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Zitiervorschlag

Der offene Kindergarten: Naturerfahrungen, Zusammenarbeit mit Institutionen, Öffentlichkeitsarbeit

Martin R. Textor

 

Ist der Kindergarten nicht ein Fels in der Brandung? Eine Festung, wo Kinder vor den bösen Einflüssen der Erwachsenenwelt, vor Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch geschützt werden? Eine Insel, wo Kinder sie selbst sein können, die größtmögliche Freiheit haben, sich selbst verwirklichen können und sich wohl fühlen? Ein kleines Paradies, wo immer die "passenden" Spielpartner da sind, wo die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder befriedigt werden?

Schöne, beruhigende, friedvolle Bilder - nur leider nicht mehr zeitgemäß! Kindertageseinrichtungen können in der heutigen Zeit keine abgeschirmte Welt für sich sein, sondern müssen sich zu ihrem Umfeld hin öffnen, d.h. zu Natur und Kultur, Wirtschaft und Technik. Erzieherinnen wollen Kindern möglichst vielseitige und immer wieder andersartige Realerfahrungen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen vermitteln. Für sie ist die Kindertagesstätte ein "Basislager für Expeditionen" in die Umgebung.

Umwelterkundungen umfassen Spaziergänge durch das Dorf, die Kleinstadt oder den Stadtteil, durch Parks und Friedhöfe, durch Felder, Wiesen und Wälder. Bei solchen Exkursionen sollte es sich um durchgängig pädagogische Situationen handeln: So gehen wir nicht nur in den Wald, damit Kinder an der frischen Luft sein können - vielmehr sollen sie z.B. die jahreszeitlich bedingten Veränderungen wahrnehmen, die Namen wichtiger Baum- und Pflanzenarten kennen lernen, beim Freispiel motorische Fertigkeiten ausbilden, Blattformen und Rindenstrukturen vergleichen und dabei ihre Sinne schulen. Wir gehen durch Felder und Wiesen, damit Kinder die Abfolge von Aussaat bis Ernte erleben, Pferde und Rinder beobachten oder Kräuter sammeln können. Wir suchen den Park auf, damit die Kinder beispielsweise einige Quadratmeter Rasen mit Lupen absuchen und Kleinlebewesen ausfindig machen können. Wir gehen auf den Friedhof, um mit Kindern über Leben und Tod zu sprechen, aber auch um Grabsteine aus verschiedenen Epochen zu vergleichen, sodass Kinder einen ersten Eindruck von verschieden langen Zeiträumen gewinnen. Wir laufen die Straßen entlang, damit Kinder z.B. Haus-, Fenster- und Giebelformen sowie Blumen- und Gemüsesorten kennen lernen können. Außerdem kommt es bei diesen Exkursionen zu ungeplanten Kontakten mit Nachbarn und Passanten, sodass die Kinder flüchtige oder längerfristige Beziehungen zu Menschen ganz unterschiedlichen Alters aufbauen und dabei soziale und kommunikative Fertigkeiten entwickeln.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, eine Art "Unterricht im Freien" zu planen und durchzuführen. Das Entscheidende ist vielmehr die Einstellung der Erzieherin - die Einstellung, dass sich die bei solchen Exkursionen zumeist von selbst ergebenden Realsituationen pädagogisch genutzt werden können und sollten. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob die Kindergruppe an einem Nachbarn, der gerade im Garten arbeitet, mit einem fröhlichen "Guten Tag!" vorüberzieht, oder ob die Erzieherin ein Gespräch initiiert und die Kinder motiviert, dem Nachbarn Fragen zu stellen ("Was machen Sie gerade?", "Was sind das für Pflanzen?", "Wieso töten Sie die Schnecken?"). Es spielt eine große Rolle, ob die Erzieher/innen mit den Kindern durch den Wald tollen und nur dann und wann eine Frage beantworten, oder ob sie schon zu Beginn der Exkursion eine Frage aufgreifen und daraus einen (Beobachtungs-)Auftrag formulieren ("Wer findet ein Blatt, das genauso wie dieses aussieht?", "Wollen wir nicht einmal schauen, was so alles unter Steinen lebt?"). Es ist von Bedeutung, ob die Fachkräfte nach dem Ausflug zur Routine zurückkehren, oder ob sie die sich während der Exkursion ergebenden Fragen wieder aufgreifen und in der Kindertageseinrichtung entsprechende Experimente durchführen, passende Bilderbücher betrachten, in Lexika nach zusätzlichen Informationen suchen, mitgebrachte Gegenstände wie Steine oder Blätter nach bestimmten Kriterien sortieren, Rollenspiele initiieren usw.

