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Zitiervorschlag

Von der "geistigen Mütterlichkeit" zur "Professionalität". Eine historische Analyse des heutigen Erzieher/-innenberufs in der öffentlichen Kleinkindererziehung

Manfred Berger

 

I.

Die öffentliche (oder nebenfamiliäre) Kleinkindererziehung gewann in Deutschland Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung. In den ersten Kleinkindereinrichtungen, den "Spiel-, Strick-, Bewahr- und Warteschulen", übernahmen zumeist unausgebildete Frauen als sogenannte "Kindsmägde", "Wartefrauen", "Wärterinnen" oder "Bewahrerinnen" die Betreuung der ihnen anvertrauten Kinder. Ihre Aufgabe bestand im wesentlichen darin, die "Zöglinge" den Tag über zu beaufsichtigen sowie zu versorgen, um sie vom schädlichen "Herumlaufen auf den Gassen" fern zu halten. Im Laufe der Zeit kristallisierten sich drei Angebotsformen als neue Einrichtungen für den Raum neben der Familie und vor der Schule heraus: die Kleinkinderbewahranstalt, die Kleinkinderschule und schließlich der Kindergarten (vgl. Dammann/ Prüser 1981, S. 15 ff.).

Die meisten der genannten Einrichtungen wurden von der bürgerlichen Privatwohltätigkeit in der Rechtsform des Vereins gegründet und getragen: "Ein Initiator aus der bürgerlichen oder kirchlichen Gemeinde, aus der örtlichen oder regionalen Verwaltung, aus dem Adel oder der Gutsherrschaft regte die Gründung einer Einrichtung an. Es wurden die verfügbaren materiellen, finanziellen und organisatorischen Ressourcen geklärt und ein Verein gegründet... Die Mehrheit von Frauenvereinen wurde möglichst schon bei der Gründung sichergestellt, wenn - was nicht selten der Fall war - der Gründer- und Trägerverein nicht selbst schon ein Frauenverein war" (Reyer 2006, S. 52).

Die Kinderbewahranstalten entstanden vordergründig aus der Intention heraus, dem sozialen Notstand der Unterschichtsfamilien zu begegnen und deren bisher nicht beaufsichtigten Kinder vor Verwahrlosung, Verkümmerung und Kriminalität zu schützen. In den meisten Anstalten war es üblich, dass die Kinder sich bereits Eigenschaften und Fertigkeiten aneigneten, mit denen sie später Geld verdienen konnten. Mit 100 bis 120 Kinder pro "Aufsichtsperson" war nur eine Massenerziehung durch Drill möglich.

Demgegenüber lag der Schwerpunkt der Kleinkinderschulen (im Königreich Württemberg evangelischer seits Kleinkinderpflegen genannt), die vielfach von Diakonissen und Ordensschwestern geleitet wurden, auf der sittlich-religiösen Unterrichtung ihrer "Zöglinge" sowie auf der unterrichtsmethodischen Vermittlung einfacher Kulturtechniken. Ein Erlass der preußischen Regierung aus dem Jahre 1828 forderte bereits, die Kinder nicht nur zu disziplinieren sondern auch zu unterrichten, sie "auf eine, ihren Kräften und Neigungen angemessene Weise durch Vorführung und Anschauung sinnlicher Gegenstände der mannigfaltigsten Art, durch Erzählungen, Übungen des Gedächtnisses, des Auges und der Hand, durch religiöse und sittliche Einwirkungen, durch Übung der Sprachfertigkeit, durch Gewöhnung an Zucht und Ordnung, durch das Zusammenleben mit einer Menge anderer Kinder, durch freundliche Verbindung mit einem väterlichen und kinderliebenden Lehrer oder mit einer mütterlich gesinnten Lehrerin, endlich durch zweckmäßiges, geordnetes Spiel, durch körperliche Bewegung und Übung usw. angenehm zu entwickeln" (zit. n. Gehring 1921, S. 71).

