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Zitiervorschlag

Familien mit alkoholkranken oder drogensüchtigen Mitgliedern

Martin R. Textor


In der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 2,65 Millionen Kinder mit mindestens eínem alkoholkranken Elternteil zusammen (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2020). Heute wird davon ausgegangen, dass Alkoholismus genetisch mitbedingt ist - viele Eltern oder Geschwister von Alkoholikern sind ebenfalls alkoholkrank. Während sich der Alkoholmissbrauch zunächst verheimlichen lässt oder noch von Kollegen und anderen Netzwerkmitgliedern toleriert wird, treten mit fortschreitender Sucht immer mehr negative Folgen ein. So verlieren manche Alkoholkranke ihren Arbeitsplatz, was zu großen finanziellen Problemen für ihre Familien führen kann. Einige werden kriminell oder verursachen Unfälle, sodass es oft zu einer Verhaftung kommt. Aber auch ihre Hospitalisierung (Entziehungskur) kann eine längere Trennung von ihrer Familie mit sich bringen. Alkoholismus kann ferner zu somatischen Krankheiten (zum Beispiel chronische Magenentzündung, Fettablagerung in der Leber), Verletzungen, Bewusstseinsveränderungen und psychischen Störungen führen. In späteren Phasen des Alkoholismus kommt es manchmal auch zur Auflösung der Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern.

Zumeist steht der Alkoholmissbrauch eines Elternteils im Mittelpunkt des Familienlebens, bietet fortwährend Gesprächsstoff und bestimmt das Verhalten aller Familienmitglieder. In der Regel sind gemeinsame Mahlzeiten selten, unternehmen die Mitglieder nur wenig miteinander, wird die Freizeit kaum aktiv gestaltet. Oft leidet die Familie unter einer Vielzahl von Stressoren, zu denen auch chaotische Wohnverhältnisse, Abhängigkeit von Sozialhilfe, ständige Spannungen und Mangel an Kommunikation gehören können. Viele Alkoholkranke beherrschen ihre Familie, indem sie stark und tyrannisch oder schwach und hilflos agieren beziehungsweise fortwährend zwischen den beiden Extremen wechseln. Durch dieses Verhalten erzwingen sie bestimmte Reaktionen von ihren Angehörigen. Häufig halten Alkoholiker aber auch ihre Familie zusammen, indem sie durch den Alkoholmissbrauch von Krisen und Konflikten ablenken oder ein konfliktvermeidendes Verhalten ermöglichen. Zu einer Stabilisierung tragen ferner die in Familien von Alkoholkranken zu beobachtenden voraussagbaren und rigiden Interaktionsmuster bei. Zudem führt Alkoholismus zu verstärktem Zusammenhalt der nicht alkoholkranken Familienmitglieder und zur Abgrenzung gegenüber der Umwelt (Isolation der Familie).

Da Alkoholkranke (vor allem in fortgeschrittenen Stadien) die Verantwortung für ihre Familie nicht mehr tragen können, muss sie oft von ihren Partnern übernommen werden. Für viele Ehefrauen bedeutet das auch, dass sie wieder erwerbstätig werden und die Versorgung der Familie sicherstellen müssen - mit der Folge, dass die alkoholkranken Partner von ihnen abhängig werden und an Selbstbewusstsein verlieren. In diesen Fällen sind viele Ehefrauen unbewusst an einer Aufrechterhaltung des Status quo interessiert. Einerseits gewinnen sie durch die angedeutete Entwicklung an Macht, andererseits bildet sich zwischen ihnen und ihren Kindern vielfach eine besonders enge Beziehung aus. Häufig erfahren sie auch die Sympathie von Verwandten und Freunden, wodurch sie ihre Situation leichter ertragen können. So wird auch verständlich, wieso sie oft den Alkoholismus ihrer Partner fördern, indem sie zum Beispiel alkoholische Getränke kaufen ("Co-Abhängigkeit"). Ferner lässt sich erklären, weshalb manche Witwen von Alkoholikern wieder einen Alkoholkranken heiraten. In anderen Fällen - insbesondere wenn es zu häufigen Ehekonflikten und zu Gewaltanwendung in der Ehe kommt - reichen die Partner von Alkoholkranken jedoch nach einer gewissen Zeit die Scheidung ein.

