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Zitiervorschlag

Sprachförderung im Elementarbereich: Was - wann - wie fördern?

Minja Dubowy und Andreas Gold

 

Die Förderung der sprachlichen Entwicklung gilt heute unumstritten als eine der zentralen Aufgaben der vorschulischen Förderung überhaupt. Unter Fachleuten aus Forschung und Praxis herrscht Einigkeit darüber, dass die kompetente Beherrschung der deutschen Sprache eine Schlüsselqualifikation für das schulische Lernen und damit für den Bildungserfolg, aber auch für die gesellschaftliche Integration von Kindern und Jugendlichen darstellt. Vor allem durch die internationalen Schulleistungsstudien (z.B. Baumert/ Schümer 2001; Schwippert et al. 2007) und die darin deutlich gewordenen Nachteile von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem geriet die Sprachförderung im letzten Jahrzehnt in den Fokus der Öffentlichkeit. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland mittlerweile mehr als jedes dritte Kind unter sechs Jahren einen Migrationshintergrund aufweist (Statistisches Bundesamt 2013), nimmt die Bedeutung von Sprachförderung ständig zu. Ein Großteil dieser Kinder erwirbt Deutsch als Zweitsprache, nicht selten kommen sie in den frühkindlichen Bildungseinrichtungen erstmals in Kontakt mit der deutschen Sprache (Nicht eingegangen wird im Folgenden auf Kinder mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen - etwa 6-8% eines Jahrgangs -, die besonderer individueller Fördermaßnahmen bedürfen).

Entsprechend wurden in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen zur Sprachförderung ins Leben gerufen und Expertisen zur Dokumentation des Forschungsstands erarbeitet (z.B. Jampert et al. 2007; Ehlich/ Bredel/ Reich 2008; Lisker 2011; Redder et al. 2011; Lengyel 2012). In der Folge gibt es heute eine fast unüberschaubare Flut an Empfehlungen, Handreichungen, Förderprogrammen und Diagnoseinstrumenten. Alle diese Maßnahmen sind zwar gut gemeint; über ihre Wirksamkeit wissen wir aber oft viel zu wenig.

Die förderwilligen Fachkräfte in der Praxis stehen daher oft vor der Frage: Was, wann und vor allem wie sollen wir fördern?

Allgemeine Merkmale von Sprachförderung

Sprachförderung in Kindertagesstätten geschieht auf vielerlei Weise, zum einen explizit durch den Einsatz spezifischer Fördermaßnahmen, zum großen Teil aber implizit durch die alltägliche Kommunikation zwischen den Erzieher/innen und den Kindern sowie zwischen den Kindern untereinander. Gerade bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, die oft vor dem Besuch der Kindertagesstätte nur unzureichende Erfahrungen mit der deutschen Sprache sammeln konnten, ist dieses "Sprachbad" besonders wichtig. Aber auch deutschsprachig aufwachsende Kinder aus sogenannten "bildungsfernen" Elternhäusern, die in ihren Familien nicht selten ebenfalls eine eher anregungsarme Sprachumwelt erleben, profitieren von einem reichhaltigen sprachlichen Angebot im Kindergartenalltag (vgl. Gold/ Dubowy 2013).

Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen ganzheitlich orientierten Ansätzen, welche die alltagsintegrierte Sprachförderung betonen, und sprachwissenschaftlich (linguistisch) begründeten Förderprogrammen, deren Schwerpunkt meist auf der expliziten Zusatzförderung, vornehmlich in Kleingruppen, liegt (Jampert et al. 2007). Während bei der alltagsintegrierten Förderung eher situationsorientiert vorgegangen wird, werden bei der Durchführung spezifischer Fördereinheiten deren Inhalte in der Regel (aber nicht zwangsläufig!) von der Sprachförderkraft vorher festgelegt.