Allerdings können Erzieher/innen die sich während der Exkursionen ergebenden Realsituationen nur richtig nutzen, wenn sie vorbereitet sind. Der Begriff "Vorbereitung" wird hier in einem sehr umfassenden Sinn verwendet: Er bedeutet zum einen, dass sich die Erzieherin ein breites Grundwissen angeeignet hat - sie muss z.B. die Namen der wichtigeren Bäume, Büsche und Kräuter, von Vögeln und Insekten, von Gartengeräten und landwirtschaftlichen Maschinen, von Giebel- und Fensterformen usw. kennen. Zum anderen sollte sie sich vor einer Exkursion Gedanken darüber gemacht haben, was für pädagogisch relevante Situationen entstehen könnten, wie sie diese nutzen kann oder ob sie bestimmte Situationen initiieren soll. Dann kann sie ihr Grundwissen erweitern oder bestimmte Vorkehrungen treffen, also z.B. Lupen oder Skizzenblocks, Kassettenrecorder oder Kamera mitnehmen. Auch kann sie vorplanen, wie wahrscheinlich entstehende oder von ihrer initiierte pädagogische Situationen in der Einrichtung nachbereitet werden können. Die Kindorientierung verlangt natürlich, dass vorgeplante Situationen während der Exkursion den Kindern nicht aufgezwungen werden; eine flexible Erzieherin wird auch immer das pädagogisch nutzen können, was sich von selbst ergibt oder wofür die Kinder größeres Interesse zeigen.

Zusammenarbeit mit Institutionen

Aber nicht immer reicht das Grundwissen der Erzieher/innen aus, um bei Exkursionen pädagogisch relevante Situationen nutzen zu können. Dann können Dritte hinzugezogen werden - beispielsweise fachkundige Eltern, auf dem jeweiligen Gebiet berufstätige Personen wie Förster, Landwirte, Friedhofswärter und Architekten oder Verbandsvertreter, z.B. von Naturschutzorganisationen. Kontakte der Kinder zu solchen Personen sind nicht nur wichtig, um bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlangen, sondern beispielsweise auch, um die Scheu vor fremden Erwachsenen zu verlieren, "Interviewtechniken" zu erlernen und soziale Umgangsformen zu entwickeln.

Eine Zusammenarbeit mit Außenstehenden ist zumeist unverzichtbar, wenn mit der Kindergruppe ein Handwerksbetrieb, Geschäft, Altenheim, Krankenhaus, Museum, Theater oder eine andere Institution erkundet werden soll bzw. wenn Kontakt zu einem Sport-, Musik- oder Heimatverein aufgenommen wird. Zum einen müssen dort beschäftigte Personen erst den Zugang zu der jeweiligen Einrichtung gestatten. Zum anderen müssen sie der Kindergruppe als Gesprächspartner oder "Führer" zur Verfügung stehen.

Da Kinder bei einem einmaligen Besuch aufgeregt sind und schnell möglichst alles sehen wollen, sind mehrmalige Besichtigungen sinnvoll. Geht es beispielsweise um das Erkunden der Kirchengemeinde, so kann die Kindergruppe zunächst den Pfarrer in seinem Büro besuchen und sich von ihm über seine Arbeit aufklären lassen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dieser dann den Kindern die Kirche und sakrale Gegenstände zeigen. Später nehmen die Kinder an einer Trauung oder Taufe teil. Weitere Aktivitäten können ein Besuch im Seniorenkreis (zusammen mit dem Pfarrer) und die Mitwirkung am Gemeindefest sein. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie abwechslungsreich, lebensnah und interessant ein außerinstitutionelles Lernen ist.

