Fremdbetreuung versus Familienerziehung

In der ersten Forschungsphase wurden Kinder, die in Tageseinrichtungen oder Tagespflege waren, mit ausschließlich in der Familie betreuten Kindern verglichen. Nach rund 200 Untersuchungen zeigte sich hinsichtlich des Gesundheitszustandes, dass erstere im Säuglings- und Kleinstkindalter häufiger und zu einem früheren Zeitpunkt als letztere unter Infektionen wie Erkältungen, Grippe, Bronchitis, Mandel- oder Ohrenentzündungen litten - nach ihrem dritten Lebensjahr aber seltener als Kinder, die nur zu Hause aufwuchsen. Meningitis und Hepatitis traten häufiger auf. Das Risiko von Darmerkrankungen war größer, wenn Kinder anwesend waren, deren Reinlichkeitserziehung noch nicht abgeschlossen war, oder wenn zu den Aufgaben der Fachkräfte sowohl das Wickeln von Säuglingen als auch das Zubereiten von Mahlzeiten gehörten (Hayes/Palmer/Zaslow 1990). Ansonsten war die Gesundheit von Kindern in solchen Einrichtungen stärker gefährdet, in denen Sicherheits- und Hygienestandards nicht eingehalten wurden (Cost, Quality, and Outcomes Study Team 1995).

Nach rund 25 Untersuchungen erzielten fremdbetreute Kinder genauso gute - und oft bessere - Ergebnisse bei Tests über ihre kognitive Entwicklung als Kinder, die nur in der Familie erzogen wurden. Sie erhielten höhere Werte bei Intelligenztests, konnten besser Auge und Hand koordinieren, besaßen mehr Wissen, erbrachten bessere Gedächtnisleistungen und gingen kreativer mit Materialien um. Allerdings zeigten die Untersuchungen auch, dass es sich nur um eine kurzfristige Beschleunigung der kognitiven Entwicklung handelte: Nach Abschluss der ersten Grundschulklasse wurden keine Unterschiede zwischen fremdbetreuten und familienbetreuten Kindern mehr festgestellt (Clarke-Stewart in Vorb.; Hayes/Palmer/Zaslow 1990). Diese Forschungsergebnisse wurden nicht nur für Kinder ermittelt, die erst im Kleinkindalter fremdbetreut wurden, sondern auch für Krippenkinder (Clarke-Stewart 1989; Phádraig 1994). Nur bei sozioökonomisch benachteiligten Kindern, die im Rahmen besonderer Programme über die Einschulung hinaus betreut wurden, blieben die positiven Effekte erhalten (Hayes/Palmer/Zaslow 1990).

Hinsichtlich der sozialen und Persönlichkeitsentwicklung fremdbetreuter Kinder wurde in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass diese tendenziell sozial kompetenter, selbstbewusster, unabhängiger, durchsetzungskräftiger, normbewusster, hilfsbereiter, kooperativer, verbal expressiver und offener waren als Kinder, die zu Hause aufwuchsen (Clarke-Stewart 1989, in Vorb.; Hayes/Palmer/Zaslow 1990). Diese Forschungsergebnisse galten sowohl für Kinder, die schon im Säuglings- oder Kleinstkindalter fremdbetreut wurden, als auch für Kinder, bei denen die Tagesbetreuung zu einem späteren Zeitpunkt begann. Allerdings wurde auch festgestellt, dass diese Kinder tendenziell aggressiver, reizbarer, lauter, ungehorsamer und unhöflicher als familienbetreute Kinder waren, sich weniger an Erwachsenen orientierten und mit diesen schlechter kooperierten (a.a.O.). Dies mag damit zusammenhängen, dass während der Fremdbetreuung ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit mehr gefördert wurden oder dass die Kinder lernten, dass sie eher ihren Willen (in der großen Gruppe bzw. gegenüber Erwachsenen) durchsetzen konnten, wenn sie aggressiv, fordernd und ungehorsam waren.