Viele aktuelle Sprachförderansätze vereinen aber beide Förderprinzipien, so dass alltagsintegrierte Sprachförderung im Gruppenalltag und explizite Förderung in gezielten Fördereinheiten heute nicht mehr als sich ausschließende Gegenpole zu sehen sind, sondern sich in der Regel sehr gut ergänzen. Ein umfassender Überblick über die derzeit in Deutschland verfügbaren Förderprogramme und ihre theoretische Verankerung sowie die Zielgruppen, für die sie geeignet sind, findet sich bei Jampert und Kollegen (2007).

Grundprinzipien und Inhalte von Sprachfördermaßnahmen

Eine besondere Rolle bei der Sprachförderung spielen so genannte inszenierte Sprachlernsituationen (ausführlich: Knapp/ Kucharz/ Gasteiger-Klicpera 2010; Ruberg/ Rothweiler 2012). Sie können sowohl im Gruppenalltag als auch im Rahmen expliziter Fördereinheiten realisiert werden. Beispiele für Sprachlernsituationen sind z.B. das gemeinsame Vorlesen oder Anschauen von Bilderbüchern, das Singen oder Sprechen von Liedern und Versen, das abwechselnde Erzählen lassen der Kinder im Stuhlkreis, aber auch die Durchführung expliziter Sprachlernspiele oder -übungen.

Ansatzpunkte einer Sprachförderung können alle Bereiche der Sprache sein. In der Praxis fokussiert die Sprachförderung zumeist auf die folgenden vier Bereiche:

  • Lexikon/ Semantik (Bedeutung von Wörtern)
  • Morphologie/ Syntax (Regeln der Wort- und Satzbildung)
  • Pragmatik (sprachliche Kommunikation und soziales Sprechhandeln)
  • Literalität (früher Umgang mit Schrift)

Selten konzentrieren sich Fördermaßnahmen ausschließlich auf nur einen dieser Bereiche, denn die Ausbildung syntaktischer, semantischer und kommunikativer Kompetenzen ist in der Regel stark miteinander verschränkt.

Als Grundvoraussetzung für den Erfolg jeder Fördermaßnahme gilt eine lernförderliche Umgebung, die vor allem durch eine angstfreie, freundliche und respektvolle Atmosphäre und ein spielerisches Umsetzen der Inhalte geprägt ist. Dabei sollen die Kinder nicht in eine passiv-rezeptive Rolle gedrängt werden, sondern möglichst viel selbst sprechen können. Wichtig ist, dass wirklich alle Kinder in der Gruppe regelmäßig zu Wort kommen. Die Förderung und Unterstützung der Freude am Sprechen und Kommunizieren ist eines der Hauptziele jeder Fördermaßnahme; daher sollten die Kinder für jede sprachliche Äußerung bestärkt und ermutigt werden. Bei jüngeren Kindern hat es sich bewährt, möglichst vielfältige Methoden und Materialien einzusetzen und verschiedene Aktivitätsformen, vor allem auch Bewegungsspiele, zu nutzen, um das Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit zu erleichtern.

Additive Sprachförderung

Explizite Sprachförderung als Zusatzangebot für Kinder mit sprachlichen Defiziten findet in der Regel in Kleingruppen statt. Fachleute empfehlen hier eine Gruppengröße von etwa vier bis sechs Kindern, damit alle Kinder ausreichend zu Wort kommen können. Diese Zahl wird in der Praxis allerdings häufig überschritten (Gold/ Schulz 2014; Roos/ Polotzek/ Schöler 2010).

Bei der Gruppeneinteilung stehen die Fachkräfte vor der entscheidenden Frage: Welche Kinder sollen (angesichts der in der Regel beschränkten Kapazitäten) für die zusätzliche Sprachförderung ausgewählt werden? Die korrekte Identifikation von Kindern mit sprachlichen Defiziten stellt eine zentrale Voraussetzung erfolgreicher Sprachförderung dar. Hierzu ist eine sorgfältige Diagnostik unbedingt notwendig, damit auch wirklich die Kinder in den Genuss einer Förderung kommen, die sie tatsächlich benötigen.