Wird (zunächst) versucht, die Alkoholabhängigkeit den Kindern gegenüber zu verheimlichen, entsteht in den betroffenen Familien leicht eine Atmosphäre der Verlogenheit und Täuschung. Die Heimlichtuerei lässt sich jedoch nur für einen mehr oder minder kurzen Zeitraum durchhalten. Dann werden die Kinder mit dem schlechten Verhaltensmodell ihrer Eltern konfrontiert. Sie reagieren auf den alkoholkranken Elternteil vielfach mit Ablehnung, Abscheu oder Angst und erleben Spannungen, Disharmonie und Ambiguität in der Beziehung zu ihm. Oft leiden sie unter Vernachlässigung, einem wechselhaften Erziehungsstil, physischer Misshandlung oder sexuellem Missbrauch. Viele Kinder alkoholkranker Eltern wirken unsicher, ängstlich, traurig, depressiv, verärgert oder verschlossen, haben ein negatives Selbstbild, fühlen sich verlassen und einsam. Da sie fortwährend Abweichungen von der Norm erleben, betrachten sie ihre Familie als anormal und schämen sich ihrer. Aus diesem Grunde bringen sie auch ihre Freunde nicht mit nach Hause.

Viele Kinder alkoholkranker Eltern übernehmen in ihren Familien Rollen wie die des "Familienoberhauptes" (ist verantwortlich für den Haushalt und die Erziehung jüngerer Geschwister), des "Familienhelden" (strebt nach Erfolg und Anerkennung), des "unsichtbaren Kindes" (ist in sich zurückgezogen, fühlt sich einsam), des "Sündenbocks" oder des "Familienclowns" (ist unreif, verletzlich und charmant). Aufgrund der Familienverhältnisse, vorgeburtlicher Schädigungen oder der mangelnden kognitiven Stimulation bleiben ihre Schulleistungen vielfach hinter ihren Fähigkeiten zurück; sie müssen relativ häufig eine Klasse wiederholen. Oft entwickeln sie Symptome wie generalisierte Beziehungsstörungen, Hyperaktivität, Aggressivität, Apathie, Schlafstörungen, Einnässen und andere Verhaltensauffälligkeiten. Manche laufen auch von daheim weg oder werden delinquent. Generell sind die negativen Wirkungen, die aus dem Aufwachsen in einer Familie mit einem alkoholkranken Elternteil resultieren, weniger stark, wenn das Verhältnis zum anderen Elternteil oder weiteren erwachsenen Bezugspersonen sehr gut ist oder wenn intensive positive Einflüsse von dem Netzwerk, der Schule oder anderen sozialen Einrichtungen ausgehen.

Auch als Erwachsene leiden viele Kinder alkoholkranker Eltern noch unter den Nachwirkungen des Aufwachsens unter den skizzierten Bedingungen. So suchen sie zum Beispiel fortwährend nach Zustimmung und Bestätigung durch Dritte, handeln, ohne vorher über die Konsequenzen ihres Verhaltens nachzudenken, und reagieren oft extrem auf Veränderungen. Sie nehmen sich sehr ernst, beurteilen sich selbst nach strengen Maßstäben und können nur schwer Freude empfinden. Viele sind beruflich wenig erfolgreich, leiden unter Alpträumen, essen zwanghaft oder berichten von psychosomatischen Beschwerden. Da sie nicht gelernt haben, was "normales" Verhalten ist, benehmen sie sich häufig auffällig. Auch erleben sie in intimen Beziehungen große Schwierigkeiten, die zu Ehekonflikten führen und mit einer Scheidung enden können. Da sie jedoch gelernt haben, abweichendes Verhalten zu akzeptieren, heiraten sie oft Alkoholiker oder Personen mit anderen psychischen Störungen. Rund 30% der Kinder alkoholkranker Eltern missbrauchen später selbst Alkohol - wobei dieses Forschungsergebnis für beide Geschlechter gleichermaßen gilt (Salloch-Vogel 1987).