Kritisch muss angemerkt werden, dass in all diesen Untersuchungen in der Regel nicht kontrolliert wurde, ob sich die beiden Gruppen von Kindern nicht durch mehr als die Tatsache der Fremdbetreuung unterschieden - ob nicht die Forschungsergebnisse z.B. durch Unterschiede in der Familiensituation mitbedingt wurden. Auch wurden oft nur Kinder in qualitativ hochwertigen Tageseinrichtungen untersucht, die sich zudem häufig an Universitäten befanden. So waren die Stichproben in der Regel nicht repräsentativ. Schließlich mangelte es an Längsschnittstudien.

2.2 Auswirkungen von Qualitätsunterschieden

Zwischen Kindertagesstätten bestehen offensichtlich Qualitätsunterschiede. Beispielsweise wurden vor kurzem 400 zufällig ausgewählte Einrichtungen in California, Colorado, Connecticut und North Carolina in dieser Hinsicht untersucht (Cost, Quality, and Outcomes Study Team 1995). 10 % der Gruppen in vorschulischen Einrichtungen waren von schlechter, 66 % von mittelmäßiger und 24 % von guter Qualität, während 40 % der Gruppen für Kleinstkinder als schlecht, 52 % als mittelmäßig und nur 8 % als gut eingestuft wurden (anhand der üblicherweise verwandten "Early Childhood Environment Rating Scale" bzw. der "Infant/Toddler Environment Rating Scale"). In der zweiten Forschungsphase wurde nun untersucht, wie sich solche Qualitätsunterschiede auf die betreuten Kinder auswirkten.

Clarke-Stewart (in Vorb.) sowie Hayes, Palmer und Zaslow (1990) fassten die Ergebnisse einer Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen zusammen. Danach verlief die kognitive Entwicklung von Kindern in solchen Tageseinrichtungen besser, in denen die Kinder von den Fachkräften mehr direkt stimuliert und unterrichtet wurden, in denen es mehr organisierte und angeleitete bildende Aktivitäten gab, in denen Interaktionen zwischen der Fachkraft und dem einzelnen Kind oder kleinen Gruppen von Kindern häufiger auftraten, in denen die Kinder aber auch ihre Interessen und Bedürfnisse ausleben, Lernprozesse selbst initiieren und deren Geschwindigkeit bestimmen konnten. Diese positiven Faktoren kamen mit höherer Wahrscheinlichkeit vor, wenn die Gruppen kleiner und die Fachkräfte besser ausgebildet waren, wenn die Förderung der kognitiven Entwicklung ein ausdrückliches Ziel der Einrichtung war und wenn der individuellen Entwicklung eine größere Bedeutung als der Gruppenerfahrung eingeräumt wurde. Auch wirkte sich positiv aus, wenn es irgendeine Art von Programm bzw. Wochenplan gab. Ein Zuviel an kognitiver Förderung (Verschulung), an Beschäftigungen und Strukturierung des Tagesablaufs durch die Fachkräfte beeinträchtigte jedoch die soziale Entwicklung der Kinder und machte sie aggressiver.

Die Sprachentwicklung der Kinder verlief besser in solchen Tageseinrichtungen, in denen die Fachkräfte die Kinder beim Verbalisieren ihrer Erfahrungen förderten, sie mehr in Gruppenaktivitäten involvierten und mehr mit ihnen sprachen, also z.B. Objekte bezeichneten, Aktivitäten beschrieben und Definitionen gaben (a.a.O.). Positiv wirkte sich aus, wenn die Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind qualitativ hochwertig waren. Informationsaustausch und gemeinsame Aktivitäten von Kindern und Fachkräften waren häufiger, wenn die Gruppen kleiner und die Fachkräfte besser ausgebildet waren.

Die soziale Entwicklung von Kleinkindern verlief in solchen Einrichtungen besser, in denen die Fachkräfte soziale Kompetenzen bewusst förderten und in denen sichere Bindungen zwischen Fachkräften und Kindern entstanden waren, was durch eine kleinere Zahl von Kindern pro Fachkraft, deren Verhalten (viel Aufmerksamkeit für jedes Kind, häufige Interaktionen mit ihm, Engagement usw.) und deren Konstanz (kein Betreuerwechsel) gefördert wurde (a.a.O.). Positiv wirkte sich auch aus, wenn die Gruppe weder zu klein noch zu groß war - im ersten Fall gab es z.B. zu wenig Spiel- und Interaktionspartner, im zweiten Fall kam es zu häufig vor, dass Kinder am Rand des Geschehens standen, anderen Kindern nur zuschauten oder jüngere imitierten.