Zur Erhebung des kindlichen Sprachstands steht eine Reihe von Screening-Verfahren und standardisierten Testverfahren zur Verfügung; darüber hinaus kommt eine Vielzahl nicht-standardisierter Tests oder Beobachtungsinstrumente zum Einsatz (zur Übersicht und Diskussion des aktuellen Vorgehens zur Sprachstandsdiagnostik vgl. Fried 2004; Lisker 2011; Neugebauer/ Becker-Mrotzek 2013). Viele Sprachförderprogramme enthalten eigene Verfahren zur Sprachstandserhebung.

Aus ökonomischen Gründen sehen viele Fachleute heute von der noch vor wenigen Jahren verbreiteten Empfehlung flächendeckender Sprachscreenings bei allen Kindern wieder ab. Stattdessen wird empfohlen, Verfahren zur Erhebung des Sprachstands nur bei den Kindern durchzuführen, bei denen ein erhöhtes Risiko für sprachliche Defizite vorliegt, sei es durch Mehrsprachigkeit oder andere diesbezügliche Hinweise (Gold/ Schulz 2014).

Dabei ist zu beachten, dass die meisten der vorliegenden diagnostischen Verfahren ursprünglich für einsprachig aufwachsende Kinder entwickelt wurden und die besonderen Bedingungen mehrsprachiger Kinder nicht berücksichtigen. Eine der wenigen Ausnahmen stellt hier das Verfahren LiSe-DaZ (Schulz/ Tracy 2011) dar, das die Sprachkompetenz des Kindes in Relation zu seiner Kontaktdauer zur deutschen Sprache setzt und daher für mehrsprachige Kinder besonders geeignet ist.

An die Diagnostik schließt sich das Erstellen individueller Förderpläne an, in denen möglichst konkrete Ziele sowie die hierzu erforderlichen Maßnahmen präzise formuliert sein sollten. Während des Förderzeitraums sollte eine fortlaufende Dokumentation der Lernfortschritte erfolgen.

Evaluierte Förderprogramme sind z.B. die Programme "Sprachliche Frühförderung" (Tracy 2003), "KonLab" (Penner 2003) und "Deutsch für den Schulstart" (Klages/ Kaltenbacher 2012). Alle drei Programme sehen additive Sprachförderung in Kleingruppen vor, unterscheiden sich jedoch im Ausmaß ihrer Vorstrukturierung. Während das Programm "Sprachliche Frühförderung" den Förderkräften relativ großen Gestaltungsspielraum in der Umsetzung bietet, sind die beiden anderen Programme stärker vorstrukturiert. Beides hat Vor- und Nachteile: Bei weniger strikten Vorgaben haben die Förderkräfte die Möglichkeit, ganz individuell auf den Entwicklungsstand und auf die spezifischen Defizite der Kinder einzugehen und ihnen passgenau darauf zugeschnittene Interaktionen zu ermöglichen. Andererseits stellt die eigenständige Umsetzung allgemeiner Vorgaben sehr hohe Anforderungen an die Förderkräfte. Personen mit wenig Erfahrung im Sprachförderbereich fühlen sich daher in der Regel mit einem stärker vorstrukturierten Programm sicherer.

Ein tragendes Element aller drei Programme ist eine intensive Schulung der das Programm durchführenden Erzieher/innen in den theoretischen Grundlagen der Sprachentwicklung. Problematisch ist allerdings in allen Fällen der hohe zeitliche und personelle Aufwand der Programmdurchführung. Wie stets beim Einsatz aufwändiger Zusatzprogramme für ausgewählte Kinder stellt sich die Frage, ob dieser Aufwand angesichts der vielfältigen pädagogischen Aufgaben der Fachkräfte und der oftmals angespannten personellen Situation in den Einrichtungen vertretbar und realistisch zu leisten ist, oder ob dies nicht unter Umständen zulasten der Arbeit mit der Gesamtgruppe gehen kann.