Natürlich kann die Erwachsenenwelt auch in die Kindertageseinrichtung "hineingeholt" werden. Beispielsweise kann ein Elternteil oder ein anderer Erwachsener seinen Beruf, sein Hobby oder z.B. ein Musikinstrument in der Kindergruppe vorstellen, können Senioren oder Behinderte zum Gespräch, zum gemeinsamen Malen, Basteln, Musizieren und Spielen eingeladen werden.

Immer aber ist es wichtig, dass solche Außenkontakte gemeinsam mit den Kindern vor- und nachbereitet werden. Beispielsweise bespricht die Erzieherin mit der Gruppe, welche Einrichtung aufgesucht werden soll, was dort für die Kinder von Interesse sein könnte, welche Fragen sie an die dort tätigen Erwachsenen haben usw. Während der Besichtigung sollten die Kinder viele Gelegenheiten zum Einsatz aller Sinne und für Primärerfahrungen haben. Danach kann ein Gesprächsaustausch über die - zumeist unterschiedlichen - Beobachtungen, Sichtweisen und Erfahrungen folgen, können entsprechende Bastelarbeiten, Bilder, Experimente und Rollenspiele angeregt werden. Auf diese Weise werden die neu erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten der Kinder vertieft und erweitert. Zugleich wird eine differenzierte Wahrnehmung der Kinder gefördert, erkennen sie Sinnzusammenhänge und entwickeln sie kommunikative Kompetenzen.

Anzumerken ist noch, dass durch solche Exkursionen und Besichtigungen nicht nur die soziale, kognitive und emotionale Entwicklung der Kinder gefördert wird, sondern dass sie auch in das kommunale Leben und das Gemeinwesen integriert werden. Sie lernen die örtlichen Gebräuche kennen, entwickeln ein Wir- und Heimatgefühl. Es entsteht eine neue Qualität des Zusammenlebens von Kleinkindern mit Erwachsenen und Senioren, oft auch mit Ausländern und Behinderten.

Kindergarten und Politik

Eine Zusammenarbeit mit Institutionen seitens des Kindergartens ist auch dann sinnvoll, wenn sie die Kinder nicht direkt betrifft. Beispielsweise ist es mancherorts möglich, dass einzelne Erzieher/innen im Jugendhilfeausschuss, in einer psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) oder Stadtteilkonferenz mitwirken. Dann können sie die Interessen von Kindertageseinrichtungen in diese Gremien einbringen, die Vernetzung von Kindergärten mit psychosozialen Diensten vorantreiben und sich eventuell auch an der Jugendhilfeplanung beteiligen.

Hier wird deutlich, dass letztlich Erzieherinnen eine Beschäftigung mit der Politik nicht vermeiden können - und dürfen: Erstens nehmen schon Kleinkinder durch Fernsehen und die Anwesenheit bei entsprechenden Gesprächen ihrer Eltern und anderer Erwachsener am politischen Geschehen teil. Zweitens bestimmen (kommunal-)politische Entscheidungen die Situation von Kindergärten und damit auch von Erzieherinnen. Und drittens sollen Kindertagesstätten als Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe laut § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII "dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen".