Die Nähe zur Schule schlug sich auch deutlich im Tagesablauf nieder, wie folgender Ausschnitt aus einem Beschäftigungsplan von 1826 belegt; wobei für alle angegebenen Tätigkeiten (aufgezeigt am Tag Montag) stundenplanmäßige genaue Zeitangaben bestanden: Gebet und Gesang, Unterhaltungen über Gott, Gedächtnisübungen, Körperliche Übungen, Buchstabenerkennen und Buchstabieren, Essen, Handarbeiten, Spiel (Vormittag); Gebet und Gesang, Moralische Erzählungen, Übungen des Erkenntnisvermögens, Körperliche Übungen, Gesang, Essen, Handarbeiten, Spiel (Nachmittag) (vgl. Hübener 1888, S. 312 ff.).

Da die Erwerbstätigkeit von Müttern kleiner Kinder dem Familien- und Frauenbild der beiden großen christlichen Kirchen keineswegs entsprach, betrachtete man auf konfessioneller Seite die Kleinkinderschule vordergründig als ein notwendiges, aber vorübergehendes und nicht auf Dauer begründetes Übel, die "darum nicht überall gegründet werden muß, sondern nur da entsteht, wo die Liebe und die Not des Kindes jammert" (Gehring 1929, S. 16).

II.

Beide Konzeptionen, Bewahrung bzw. Unterrichtung, entsprachen nicht einem theoretisch durchdachten "pädagogischen Auftrag", ebenso nicht dem Programm der Aufklärungspädagogik des 18. Jahrhunderts bzw. der demokratischen Bewegung, "jedem Menschen schon relativ früh zu der ihm gemäßen Bildung und Gesellschaftsfähigkeit zu verhelfen" (Heiland 1996, S. 11).

Die zu bemängelnden Defizite wurden letztlich erst durch Friedrich Fröbel aufgehoben, der am 28. Juni 1840 in (heute Bad) Blankenburg den "Allgemeinen Deutschen Kindergarten" stiftete. Doch diesbezüglich gab es vorher schon beachtliche Bemühungen, die vorschulischen Einrichtungen zu "reformieren", wie beispielsweise durch Theodor Fliedner in Kaiserswerth (vgl. Döring 1917), Johannes Fölsing in Darmstadt (vgl. Failing 1988) oder Johann Georg Wirth in Augsburg (vgl. Erning 1976), um nur einige der vielen zu nennen. Wie diese, wollte auch der Stifter des Kindergartens die körperliche, geistige und seelische Entfaltung des Kindes fördern, gleichwohl sein Kindergarten gewissermaßen nebenbei auch die Funktion der Beaufsichtigung erfüllte. Er sah seine Einrichtung in erster Linie als "Pflanzstätte ächter Kindheitspflege", in welcher das Kind als individuelle Persönlichkeit, die "Selbsttätigkeit" und das Spiel, als typische kindliche Lebensform, sowie seine Pflege im Mittelpunkt stehen. Dabei beinhaltete die Fröbelsche Spielpflege durchaus auch eine didaktische, also belehrende Dimension, ohne jedoch schulischer Unterricht zu werden. Das Spiel war für den Vater des Kindergartens die höchste Stufe der Kindesentwicklung, das reinste geistige Erzeugnis des Menschen auf dieser Stufe, letzthin die freie Tätigkeit, die sich selber das Gesetz gibt.