Empirische Befunde zur Wirksamkeit von Sprachförderprogrammen

Fast alle wissenschaftlichen Expertisen zur vorschulischen Sprachförderung in Deutschland beklagen einen Mangel an empirischer Forschung zur Wirksamkeit von Sprachfördermaßnahmen (z.B. Jampert et al. 2007; Kany 2007; Lisker 2011; Mercator Institut 2013). Obwohl mittlerweile fast überall Maßnahmen zur Sprachförderung durchgeführt werden, gibt es immer noch kaum aussagekräftige Studien zu ihrer Effektivität. Oft wird auf eine Überprüfung der Wirksamkeit ganz verzichtet, entweder weil die Maßnahmen intuitiv als plausibel gelten oder weil sie aufgrund des öffentlichen Handlungsdrucks bereits eingesetzt werden, bevor ihre Entwicklung abgeschlossen ist und ihre Durchführung erprobt werden konnte.

Zwei der wenigen empirischen Studien zur Effektivität spezifischer Sprachförderprogramme wurden im Rahmen des Projekts "Sag' mal was" der Baden-Württemberg-Stiftung (2011) durchgeführt. Im Rahmen dieses Projekts wurden in den Jahren 2002 bis 2010 insgesamt 39 Millionen Euro zur Entwicklung von Materialien zur Sprachstandsdiagnostik und Sprachförderung sowie für Maßnahmen zur Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte eingesetzt. Die wissenschaftliche Begleitforschung umfasste zwei Studien zur Effektivität von Sprachförderprogrammen im letzten Vorschuljahr. Eine davon - die Studie "EVAS - Evaluation von Sprachförderung bei Vorschulkindern" - untersuchte an einer Stichprobe von 544 Kindern die Effektivität der drei linguistisch orientierten Programme "Deutsch für den Schulstart", "Kon-Lab" und "Frühe Sprachförderung" (Roos/ Polotzek/ Schöler 2010). Evaluiert wurden die zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Versionen der Programme, die z.T. inzwischen überarbeitet wurden.

Die Ergebnisse dieser Studie fielen ernüchternd aus: Nach Abschluss der Fördermaßnahmen zeigten sich keine Unterschiede in den Sprachkompetenzen förderbedürftiger Kinder, ganz gleich, ob sie mit einem der drei spezifischen Förderprogramme oder "nur" unspezifisch im Kindergartenalltag gefördert worden waren. Sowohl die spezifisch geförderten Kinder als auch die alltagsintegriert geförderten Kinder einer Kontrollgruppe zeigten über den Förderzeitraum hinweg Leistungsverbesserungen, erreichten jedoch in keinem der untersuchten Sprachbereiche nach Abschluss der Maßnahmen das Niveau jener Kinder ohne Förderbedarf.

Auch in der zweiten Evaluationsstudie, einer Untersuchung der PH Weingarten, zeigten sich keine nachhaltigen Effekte der Sprachförderung im Rahmen des Projekts "Sag' mal was" auf die kindlichen Sprachkompetenzen (Gasteiger-Klicpera/ Knapp/ Kucharz, 2011).

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen zwei weitere Evaluationsstudien in Hessen ("DACHS - Deutsch-Sprachförderung vor der Schule"; Sachse et al. 2012) und in Brandenburg ("EkoS- Evaluation der kompensatorischen Sprachförderung"; Wolf/ Stanat/ Wendt 2011). Auch hier zeigten sich, wenn überhaupt, nur kurzfristige Effekte der Förderung und keine Vorteile strukturierter Programme gegenüber ganzheitlicher Förderung.

Bedeutet dies nun, dass strukturierte Sprachförderprogramme wirkungslos sind? Nicht unbedingt, denn einiges deutet darauf hin, dass die Programme oft nicht so durchgeführt wurden, wie von den Autor/innen geplant, vor allem was die Intensität der Förderung betrifft (Schöler/ Roos 2011). Zudem waren die Fördergruppen mit 9 bis 12 Kinder sehr groß und der Förderzeitraum lag relativ spät (im letzten Jahr vor der Einschulung). Eine früher ansetzende Förderung in kleineren Gruppen verspricht möglicherweise bessere Erfolge. Folglich ist nicht auszuschließen, dass die Wirkung der Sprachfördermaßnahmen in den genannten Studien unterschätzt wurde (Kucharz et al. 2011; Tracy 2011).