Als Charakteristika einer qualitativ höherwertigen Fremdbetreuung kristallisierten sich bei all den Untersuchungen vor allem folgende Faktoren heraus (a.a.O.):

  1. Gruppengröße: Es waren nicht mehr als 20 Drei- bis Vierjährige in einer Gruppe bzw. es kamen nicht mehr als 10 Kinder dieser Altersstufe auf eine Fachkraft. Bei älteren Kindern konnte die Gruppe größer sein.
  2. Ausbildung der Fachkräfte: Insbesondere eine gute Berufsausbildung war wichtig. Die Art und Dauer der vorausgegangenen Schulbildung sowie die Länge der Berufserfahrung erwiesen sich als zweitrangig.
  3. Kontinuität: Insbesondere für Kinder unter drei Jahren war die Konstanz in der Person der Fachkraft von großer Bedeutung. Bei (häufigem) Betreuerwechsel konnte die Bindungssicherheit beeinträchtigt werden.
  4. Verhalten der Fachkräfte: Neben den bereits genannten Verhaltensweisen wirkte sich z.B. positiv aus, wenn die Fachkräfte die Gefühle und den Denkstil der Kinder verstanden, ihnen respektvoll und akzeptierend gegenübertraten, ihnen viel Aufmerksamkeit zukommen ließen, ihnen viele Wahlmöglichkeiten gaben und eher nichtdirektive Vorschläge machten. Sie folgten klar definierten Erziehungszielen, förderten bewusst das Lernen der Kinder und ermutigten sie häufig.
  5. Curriculum: Wie bereits erwähnt, erwies sich ein gewisses Maß an Wochen- bzw. Rahmenplanung, an Strukturierung des Tages und an angeleiteten Beschäftigungen (zum Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten, zur Förderung der kognitiven Entwicklung, zur Stimulierung von Kommunikation und Kooperation) als positiv.
  6. Räumlichkeiten: Eine mittelgroße Fläche pro Kind war am besten - bei zuviel Platz spielten z.B. die Kinder oft allein, bei zu wenig Platz störten sie sich gegenseitig, nahmen Aggressivität und Lautstärke zu. Die Innen- und Außenräume sollten kindgemäß gestaltet und ausgestattet sein, besondere Aktivitäts- und Spielecken enthalten und eine gewisse Ordnung widerspiegeln. Wichtig war eine große Vielfalt altersentsprechender und entwicklungsfördernder Spielsachen, Materialien und Rollenspielrequisiten.

Schließlich spielten noch das Ausmaß der Elternbeteiligung, die Führungsfähigkeiten der Einrichtungsleitung, das Verhältnis der Teammitglieder untereinander, deren Einstellungen und die Anforderungen an die pädagogische Arbeit eine Rolle, die sich das Team selbst setzte (Cost, Quality, and Outcomes Study Team 1995; Podmore 1994).

Waren solche Qualitätsmerkmale gegeben, wurden größere Lernerfolge erzielt. Die Kinder entwickelten bessere Sprachfertigkeiten, zeigten mehr soziale Kompetenz, wiesen eher ein positives Selbstbild auf und hatten eher eine offene, herzliche Beziehung zu den Fachkräften. Sie waren gehorsamer, regulierten ihr eigenes Verhalten, waren rücksichtsvoller und konnten Konflikte eher selbst lösen. In der Schule erbrachten sie bessere Leistungen, kamen besser mit den Klassenkameraden zurecht und wiesen weniger Verhaltensauffälligkeiten auf (Hayes/Palmer/Zaslow 1990; Podmore 1994).