Zur Öffnung des Kindergartens zur politischen Dimension unseres Zusammenlebens hin gehört das Aufgreifen relevanter Themen in der praktischen Arbeit mit Kindern. Die jeweiligen Inhalte müssen natürlich so aufbereitet werden, dass sie auf das Interesse der Kinder stoßen, in Bezug zu deren Lebenswelt stehen, leicht verständlich und handlungsorientiert sind. Dies gelingt besonders gut bei Themen wie "Umweltschutz", "Probleme der Dritten Welt" oder "Geschlechtsrollen". Dabei dürfen die Kinder natürlich nicht politisch manipuliert, verängstigt oder in Schuldgefühle hineingetrieben werden. Vielmehr kommt es auf eine klischeefreie und lebensnahe Darstellung an, verbunden mit der Einladung von Fachleuten und praktischen Aktivitäten - z.B. Recycling im Kindergarten, Sammeln von Müll bei Spaziergängen, Übernahme der Patenschaft für ein "Stück" Natur, Gestaltung des Speiseplans unter ökologischen Gesichtspunkten oder unter Berücksichtigung der Interessen der Dritten Welt, Unterstützung eines Kindergartens oder Waisenhauses in einem Entwicklungsland mit Austausch von Bildern und Kassetten usw.

In den letzten Jahren ist in Deutschland eine lebhafte Diskussion über die Rechte von Kindern zustande gekommen. Auch Kindergärten dürfen sich nicht länger diesem Thema verschließen. Zum einen gilt es, Kinder über ihre Rechte kindgemäß zu informieren. Hierzu kann z.B. schon auf mehrere Bilderbücher zurückgegriffen werden. Bei der Infobörse in Weiden wurden auch Kassetten, Videofilme und andere Materialien über Kinderrechte vorgestellt - dank der Zusammenarbeit mit der Fachakademie. Zum anderen kann der Kindergarten einen Beitrag zur Wahrung der Kinderrechte in der Familie leisten. Beispielsweise können Eltern im Rahmen von Veranstaltungen über diese Rechte unterrichtet werden. Auch können sich Erzieherinnen so weit sensibilisieren, dass sie schon die ersten Anzeichen von Kindesmisshandlung, sexuellem Missbrauch, Vernachlässigung und anderen Gefährdungen erkennen. Vor allem aber gilt es, die Rechte der Kinder in der Einrichtung, im Alltagsgeschehen, in der pädagogischen Arbeit zu achten. Dazu gehören auch, ihnen altersgemäße Mitbestimmungsrechte einzuräumen. Kinderkonferenzen sind eine besonders gute Methode, Kindern Mitsprachemöglichkeiten zu geben und sie zu motivieren, Angelegenheiten der Gruppe selbstständig zu regeln. Dadurch werden nicht nur Gesprächs- und Konfliktlösefertigkeiten, Empathie und Toleranz gefördert, sondern auch die Kinder auf ein Leben in einer Demokratie vorbereitet.

Öffnung der Kindertageseinrichtung für die Politik bedeutet auch, dass Erzieherinnen aktiv werden und sich für einen qualitativ hochwertigen, kindgemäßen und entwicklungsfördernden Kindergarten sowie für eine Verbesserung ihrer Situation einsetzen. In Berufs- und Fachverbänden können sie entsprechende Kriterien wie Anforderungen an ihre Aus- und Fortbildung oder sinnvolle Rahmenbedingungen erarbeiten, die dann öffentlich gemacht sowie gegenüber Politikern und anderen Entscheidungsträgern geäußert werden. Aber auch vor Ort können Erzieherinnen aktiv werden und so Verbesserungen erreichen: Anpassung der Öffnungszeiten an den Bedarf, Renovierung und bessere Ausstattung der Einrichtung, Einflussnahme auf die nächstgelegene Fachschule zwecks besserer Betreuung von Praktikantinnen, Hinterfragen der Rolle von Fachberaterinnen usw. Bei manchen solcher Probleme ist es leicht, die Unterstützung des Trägers zu erreichen. Ansonsten können Erzieherinnen Leiterinnengruppen und Arbeitskreise nutzen, um sich zusammenzuschließen und sich gemeinsam für Verbesserungen vor Ort zu engagieren.

Wie bereits erwähnt, sollen sich Erzieherinnen neben anderen sozialpädagogischen Fachkräften laut dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) für eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Familien einsetzen. Im Achten Jugendbericht wird dieses neue Tätigkeitsmerkmal als "Einmischung" bezeichnet. Hierbei geht es vor allem um die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die allgemeinen und spezifischen Bedürfnisse von Kindern und Eltern, um die Bewusstmachung von Kinderfeindlichkeit und struktureller Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien und um konkrete Aktionen, die der Schaffung besserer Entwicklungsbedingungen und dem Abbau der Benachteiligung bestimmter Gruppen dienen sollen.