Natürlich stammen nicht alle alkoholgefährdeten jungen Menschen aus Familien mit einem alkoholkranken Elternteil. Laut einer für den Freistaat Bayern repräsentativen Umfrage von 1984 (Bayerisches Staatsministerium des Innern/Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung 1986) kommen sie auch überdurchschnittlich häufig aus unvollständigen Familien, haben die Trennung oder Scheidung ihrer Eltern vor dem 12. Lebensjahr erlebt. Vielen fehlte daheim ein echter Gesprächspartner. Alkoholgefährdete Jugendliche berichteten bei der vorgenannten Befragung zudem häufiger von starken Spannungen zwischen ihnen und ihren Eltern. Vor allem das Verhältnis zu den Vätern wurde als schlecht bezeichnet und deren Verhalten als autoritär oder labil beschrieben. Abschließend ist noch zu erwähnen, dass nach dieser Umfrage die Zahl jugendlicher Alkoholkonsumenten zwischen 1973 und 1984 (im Freistaat Bayern) stark zurückgegangen ist. Es galten jedoch weiterhin knapp 7% aller Jugendlichen als alkoholgefährdet.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung (2020) berichtete, dass 2018/19 rund 9,0% aller 12- bis 17-Jährigen und 32,3% aller 18- bis 25-Jährigen regelmäßig Alkohol konsumierten. Rauschtrinken trat bei 14,7% bzw. 40,6% auf. Als alkoholabhängig galten 3,4% aller Erwachsenen; 13,0% wiesen einen riskanten Alkoholkonsum auf.

Familien mit drogensüchtigen Mitgliedern

Laut der Drogenbeauftragten der Bundesregierung (2020) hatten 2018/2019 in den letzten 12 Monaten 8,1% der 12- bis 17-Jährigen und 24,1% der 18- bis 25-Jährigen Cannabis konsumiert - bei Amphetaminen waren es 0,3 bzw. 2,8%, bei Ectasy 0,5 bzw. 3,6%, bei Kokain 0,2 bzw. 2,9% und bei LSD 0,2 bzw. 1,5%. 

Jugendliche mit Drogenerfahrung stammen überdurchschnittlich oft aus unvollständigen Familien, werden mehr von Verwandten als von ihren Eltern erzogen oder wachsen in Heimen auf. Viele bezeichnen ihre Beziehung zum Vater als schlecht beziehungsweise sehr schlecht. Sie sehen ihren Vater als streng und autoritär oder als bedrohlich und aggressiv an. Auch nannten sie seltener ihre Eltern als Vertrauenspersonen. Empfindungen sowie das Vorbild von Freunden als Motive für den Drogenmissbrauch.

Viele spätere Drogenabhängige scheitern in der Jugend an altersspezifischen Entwicklungsaufgaben, da ihnen die notwendigen Kompetenzen fehlen. Diese konnten sie sich oft aufgrund einer gestörten Kindheit nicht aneignen. Aufgrund ihrer Misserfolgserlebnisse fühlen sie sich häufig als Versager, entwickeln ein negatives Selbstbild und halten sich für unfähig. Durch den Missbrauch von Drogen können sie schmerzhafte Emotionen, Selbstzweifel, deprimierende Gedanken usw. betäuben und Probleme verdrängen. Zudem können sie auf diese Weise altersgemäßen Anforderungen ausweichen und sich Leistungserwartungen entziehen.

Viele spätere Drogenabhängige versagen im Jugendalter auch beim Aufbau befriedigender Beziehungen zu Gleichaltrigen, insbesondere zu Personen des anderen Geschlechts. So fühlen sie sich vielfach einsam und frustriert, leiden unter sexuellen Problemen und erleben Kontakte zu anderen Menschen als oberflächlich. Durch den Missbrauch von Drogen können sie einer Auseinandersetzung mit dieser Situation ausweichen. Zudem wird ihr Geschlechtstrieb geschwächt. Durch die Verwendung von Drogen bringen sie ferner Aufregung und Abwechslung in ihr tristes Leben. Vielfach ist ihr Verhalten aber auch ein Zeichen von Selbstaggression.