Im Gegensatz zu den Untersuchungen der ersten Forschungsphase wurden bei den Studien, deren Ergebnisse gerade zusammengefasst wurden, eher willkürlich ausgewählte Tageseinrichtungen erfasst, die von unterschiedlicher Qualität waren und in denen mehr Kinder aus unteren sozialen Schichten und Minderheiten betreut wurden. Auch wurden häufiger Längsschnittuntersuchungen durchgeführt. Unklar bleibt aber weiterhin, welche Bedeutung die einzelnen Qualitätsmerkmale haben (Effektstärke), wie sie zusammenwirken (Wechselbeziehungen) und wie sich die Veränderung einzelner Merkmale auf Aspekte der kindlichen Entwicklung auswirkt (Fehlen experimenteller Untersuchungen).

2.3 Einbeziehung von Familienfaktoren

In der dritten Forschungsphase wurde immer stärker die Herkunft der fremdbetreuten Kinder berücksichtigt. Es zeigte sich, dass Eltern mit einem höheren sozialen Status eher qualitativ bessere Betreuungsangebote für ihre Kinder aussuchten und die Qualität ihrer Erziehung höher war (sie kümmerten sich intensiver um ihre Kinder, förderten mehr deren Entwicklung und akzeptierten eher deren Individualität; zugleich wurden weniger Familienbelastungen und mehr Unterstützung durch das soziale Netzwerk ermittelt). Vor allem aber wurde deutlich, dass die Art der kognitiven, sozialen, Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern nur dann richtig beurteilt werden konnte, wenn sowohl die Qualität der Familienerziehung als auch die Qualität der Fremdbetreuung im Rahmen der Untersuchungen berücksichtigt wurden (Goelman/Pence 1987; Hayes/Palmer/Zaslow 1990). Familie und Tageseinrichtung bzw. Pflegeperson beeinflussen getrennt voneinander die kindliche Entwicklung, wobei die Einwirkungen einander verstärken, abschwächen oder kompensieren können.

Ferner wurde ermittelt, wie positiv sich eine gute Elternarbeit auswirkte, wenn diese die Familienerziehung und das Wohlbefinden der Eltern verbesserte, zu eher kindorientierten Einstellungen und altersentsprechenden Verhaltensweisen führte sowie Eltern zu häufigerem Spielen mit ihren Kindern bewegte. Dadurch wurde die kindliche Entwicklung von den Fachkräften indirekt beeinflusst.

"Und es erwies sich, dass qualitativ hochwertige Fremdbetreuung eine benachteiligende Familienumwelt kompensieren sowie die intellektuelle und soziale Entwicklung mancher Kinder besser fördern kann, als wenn diese zu Hause geblieben wären (McCartney et al. 1985; Ramey et al. 1985). Die kurzfristigen Nachteile für Kinder, die keine angemessene Betreuung erhalten, zeigen sich in einer Vielfalt negativer sozialer, emotionaler und kognitiver Entwicklungen, in Verhaltensauffälligkeiten und gesundheitlichen Problemen, insbesondere wenn sie aus armen oder desorganisierten Familien kommen. Die langfristigen Kosten, soweit sie dokumentiert wurden, umfassen eine schlechtere motorische Entwicklung, das vorzeitige Verlassen der Schule, ein niedriges Einkommen, antisoziale Verhaltensweisen und sogar Sozialhilfebedürftigkeit" (Hayes/Palmer/Zaslow 1990, S. 4). Eine gute Fremdbetreuung, insbesondere wenn diese eine intensive Elternarbeit mit Beeinflussung der Familienerziehung umfasste, konnte jedoch nachweislich eine derartige negative Entwicklung verhindern. Schließlich zeigte sich, dass eine qualitativ hochwertige Fremdbetreuung auch Kindern mit besonderen Bedürfnissen und ausländischen Kindern gerecht wurde und sie angemessen förderte (a.a.O.).