Die Bedeutung des Spiels hatte Friedrich Fröbel in seiner ihm eigenen verschachtelten Ausdruckweise so beschrieben: "Spielen, Spiel ist die höchste Stufe der Kindesentwickelung, der Menschenentwickelung dieser Zeit; denn es ist freitätige Darstellung des Inneren, die Darstellung des Inneren aus der Notwendigkeit und Bedürfnis des Inneren selbst, was auch das Wort Spiel selbst sagt. Spiel ist das reinste geistige Erzeugnis des Menschen auf dieser Stufe, und ist zugleich das Vorbild und Nachbild des gesamten Menschenlebens, des Inneren, geheimen Naturlebens im Menschen und in allen Dingen; es gebiert darum Freude, Freiheit, Zufriedenheit, Ruhe in sich und außer sich, Frieden mit der Welt... Das Spiel dieser Zeit ist... nicht Spielerei; es hat hohen ernst und tiefe Bedeutung... Die Spiele dieses Alters sind die Herzblätter des ganzen künftigen Lebens... Das ganze künftige Leben des Menschen... hat in diesem Lebenszeitraum seine Quelle" (zit. n. Hoffmann 1982, S. 36).

Für den Romantiker Friedrich Fröbel stand außer Zweifel, dass für die erzieherische Tätigkeit in den Kindergärten eine theoretische "Zurüstung" unabdingbare Voraussetzung sei. Dass dem so ist, erkannte auch Theodor Fliedner, der wenige Jahre vor Friedrich Fröbel als erster in größerem Maßstab Ausbildungslehrgänge für die "Kleinkinderschulsache" errichtete. Demzufolge legten die beiden Männer den Grundstein für die Herausbildung eines neuen Berufsverständnisses sowie für die Professionalisierung des erzieherischen Berufsstandes.

III.

Während der Vorsteher des Kaiserswerther Diakonissenmutterhauses sich von Anfang an an unverheiratete Frauen wandte, begann der Kindergartenbegünder1839 im thüringischen Blankenburg zuerst mit der Ausbildung von "Kinderführern", stellte jedoch bald fest, dass vor allem Frauen aufgrund ihrer angeborenen mütterlichen Fähigkeiten für die "erste Kinderpflege" besonders geeignet wären. Dazu äußerte sich Friedrich Fröbel wie folgt: "Je ungeteilter ich mich der ersten Kinderpflege hingebe, desto mehr sehe ich ein, da dasjenige, was notwendig für die erste Erziehung des Menschengeschlechtes, für die Kindheit geschehen muß, am wenigsten durch den Mann und besonders nicht durch ihn vereinzelt geschehen kann, sondern dass ihm vor allem der weiblich mütterliche Sinn der Frauen, die mütterliche Liebe, zur Seite stehen muß" (zit. n. Prüfer 1927, S. 90).

Vor allem bürgerliche Frauen, viele davon in der bürgerlichen Fraktion der Frauenbewegung aktiv tätig, fühlten sich von Friedrich Fröbels geschlechtsspezifischem Rollenverständnis angesprochen und ließen sich von ihm in extra eingerichteten Kursen, zuerst in Blankenburg und Keilhau, später in Dresden, Hamburg und Bad Liebenstein sowie an anderen Orten Deutschlands zu Kindergärtnerinnen ausbilden. Ziel der Ausbildung zur Fröbelkindergärtnerin war die "ureigensten weiblichen Eigenschaften", den "mütterlichen Sinn" und die "mütterliche Liebe" zu "vergeistigen".

Als maßgeblicher Teil der Fröbelbewegung sorgten die ausgebildeten Fröbelkindergärtnerinnen für die weitere Verbreitung der Idee des Kindergartens. Sie initiierten die Neugründung zahlreicher Einrichtungen im In- und Ausland, wirkten als Lehrerinnen in Fröbelseminaren, gründeten Kindergartenvereine, setzten sich in Wort und Schrift für Friedrich Fröbel und den Kindergarten ein u.a.m. (vgl. Berger 1995). Eine dieser Frauen war Henriette Schrader-Breymann, eine Großnichte des Kindergartenbegründers und eine seiner ersten Schülerinnen. Sie erweiterte das Prinzip der von Friedrich Fröbel postulierten "angeborenen Mütterlichkeit" zur "geistigen Mütterlichkeit". In einem Aufsatz aus dem Jahre 1868, betitelt "Zur Frauenfrage", konstatierte sie u.a.:

"Die Natur hat das Weib zur Mutter erschaffen, diesen Ausspruch setzten die Gegner der Emancipationsbestrebungen den Frauen entgegen, und sie haben Recht, aber hat man sich auch die ganze Bedeutung , die ganze Tragweite des Mutterberufes klar gemacht? Ist dieses Berufes geistige Bedeutung verstanden, ist innerhalb dieser Sphäre der Geist in seine Rechte eingesetzt, welcher die Jetztzeit fordern muß? Hat in Bezug auf den mütterlichen Beruf das Wort Menschheit schon eine Bedeutung für das Weib gewonnen? So dass geistige Mütterlichkeit mit ihrer pflegenden Kraft, ihrer wärmenden Liebe sich nicht allein an die physische Mütterlichkeit bindet; sondern dass überall, wo Hülfsbedürftige sind an Leib und Seele, die Frau auch außerhalb des Hauses zum mütterlichen Wirken berufen ist, wenn keine eigenen Familienbande sie fesseln oder ihre Zeit genügend ausfüllen können" (Schrader-Breymann 1962, S. 11).

Dieses Gedankengut trug wesentlich zur allgemeinen Feminisierung der pädagogischen Berufsrolle in der öffentlichen Kleinkindererziehung bei. Diesbezüglich können wir in einer Publikation über die weibliche Diakonie nachlesen: "Weibliche Leistung ist jeder anderen vorzuziehen. Früher, und namentlich in England, hat man oft Männer angestellt. Doch ist das eine völlige Verkennung der eigentlichen Aufgabe, die im Wesentlichen mütterliche Pflichten auflegt. Auch der Vorschlag: die Kleinkinderschule unter Leitung eines Ehepaars zu stellen, weil damit der familienhafte Charakter am ehesten gewahrt bleibe, hat sich doch nur scheinbar etwas für sich. Denn thatsächlich ist der Regel nach auch in der besten Familie die Erziehung der Kinder bis zum sechsten Jahr fast ausschließlich der Mutter unterstellt. Zudem ist weibliche Leistung auch weitaus die billigere" (Schäfer 1880, S. 21).

IV.

Bedingt durch verstärkte soziale Probleme und Spannungen erfolgte ein quantitatives Anwachsen der Kindergärten in Deutschland. Dies war der Auslöser, dass 1908 Preußen begann, die Ausbildung zur Kindergärtnerin im Rahmen der Neuordnung des Mädchenschulwesens staatlich zu regeln und sie in Form eines einjährigen Fachkurses in die neu entstandene allgemeine Frauenschule einzugliedern. Dieser Prozess wurde drei Jahre später mit den Bestimmungen zu den Zugangsvoraussetzungen, Lehrplänen und einer Prüfungsordnung abgeschlossen. Die staatlichen Ausbildungsbestimmungen stießen bei den kirchlichen Kindergärtnerinnenseminaren auf heftigen Widerstand. Dies hatte zur Folge, dass bis in die Weimarer Zeit hinein zwei Formen der Kindergärtnerinnenausbildung existierten: zum einen die meist eigenständigen konfessionellen Seminare, die Absolventinnen mit einem Volksschulabschluss in ein bis zwei Jahren nach schulinternen Plänen ausbildeten, und zum anderen das an die allgemeine Frauenschule angegliederte Kindergärtnerinnenseminar, an dem Mädchen mit abgeschlossener Lyzealausbildung nach zwei Jahren staatlich geregelter Ausbildung die Prüfung ablegten.