Spätere Drogenabhängige wachsen häufig in Familien auf, in denen Kommunikationsprozesse gestört sind und die Mitglieder das Familienleben als langweilig empfinden, Gefühle nicht ausdrücken dürfen und sich voneinander entfremdet haben. Viele Eltern (und Geschwister) missbrauchen alkoholische Getränke oder Medikamente und sind somit für ihre Kinder ein schlechtes Vorbild. Oft stehen sie deren Experimenten mit Suchtmitteln gleichgültig gegenüber oder nehmen sie aufgrund von Verdrängungsprozessen nicht bewusst wahr. Die meisten Eltern machen weder sich selbst noch ihr Kind für den Drogenmissbrauch verantwortlich, sondern schreiben die Schuld Dritten (einschließlich dem Ehepartner) zu. Da sie davon ausgehen, dass der Drogenabhängige sein Verhalten nicht kontrollieren kann, bekämpfen sie es nicht auf wirksame Weise, machen Drohungen nicht wahr, erwarten bei Phasen der Abstinenz einen baldigen Rückfall (sich selbst erfüllende Prophezeiung) oder fördern sogar den Drogenmissbrauch, indem sie ihrem Kind Geld geben, damit es nicht stehlen oder der Beschaffungsprostitution nachgehen muss.

Zumeist haben sich die Eltern von (späteren) Drogenabhängigen voneinander entfremdet, ist ihre Ehebeziehung gestört. Oft verwickelt der gegengeschlechtliche Elternteil das Kind in eine symbiotische Beziehung und macht es zum Ersatzpartner. Indem er es überbehütet und verwöhnt, verhindert er dessen Weiterentwicklung und die Ausbildung von Selbständigkeit, Autonomie und Leistungsbereitschaft. Vielfach kommt es auch zu inzestuösen Beziehungen. Der gleichgeschlechtliche Elternteil des Kindes nimmt häufig eine Randposition in der Familie ein, da er von der symbiotischen Dyade ausgeschlossen wird und bei Konflikten immer auf ein Bündnis zwischen seinem Partner und dem (späteren) Drogenabhängigen stößt. So hat er wenig Macht in der Familie, kann das Kind nicht disziplinieren (da dieses von dem anderen Elternteil geschützt wird) und trifft bei seinen Erziehungsbemühungen auf den Widerstand seines Partners. Er zieht sich dann häufig aus seiner Familie zurück und verhält sich dem (später drogenabhängigen) Kind gegenüber gleichgültig oder feindselig. Aufgrund der skizzierten Situation kommt es auch nur selten zur Zusammenarbeit der Eltern bei der Bekämpfung des Drogenmissbrauchs.

Unter diesen Umständen werden die Selbstdifferenzierung, Individuation und Ablösung des späteren Drogenabhängigen zu behindert. Er wird unzureichend auf die Entwicklungsaufgaben des Jugendalters vorbereitet; sein Versagen ist somit vorprogrammiert. Zumeist kann er sich aus der symbiotischen Beziehung nicht lösen: Da er der Lebensinhalt des gegengeschlechtlichen Elternteils ist, rufen derartige Bestrebungen Ängste, Depressionen und Selbstmordgedanken hervor, die er unbewusst erspürt und die zu starken Schuldgefühlen führen. Zudem bemüht sich dieser Elternteil, das Kind an sich zu binden, indem er zum Beispiel an dessen Loyalität appelliert. Durch den Missbrauch von Suchtmitteln versucht der Drogenabhängige, diesen Konflikt zwischen Bindung und Selbstdifferenzierung zu lösen - so beweist er einerseits seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit, indem er sich gegen den Willen seiner Eltern in der Drogenszene aufhält, und ermöglicht andererseits dem gegengeschlechtlichen Elternteil durch seine Inkompetenz und Hilfsbedürftigkeit, ihn weiterhin zu versorgen und zu behüten. Auf diese Weise erfüllt der Drogenmissbrauch bestimmte Funktionen für beide Seiten, die deshalb an der Aufrechterhaltung des Status quo interessiert sind ("Co-Abhängigkeit"). Übrigens ist die zuvor beschriebene Dynamik auch in Familien Alleinerziehender zu finden - so stammen Drogenabhängige überdurchschnittlich oft aus unvollständigen Familien. In diesen Fällen kann der Drogenmissbrauch aber ebenfalls dem Bekämpfen von Trauer, Schmerz und Verlustgefühlen dienen, die aus dem Erleben der Scheidung der Eltern oder des Todes eines Elternteils resultieren. Ferner gleiten manche Kinder Alleinerziehender in die Drogenszene ab, da sie vernachlässigt und zu wenig beaufsichtigt wurden.