Ansätze zur Verbesserung der sprachlichen Umwelt in den Kitas durch Schulung der Fachkräfte

Die Forderung nach einer besseren Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte in den Bereichen der kindlichen Sprachentwicklung, -diagnostik und -förderung gehört zu den zentralen Schlussfolgerungen aller einschlägigen Expertisen. Angesichts der Tatsache, dass die Erzieher/innen in den Einrichtungen nicht nur für die alltagsintegrierte Förderung im Alltag, sondern in der Regel auch für die Durchführung zusätzlicher Fördermaßnahmen sowie die Auswahl der geförderten Kinder verantwortlich sind, ist diese Forderung nur zu berechtigt.

Dass eine Intensivierung der Fort- und Weiterbildung in den theoretischen Grundlagen von Sprache und Sprachentwicklung notwendig ist, scheint also Konsens. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren vermehrt versucht, direkt am Interaktionsverhalten der Erzieher/innen selbst anzusetzen. Damit ist die Idee verbunden, über eine Schulung der Fachkräfte, die die direkten Kommunikationspartner der Kinder im Alltag darstellen, eine unmittelbare Verbesserung des sprachlichen Angebots in den täglichen Interaktionen zu erreichen, was sich wiederum positiv auf die sprachliche Entwicklung der Kinder auswirken sollte.

In den letzten Jahren wurden verschiedene Ansätze entwickelt, die das Sprachverhalten der Erzieher/innen in den Blick nehmen. Auch die Initiative "Sprachliche Bildung für Kleinkinder", die sich im Rahmen des Projekts "Sag' mal was" (s.o.) der Sprachförderung ein- und zweijähriger Kinder widmet, setzt im Schwerpunkt bei den Erzieher/innen an und verfolgt das Ziel, ihnen sinnvolle Sprachlehrstrategien zu vermitteln, die sie im Alltag anwenden können, um die Sprachentwicklung der Kinder zu unterstützen (Baden-Württemberg-Stiftung 2014). Die dabei vermittelten Strategien leiten sich aus den Erkenntnissen der Eltern-Kind-Interaktionsforschung ab und werden von den meisten Eltern intuitiv eingesetzt, um den Spracherwerb ihrer Kinder zu unterstützen (Weinert/ Grimm 2012). Auch in der Behandlung sprachentwicklungsgestörter Kinder haben sich Programme zur Vermittlung solcher Strategien seit langem bewährt; daher ist ihr Einsatz zur Verbesserung des Interaktionsverhaltens von professionellen Fachkräften naheliegend.

Beispiele für hilfreiche Sprachlehrstrategien sind das Herstellen eines gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus, das handlungsbegleitende Sprechen, das Formulieren von W-Fragen, das Wiederholen oder Erweitern der kindlichen Äußerungen oder das indirekte Korrigieren. Weitere Schwerpunkte der Schulungen liegen auf dem Erkennen und Herbeiführen sprachanregender Situationen im Alltag sowie auf dem Aufbau einer sprachförderlichen Grundhaltung.

Im Rahmen der Initiative "Sprachliche Bildung für Kleinkinder" wurden drei Sprachförderkonzepte evaluiert, deren gemeinsames Merkmal in der fundierten Schulung der Fachkräfte in den Grundlagen der Sprachentwicklung, Förderung und Diagnostik sowie in der Vermittlung von Sprachlehrstrategien und im Herstellen einer anregenden sprachlichen Umwelt liegt. Untersucht wurden die drei Programme "Dialoge mit Kindern führen" (Laier/ Nunnenmacher 2014), "Mit Kindern im Gespräch" (Kammermeyer et al. 2014) und "Sprache macht stark!" (Stolberg/ Tracy 2014). Das Programm "Sprache macht stark!" enthält neben der Erzieher/innenschulung eine zusätzliche Förderung in Kleingruppen sowie die Einrichtung regelmäßiger Eltern-Kind-Gruppen.