Durch die Mitarbeit im Jugendhilfeausschuss oder in Gremien der Pfarrei kann ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Familien geleistet werden kann. Alternative Wege sind Lobbyarbeit, die Kooperation mit Wohlfahrtsverbänden, die Mitarbeit in Bürgerinitiativen und Vereinen sowie das Einladen des Bürgermeisters, eines Stadt- bzw. Gemeinderats oder eines Abgeordneten in die Tageseinrichtung. Erzieherinnen können aber auch Eltern aktivieren und über sie indirekt wirken. So sollte zumindest die Kindergartenleiterin wissen, welche Eltern öffentliche (Ehren-)Ämter ausüben und Einfluss haben. Von Bedeutung sind auch Personen, die viel Kontakt zu anderen Menschen haben und als Multiplikatoren wirken können. Zu beachten ist, dass der Anteil von Familien mit Kleinkindern an der gesamten Bevölkerung immer kleiner wird - und damit als Zielgruppe für Politiker immer unwichtiger: Wahlen werden zunehmend mit den Stimmen von älteren Erwerbstätigen, Senioren und Singles gewonnen. Verbesserungen für Kinder und Familien lassen sich somit häufig nur erreichen, wenn neben den Kindergarteneltern weitere Bevölkerungsgruppen aktiviert werden können.

Öffentlichkeitsarbeit

Durch das gerade beschriebene politische Engagement können Erzieherinnen das in der Gemeinde vorherrschende Bild von ihrem Kindergarten zu einem großen Teil prägen - und damit indirekt auch das Bild vom Kindergarten als Institution. Dabei ist immer mitzudenken, dass gleichzeitig die in der Öffentlichkeit vorherrschenden Vorstellungen über den Erzieherinnenberuf beeinflusst werden.

Öffentlichkeitsarbeit dient somit in erster Linie der Selbstdarstellung des Kindergartens und des Berufsstandes der Fachkräfte. Die Erzieherinnen wollen ihre pädagogische Arbeit, ihre Leistungen, die Vielseitigkeit ihrer Tätigkeit und ihre Professionalität den Bürgern in ihrer Gemeinde und im weiteren Umkreis bekannt machen oder auf aus dem üblichen Rahmen herausfallende Aktivitäten und Projekte hinweisen. Sie möchten Interesse am Kindergarten wecken und eine positive Grundhaltung ihm gegenüber in der Gemeinde hervorrufen. Letztlich wollen sie erreichen, dass das von ihnen entwickelte und oftmals in einer schriftlichen Konzeption niedergelegte Profil ihres Kindergartens mit dem Bild übereinstimmt, das sich andere Menschen von ihm machen. Dieses Ziel kann natürlich nur annähernd realisiert werden.

Vielfach wird Öffentlichkeitsarbeit auf die Erstellung von Elternbriefen und ähnlichen Schriften, auf Informationsveranstaltungen und Kontakte zu Zeitungen reduziert. Sie ist aber viel mehr: So wird das Bild vom jeweiligen Kindergarten in der Öffentlichkeit entscheidend von Verhalten und Auftreten der Fachkräfte geprägt: wie sie die Kinder und ihre Eltern morgens begrüßen und abends verabschieden, ob sie im Außengelände nur die spielenden Kinder beaufsichtigen oder ob sie dort besondere Aktivitäten anleiten, wie sie die Fenster, den Eingangsbereich und die Außenflächen des Kindergartens gestalten, ob sie auf Nachbarn zugehen, wie sie Besucher empfangen und wie sie und die Kinder sich bei Spazier-, Erkundungs- und Einkaufsgängen im Gemeinwesen verhalten.