Im Jugendwohlfahrtsgesetz von 1922 wurde der Kindergarten als familienergänzendes freiwilliges Angebot definiert. Auch am Methodenpluralismus des Kindergartens wurde festgehalten, ebenso wie an der Vorrangigkeit der freien Träger. Jetzt prägte nicht mehr nur das Gedankengut von Friedrich Fröbel, sondern verstärkt die reformpädagogische Bewegung die Kindergartenarbeit wie auch die Ausbildungssituation. Dabei gingen wesentliche Anstöße von Maria Montessori und ihrer Pädagogik aus. Innerhalb der Kindergärtnerinnenausbildung wurde 1928 die staatliche Ausbildungsordnung umgestaltet und die zweijährige gemeinsame Ausbildung für Hortnerinnen und Kindergärtnerinnen eingeführt. Das hatte zur Folge, dass die Stundenzahlen der bisher unterrichteten Fächer verdoppelt wurden.

Mit der Machtübernahme durch das Hitlerregime im Jahre 1933 wurde die Erziehung im Kindergarten und die daran geknüpfte Ausbildung sofort im Sinne der nationalsozialistischen Erziehungsideologie gleichgeschaltet: "Die Kindergärtnerin hatte nun die nationalsozialistische deutsche 'Volksmütterlichkeit' zu verkörpern... 'Mütterlichkeit' wurde dabei nur mehr auf die biologische Fähigkeit des Gebärens zurückgeführt, der 'geistigen Mütterlichkeit' kam keine Bedeutung mehr zu. Die Tätigkeit der Kindergärtnerin galt den Nationalsozialisten zudem als die 'beste Vorbereitung für den wertvollsten aller Frauenberufe, den der Frau und Mutter', wurde also wiederum als Übergangsberuf bis zur eigenen Ehe und Mutterschaft angesehen" (Gebhardt 1998, S. 45).

Dementsprechend musste die nationalpolitische Ideologie in sämtliche Unterrichtsfächer einfließen: "Im engeren Sinne dienen ihr die Fächer Reichskunde, Heimatkunde, Volkstumspflege und Deutsch. Der Unterricht geht aus von der Erb- und Rassenlehre, führt von der deutschen Geschichte zu Fragen der Volks- und Staatskunde und verknüpft diese mit der Heimatkunde und der Volkstumspflege" (zit. n. Metzinger 1993, S. 132).

V.

Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte man in der BRD organisatorisch und konzeptionell an Altbewährtes an: Die gesetzlichen Bestimmungen und die konzeptionellen Grundlagen der Kindergartenpädagogik und Kindergärtnerinnenausbildung der Weimarer Republik wurden wieder aufgegriffen. Doch in den 1960er Jahren geriet die öffentliche Kleinkindererziehung und damit verbunden die einhergehende Ausbildungssituation der Kindergärtnerinnen zunehmend unter Kritik. Diese wurde ausgelöst durch neue sozialisationstheoretische Erkenntnisse, die die Relevanz der frühen Kindheit besonders im Hinblick auf die Lernfähigkeit sowie die Ergänzungsbedürftigkeit der Familienerziehung betonten. Schließlich zeichneten sich diese Jahre auch durch immer durchdringendere sozialpolitische Forderungen nach mehr "Chancengleichheit" und "sozialer Demokratie" aus. Demzufolge erstellte man Qualifikationsanforderungen an die Kindergärtnerinnen, "die sich nun nicht mehr vorrangig an der 'Mütterlichkeit' sondern an einer 'Professionalität' im Sinne des Erwerbs und des Einsatzes berufsspezifischer Qualifikationen ausrichtete. Von den pädagogischen Fachkräften im Elementarbereich wurden nun eine stärkere Beruflichkeit und höhere fachliche Kompetenzen gefordert. Die Kindergärtnerinnen-Tätigkeit wurde zum Erzieher-/ Erzieherinnen-Beruf, der nun auch Männern offen stand und sich stärker an den spezifischen Anforderungen des Berufsbildes orientierte" (Gebhardt 1998, S. 84).