In anderen Fällen erfüllt die Drogenabhängigkeit die Funktion, die Herkunftsfamilie zusammenzuhalten. Einerseits handelt es sich hier um emotional "tote" Familien, in denen die Mitglieder isoliert sind und kaum miteinander reden. Oft ist der Drogenmissbrauch das einzige Gesprächsthema; er sorgt gewissermaßen für Aufregung und gibt den Eltern wenigstens etwas Lebensinhalt. Da diese in der Sorge um ihr Kind geeint sind, wird die Gefahr des Zerfalls der Familie gebannt. Andererseits handelt es sich hier um Familien, in denen es häufig zu Ehekonflikten kommt und die Ehepartner mit dem Gedanken an eine Trennung spielen. Durch den Drogenmissbrauch eines Kindes werden sie von ihren Eheproblemen abgelenkt und zur Zusammenarbeit gezwungen. Besteht die Gefahr einer Trennung nicht mehr, wird der Drogenabhängige oft wieder abstinent. Kommt es erneut zu Ehekonflikten, ist ein Rückfall nahezu vorprogrammiert.

Heiraten Drogenabhängige, so ersetzt in manchen Fällen der Partner den symbiotischen Elternteil, indem er eine sehr enge Beziehung zu dem Drogenabhängigen eingeht, ihn verwöhnt und ihn überbehütet. In anderen Fällen ist er ebenfalls suchtkrank. Wird eine drogenabhängige Frau schwanger, so stellt sie oft ihre Ernährung nicht um, geht nicht regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen und bereitet sich kaum auf die Geburt vor. Deswegen und infolge des schlechten Gesundheitszustandes der Mutter kommt es bei der Geburt häufig zu Komplikationen. Vielfach wird das Kind auch drogenabhängig geboren, ist behindert oder mit AIDS infiziert.

Viele Säuglinge werden von ihren drogenabhängigen Eltern nur unregelmäßig versorgt und wenig stimuliert. Oft bleiben ihre Bedürfnisse unbefriedigt. Kleinkinder und ältere Kinder werden häufig vernachlässigt, hinsichtlich ihrer Entwicklung kaum gefördert und nur selten zu guten Schulleistungen angehalten. Vielfach ist der Erziehungsstil ihrer Eltern inkonsistent oder autoritär. Sie machen von Anweisungen, Drohungen und harten Strafen Gebrauch oder misshandeln ihre Kinder. Deshalb kommt es oft zu Verzögerungen und Störungen in der kognitiven, emotionalen und Sprachentwicklung. Die Kinder sind häufig unangepasst, leiden unter psychosozialen Problemen und Verhaltensstörungen, erbringen schlechte Schulleistungen oder wachsen in Heimen und Sondereinrichtungen auf. Laut der Drogenbeauftragten der Bundesregierung (2020) wachsen in Deutschland zwischen 40.000 und 60.000 Kinder unter solchen Bedingungen auf.

Anmerkung

Trotz der neueren statistischen Daten sollte beachtet werden, dass der Artikel aus dem Jahr 1991 stammt.

Literatur

Bayerisches Staatsministerium des Innern/Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung: Alkohol, Drogen, Medikamente, Tabak. Jugend fragt Jugend. München 1986

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Jahresbericht 2020. Berlin 2020

Salloch-Vogel, R.-R.: Erwachsene Kinder suchtkranker Eltern: Was wird aus diesen Kindern? In.: Brakhoff, J. (Hrsg.): Kinder von Suchtkranken. Situation, Prävention, Beratung und Therapie. Freiburg 1987, S. 11-24

Textor, M. R.: Drogensucht und Familie. Familiendynamik 1989, 14, S. 13-26, https://www.ipzf.de/drogensucht.html

West, M. O./Prinz, R. J.: Parental alcoholism and childhood psychopathology. Psychological Bulletin 1987, 102, S. 204-218

Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de