Die Evaluation ergab zwar keine Effekte der Programme auf die allgemeine pädagogische Qualität in den Einrichtungen, wohl aber auf die im engeren Sinne sprachbezogene Qualität. Zusammenhänge zwischen der Teilnahme an einem der Programme und dem Sprachstand der Kinder ließen sich dagegen nicht nachweisen. Hier ist jedoch denkbar, dass die Programme längerfristige Auswirkungen zeigen. Insgesamt scheint der Ansatz, die kindliche Sprachentwicklung über eine Verbesserung der sprachlichen Anregung in den Einrichtungen und entsprechende Schulung der Erzieher/innen zu fördern, vielversprechend.

Fazit

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass wir trotz intensiver Forschungsbemühungen bislang zu wenig darüber wissen, welche Art von Förderung bei welchen Zielgruppen wirksam ist (Kany 2007; Jampert et al. 2007; Weinert/ Lockl 2008). Insbesondere ist noch viel zu wenig darüber bekannt, wie verschiedene Merkmale der Kinder mit Merkmalen der Sprachförderung interagieren, d.h. wir wissen nicht, bei welchen Kindern welche Art der Förderung am effektivsten ist. Ist z.B. bei jüngeren Kindern ein anderes Vorgehen sinnvoll als bei älteren, oder sollten bei unterschiedlichen Vorkenntnissen der Kinder verschiedene Förderbereiche angesprochen werden?

Vor dem Hintergrund der wenig überzeugenden Ergebnisse der bisherigen Evaluationsstudien ist weitere Forschung zu den Rahmenbedingungen erfolgreicher Sprachförderung dringend notwendig.

Einigkeit herrscht hingegen dahingehend, dass die Förderung - vor allem bei den Kindern mit Deutsch als Zweitsprache - so früh wie möglich beginnen sollte. Zum einen ist aus der Spracherwerbsforschung bekannt, dass Kinder eine (zweite) Sprache umso leichter lernen, je jünger sie sind, auch weil sie dabei auf Lernmechanismen aus dem Erwerb der Erstsprache zurückgreifen können. Zum anderen kann bei früher sprachlicher Förderung dem Entstehen von Lernrückständen in anderen, nicht primär sprachlichen Bereichen frühzeitig entgegengewirkt werden, denn Kinder mit sprachlichen Defiziten können die im Kindergarten gebotenen Anregungen oft nur unzureichend nutzen und bilden daher oft schon früh Wissensdefizite aus, die im Schulalter weiter kumulieren (vgl. Dubowy et al. 2008). Die Förderung sollte daher nicht erst im Jahr vor der Einschulung beginnen, sondern die gesamte Vorschulzeit nutzen, damit die Kinder eine realistische Chance haben, ihren durch fehlende sprachliche Erfahrungen bedingten Rückstand gegenüber muttersprachlich deutschen Kindern bis zum Schulbeginn auszugleichen.

Eine verstärkte Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte in den Grundlagen der Sprachentwicklung, der Sprachstandsdiagnostik und der Sprachförderung ist in jedem Fall empfehlenswert (vgl. Baden-Württemberg Stiftung 2011; Lisker 2011; Redder et al. 2011; Schneider et al. 2012). Über die Vermittlung grundlegenden Wissens hinaus wurden in den letzten Jahren verschiedene Ansätze zur Verbesserung der sprachlichen Umwelt in Kindertagesstätten entwickelt, die sich als vielversprechend erweisen.

Insgesamt ist zu hoffen, dass eine Intensivierung der Forschungsbemühungen zu einem besseren Verständnis der Rahmenbedingungen wirksamer Förderung beiträgt, damit das gestiegene Problembewusstsein, die aktuell vorhandene Förderbereitschaft und der hohe finanzielle und personelle Aufwand sinnvoll zum Nutzen der betroffenen Kinder genutzt werden können.

Literatur

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Autoren

Dr. Minja Dubowy (Dipl.-Psych.)
Prof. Dr. Andreas Gold
Goethe-Universität Frankfurt
Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie
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