Entscheidend für die Professionalisierung der Ausbildungssituation war die Kultusministerkonferenz von 1967, als deren Folge in den einzelnen Bundesländern die Ausbildung zur Kindergärtnerin und Hortnerin mit der zum/zur Jugend- und Heimerzieher/in zu einer gemeinsamen Ausbildung zum "Staatlich anerkannten Erzieher" zusammengefasst wurde. Die dafür verantwortlich Ausbildungsstätten nannten sich "Fachschulen für Sozialpädagogik" bzw. in Bayern "Fachakademien für Sozialpädagogik". Die heutige dreiteilige Ausbildungsstruktur (berufspraktische Vorerfahrung/ Sozialpädagogisches Seminar; zweijährige theoretische Ausbildung; einjähriges Berufspraktikum) basiert im Wesentlichen auf den damals vereinbarten Rahmenbedingungen, gleichwohl die Voraussetzungen für Bewerber/innen an den sozialpädagogischen Ausbildungsstätten im Vergleich zu den 1960er/ 1970er Jahren deutlich angehoben wurden.

Während das Berufsprofil der westdeutschen Erzieherin vom Spannungsfeld zwischen "Mütterlichkeit" und "Professionalität" geprägt war, vollzog sich in der DDR eine eigenständige Entwicklung. Gleich von Anfang an wurde der Kindergarten in das sozialistische Bildungssystem eingefügt und stets der entsprechenden politischen Situation angeglichen. Nicht konforme pädagogische Konzeptionen wurden verboten, wie die Montessori-Pädagogik zum Beispiel, da diese "an keiner Stelle über die imperialistische Gesellschaftsordnung hinausweist" (Barow-Bernstorff 1977, S. 288).

Aufgabe der Ausbildungsstätten war es, "Kindergärtnerinnen auszubilden, die in den Kindergärten der Deutschen Demokratischen Republik im Sinne unseres Arbeiter- und Bauernstaates verantwortlich arbeiten und die Vorschulkinder auf das Leben in der sozialistischen Gesellschaft vorbereiten" (zit. n. Grossmann 1992, S. 224). Die inhaltlichen Schwerpunkte der theoretischen Professionalisierung lagen a) in der Förderung der sozialistischen Persönlichkeitsentwicklung, die durch den politischen Unterricht der angehenden Kindergärtnerinnen/ Erzieher/innen erfolgte, und b) in der Aneignung fundierter pädagogischer, psychologischer und methodischer Fähigkeiten. Dabei wurden insbesondere solche fachwissenschaftliche und methodische Kenntnisse vermittelt, wie sie für eine möglichst genaue Umsetzung des staatlich vorgeschriebenen "Bildungs- und Erziehungsplans" nötig waren. Diese Traditionslinie der sozialistischen Erzieherpersönlichkeit wurde mit der Auflösung der DDR beendet.

Momentan ist, u.a. ausgelöst durch die erste PISA-Studie, Unmut spürbar, gerade und vor allem hinsichtlich der in den vorschulischen Einrichtungen geleisteten Bildung. Neueste empirische Untersuchungen belegen, dass frühe Bildung Start- und Lernvorteile für die Grundschule vermitteln kann. Dies führte zu einer Relativierung offener Ansätze, wie zum Beispiel des Situationsansatzes, zugunsten curricularer Ansätze. In diesem Zusammenhang erkannte man, "dass die gegenwärtige Ausbildung zukünftigen Anforderungen immer weniger gerecht werden kann und dass sich der Erzieherberuf neuen Anforderungen und damit einem neuen Profil sowie einem neuen Selbstverständnis stellen muss" (Nagel 2000, S. 13).