Alle bisherigen Untersuchungen konnten aber nicht der ganzen Komplexität des Zusammenspiels von Faktoren im Individuum (Kind), in der Familie, in der Tageseinrichtung und in der weiteren Umwelt gerecht werden. Beispielsweise bleibt offen, wie die Qualität der Fremdbetreuung (insbesondere der Elternarbeit) die Eltern-Kind-Interaktion oder familialen Stress beeinflusst, wie am ehesten der ethnischen Herkunft der Kinder Genüge getan wird und wie am besten Kindern mit besonderen Bedürfnissen, mit Verhaltensauffälligkeiten oder aus belastenden Familienverhältnissen (z.B. konflikthafte Ehebeziehung, Scheidung, Gewalt, Misshandlung) geholfen werden kann. Generell sollten mehr Längsschnittstudien (langfristige Folgen der Fremdbetreuung) durchgeführt werden, sind noch die verschiedenen pädagogischen Ansätze hinsichtlich ihrer Konsequenzen für die kindliche Entwicklung zu untersuchen.

3. Schlussbemerkung

Forschungsarbeiten zur Qualität der außerfamilialen Tagesbetreuung verdeutlichen, dass es sich hier um ein sehr komplexes Phänomen handelt: Die Qualität eines bestimmten Angebots für ein einzelnes Kind hängt vom Zusammenspiel einer Vielzahl von Variablen ab. Generell bedeutet eine hohe Qualität die ausbalancierte und positive Wechselwirkung optimal ausgeprägter Faktoren - ein "Mehr" an Ausbildung oder Berufserfahrung bei den Fachkräften, ein "Mehr" an Platzangebot oder Spielsachen, an Beschäftigungen oder Anleitung, an Körperkontakt usw. bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Qualität zunimmt: Das Maximum ist nicht gleichzusetzen mit dem Optimum. Bestrebungen nach Verbesserung von Betreuungsangeboten müssen dies berücksichtigen und das Zusammenspiel der verschiedenen Qualitätsdimensionen beachten.

4. Literatur

Clarke-Stewart, K.A.: Infant day-care - maligned or malignant? American Psychologist 1989, 44, S. 266-273

Clarke-Stewart, K.A.: Qualität der Kinderbetreuung in den Vereinigten Staaten von Amerika. In: Fthenakis, W.E./Textor, M.R. (Hg.): Qualität von Kinderbetreuung: Internationale Perspektiven. In Vorb.

Cost, Quality, and Outcomes Study Team: Cost, quality, and child outcomes in child care centers: key findings and recommendations. Young Children 1995, 50 (4), S. 40-44

Erwin, P.J./Sanson, A./Amos, D./Bradley, B.S.: Family day care and day care centres: carer, family and child differences and their implications. Early Child Development and Care 1993, 86, S. 89-103

Farquhar, S.-E.: Quality is in the eye of the beholder: the nature of early childhood centre quality. Dunedin: University of Otago 1991

Goelman, H./Pence, A.R.: Effects of child care, family, and individual characteristics on children's language development: the Victoria Day Care Research Project. In: Phillips, D.A. (Hg.): Quality in child care: What does research tell us? Washington: National Association for the Education of Young Children 1987, S. 89-104

Hayes, C.D./Palmer, J.L./Zaslow, M.J. (Hg.): Who cares for America's children. Child care policy for the 1990s. By Panel on Child Care Policy, Committee on Child Development Research and Public Policy, Commission on Behavioral and Social Sciences and Education, National Research Council. Washington: National Academy Press 1990

Katz, L.G.: Early childhood programs: multiple perspectives on quality. Childhood Education 1992, 69 (2), S. 66-71

McCartney, K./Scarr, S./Phillips, D./Grajek, S.: Day care as intervention: comparisons of varying quality programs. Journal of Applied Developmental Psychology 1985, 6, S. 247-260

Phádraig, M.N.G.: Day care - adult interests versus children's needs? A question of compatibility. In: Qvortrup, J./Bardy, M./Sgritta, G./Wintersberger, H. (Hg.): Childhood matters. Social theory, practice and politics. Aldershot: Avebury 1994, S. 77-100

Podmore, V.N.: Early childhood education and care: a summary review of the outcomes of inadequate provision. Wellington: New Zealand Council for Educational Research 1994

Ramey, C.T./Bryant, D.M./Suarez, T.M.: Preschool compensatory education and the modifiability of intelligence: a critical review. In: Detterman, D. (Hg.): Current topics in human intelligence. Norwood: Ablex 1985

5. Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de