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, welchen Eindruck die Eltern von der pädagogischen Arbeit und von der Elternarbeit des Kindergartens gewinnen - letztlich sind Eltern die "Meinungsmacher" in der Gemeinde. Ihre Äußerungen über den jeweiligen Kindergarten beeinflussen das Bild der Bürger/innen von ihm mehr, als es alle gezielten Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Erzieherinnen können. Damit bekommt die Elternarbeit eine zusätzliche Akzentsetzung: Wird die Arbeit mit den Kindern transparent gemacht, werden der pädagogische Ansatz und die Konzeption zusammen mit den Eltern weiterentwickelt, wird den Bedürfnissen und Wünschen der Eltern entsprochen, werden zufrieden stellende Elternangebote gemacht - dann werden Eltern zu wohlmeinenden Botschaftern des Kindergartens im Gemeinwesen. Hospitations-, Mitarbeits- und Mitbestimmungsmöglichkeiten für Eltern sind in diesem Kontext besonders wichtig.

Im Team können viele konkrete Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit geplant werden. Empfehlenswert ist, dass sich alle Mitglieder zunächst über die Ziele verständigen und gemeinsam ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit entwickeln. Dies führt automatisch zur Reflexion des eigenen pädagogischen Handelns und der bisherigen Elternarbeit. Dann muss sich das Team mit der Vielzahl von Formen der Öffentlichkeitsarbeit auseinander setzen: schriftliche Materialien wie Kindergartenzeitung oder pädagogische Konzeption, Schaukästen und Plakate, Veranstaltungen wie "Tag der offenen Tür" oder Jubiläumsfeiern, Ausstellungen, die Beteiligung an Gemeindefeiern oder das Verfassen von Beiträgen für Zeitungen. Auch wenig übliche Formen wie (Umwelt-)Aktionen oder die Herstellung und den Verkauf - gemeinsam mit den Kindern - von Koch-, Lieder- und Bilderbüchern, Kalendern, T-Shirts usw. sind zu berücksichtigen. Die Teammitglieder werden über die Vor- und Nachteile der einzelnen Formen der Öffentlichkeitsarbeit, den für sie zu veranschlagenden Zeitaufwand und deren Übereinstimmung mit den angestrebten Zielen diskutieren. Schließlich sollten geeignete Maßnahmen ausgewählt und in die Jahresplanung des Teams integriert werden.

Ausstellungen sind eine der wenigen pädagogisch wertvollen Formen der Öffentlichkeitsarbeit, da sie die Einbeziehung der Kinder von Anfang an ermöglichen und z.B. den krönenden Abschluss eines Projekts bilden können. Ausgestellt werden können Bastelarbeiten und Bilder der Kinder, aber auch Fotos oder andere Zeugnisse des Kindergartenlebens sowie im Rahmen von Projekten angelegte Sammlungen von Naturmaterialien oder anderen Gegenständen. Eine Sonderform ist die Verkaufsausstellung, bei der die Kinderprodukte erworben werden können oder gar versteigert werden.

Von Art und Ort der Ausstellung hängt ab, wie attraktiv sie für die Bürger der Gemeinde sind. Eine Ausstellung im Kindergarten selbst erreicht überwiegend die Eltern und andere Familienmitglieder. Wird sie hingegen im Gemeindezentrum, im Rathaus, in den Schalterräumen einer Sparkasse oder Bank, in einer Bücherei oder in einem anderen öffentlich zugänglichen und stark frequentierten Gebäude platziert, werden in der Regel bei weitem mehr Außenstehende angesprochen. Außerdem können hier oftmals Stellwände, Schaukästen, Spotlights und andere Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, die ein ansprechendes Arrangement der Ausstellungsgegenstände erleichtern.

Nahezu alle Kindergärten setzen in der Elternarbeit schriftliche Materialien ein. Weit verbreitet sind Elternbriefe und Kindergartenzeitungen. Vielerorts liegen auch pädagogische Konzeptionen und Informationsschriften für zukünftige Kindergarteneltern vor. Ferner müssen zu den schriftlichen Materialien Plakate, Aushänge, Handzettel und Briefe gerechnet werden. Auf diese Weise informieren Erzieherinnen Eltern über ihren pädagogischen Ansatz, die praktische Arbeit, besondere Aktivitäten und Veranstaltungstermine oder reagieren im Falle von Briefen und Notizen auf Anfragen von einzelnen Eltern bzw. geben Hinweise bezüglich des jeweiligen Kindes. In der Regel handelt es sich um "Einwegkommunikation".