Doch lassen wir uns nicht "PISAcken!" (Töfflinger/ Kuchen 2002). Achten wir weiterhin darauf, dass der Wert der Kindheit nicht verloren geht. Achten wir weiterhin darauf, dass beispielsweise die entwicklungspsychologische Notwendigkeit des intensiven gemeinsamen Spiels gegen die Ausbildung von Sachkompetenzen und potentiellen "Schlüsselqualifikationen" aufgewogen werden. Achten wir weiterhin darauf, dass gerade Vorschulkinder in einer eigenen Welt voll Unwahrscheinlichkeiten einerseits und Wunder andererseits leben, die erprobt werden wollen. Und so wird für die Zukunft gelten, den sozialen und demographischen Wandel und nicht zuletzt die Öffnung Europas im Blick zu haben, sich kritisch mit gesellschaftlichen Tendenzen auseinander zusetzen, neue Forschungsfragen zu entwickeln, aber auch neue Ergebnisse der Wissenschaften kritisch zu hinterfragen, die Auszubildenden nach bestem Wissen und Gewissen auf soziale, emotionale, kognitive sowie allgemein pädagogische Tätigkeiten von morgen, auf deren Gestaltung und Weiterentwicklung vorzubereiten.

Literatur

Barow-Bernstorff E. u.a.: (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Vorschulerziehung, Berlin 1977

Berger, M.: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt/Main 1995

Dammann, E./Prüser, H.: Quellen zur Kleinkindererziehung. Die Entwicklung der Kleinkinderschule und des Kindergartens, München 1981

Döring, L.: Frauenbewegung und christliche Liebestätigkeit, Leipzig 1917

Erning, G. (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung, Katellaun/ Saarbrücken 1976

Failing, W.E.: Anfänge und Ursprünge der Sozialpädagogik in Darmstadt (1827-1870), Darmstadt 1988

Gebhardt, D.: Von "Mütterlichkeit" und "Professionalität" - Eine sozialhistorische Analyse des Berufsprofils der Kindergärtnerin/ Erzieherin im Elementarbereich, Reutlingen 1998 (unveröffentl. Diplomarbeit)

Gehring, J. (Hrsg.): Die evangelische Kinderpflege. Denkschrift zu ihrem 150jährigen Jubiläum, Langensalza/ Berlin/ Leipzig 1929

Grossmann, W.: Kindergarten und Pädagogik. Grundlagentexte zur deutsch-deutschen Bestandsaufnahme, Weinheim 1982

Heiland, H.: Fröbel und der Kindergarten. Tradition und Aktualität einer pädagogischen Institution. Zeitschrift für Bildungs- und Wirtschaftsgeschichte 1996, H. 1, S. 9-28

Hoffmann, E. (Hrsg.): Friedrich Fröbel. Ausgewählte Schriften. Zweiter Band: Die Menschenerziehung, Stuttgart 1982

Hübner, J.: Die christliche Kleinkinderschule, ihre Geschichte und ihr gegenwärtiger Stand, Gotha 1888

Metzinger, A: Zur Geschichte der Erzieherausbildung. Quellen - Konzeptionen - Impulse - Innovationen, Frankfurt/Main 1993

Nagel, B.: Der Erzieherberuf in seiner historischen Entwicklung. Bildung, Erziehung, Betreuung in Bayern 2000, H. 1, S. 11-13

Prüfer, J.: Friedrich Fröbel. Sein Leben und Schaffen, Leipzig 1927

Reyer, J.: Einführung in die Geschichte des Kindergartens und der Grundschule, Bad Heilbrunn 2006

Schäfer, T.: Die weibliche Diakonie in ihrem ganzen Umfang dargestellt. Bd. 2: Die Arbeit der weiblichen Diakonie, Hamburg 1880

Schrader-Breymann, H.: Zur Frauenfrage (1868). In: Hoffmann, E. (Hrsg.): Henriette Schrader-Breymann. Kleine Pädagogische Texte, Weinheim 1962

Töfflinger, I./Kuchen, I.: Wir lassen uns nicht "PISAcken!" Welt des Kindes 2002, H. 3, S. 22

Webseiten

http://www.kindergartenpaedagogik.de/414.html (28.2.2009)

http://www.kindergartenpaedagogik.de/170.html (28.2.2009)

http://www.kindergartenpaedagogik.de/1239.html (28.2.2009)