Bei allen schriftlichen Materialien ist zu beachten, dass auch durch sie das Bild vom Kindergarten in der Öffentlichkeit geprägt wird. So sollten sie einen positiven Eindruck vermitteln. Dies gilt umso mehr, wenn sie über den Kreis der Eltern hinaus verteilt werden - es ist durchaus empfehlenswert, Kindergartenzeitungen und pädagogische Konzeptionen auch an Kooperationspartner wie Grundschulen, Beratungs- und Frühförderstellen, Jugendamt und Trägerverband zu senden. Somit ist eine professionelle Gestaltung schriftlicher Materialien anzustreben. Hier fällt auf, wie wenig noch die Möglichkeiten der modernen Textverarbeitung von Erzieherinnen genutzt werden - obwohl in unserer Gesellschaft inzwischen kaum noch etwas ohne Computer geht. Verantwortlich hierfür sind zum größten Teil die Aus- und Fortbildungsträger, die entsprechende Kompetenzen nicht vermitteln. Die benötigten Fertigkeiten können jedoch auch an Volkshochschulen und anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen, oft sogar von Partnern, Freunden und Bekannten erworben werden. Wenn sich der Kindergarten keinen eigenen Computer und Drucker anschaffen kann, so könnten doch zumeist andere Geräte (z.B. im Pfarrsekretariat) mitbenutzt werden. Schließlich können durchaus Eltern, die über einen Computer verfügen, in die praktische Erstellung von Kindergartenzeitungen, Elternbriefen und Konzeptionsschriften einbezogen werden.

Nicht nur die im Gemeinwesen vorherrschenden Bilder vom eigenen Kindergarten, sondern auch die in der Öffentlichkeit verbreiteten Vorstellungen über den Kindergarten an sich sowie über den Erzieherberuf können dadurch beeinflusst werden, dass Fachkräfte mit Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen kooperieren. Zu einer guten Öffentlichkeitsarbeit gehört, dass das Team ihre Ansprechpartner in den Redaktionen des Umkreises ermittelt. Zumindest zu Journalisten der Lokalpresse sollte dann möglichst ein lockerer, aber kontinuierlicher Kontakt aufgebaut werden. Dieser kann mit einem Informationsgespräch in der Redaktion beginnen und durch Besuche mit Kindern, Zusendung der Kindergartenzeitung, Telefonanrufe u.Ä. aufrechterhalten werden. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass immer wieder Berichte über den Kindergarten in der Zeitung stehen.

Journalisten kommen in der Regel nur auf Einladung bzw. zu besonderen Anlässen wie Eröffnungs- oder Jubiläumsfeiern in den Kindergarten. Ihre Fragen sollten offen, ehrlich und freundlich beantwortet werden. Können Journalisten aus Zeitmangel eine Einladung nicht wahrnehmen oder möchte das Team ein eher allgemeines Thema in die Zeitung bringen, bietet es sich an, gemeinsam einen Artikel abzufassen und an den Ansprechpartner in der jeweiligen Redaktion zu senden. Wird über eine Veranstaltung oder ein besonderes Ereignis berichtet, sollte das Manuskript möglichst am selben oder am nächsten Tag bei der Post aufgegeben oder direkt überbracht werden, da Zeitungen nur an aktuellen Berichten interessiert sind. Bei anderen Themen wie z.B. "Der erste Tag im Kindergarten", "Immer mehr verhaltensauffällige Kleinkinder", "Darf man Kinder bestrafen?" oder bei Berichten über Projekte, Exkursionen und ähnliche Unternehmungen kann sich das Team hingegen mehr Zeit nehmen.

Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de