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Zitiervorschlag

Von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Hort und Schule

Ingeborg Becker-Textor

 

Mit der Diskussion über den Ausbau von Ganztagsschulen, verlässlicher Halbtagsschule und Schülermittagsbetreuung schien der Hort lange Zeit gefährdet. Aber der Hort, mit seinem spezifischen sozialpädagogischen Angebot, hat überlebt und ist weiterhin eine wichtige Form der Förderung, Erziehung und Betreuung für Kinder nach der Einschulung.

Horterzieher/innen beklagen aber noch immer, dass sie sich in ihrer Arbeit alleingelassen fühlen, von der Fachberatung ebenso wie bei Fortbildungsangeboten: "Der Hort, das Stiefkind im sozialpädagogischen Arbeitsfeld" - so jedenfalls die Meinung vieler Horterzieherinnen und Hortleiterinnen bei einer Fortbildung für Mitarbeiter aus Kinderhorten.

"Nur weil zwei oder drei Kinder meiner Klasse einen Hort besuchen, soll ich mich intensiver mit diesem Bereich befassen?" - so die Aussage einer Lehrerin bei einer gemeinsamen Fortbildung für Lehrer/innen und Horterzieher/innen. Für viele Lehrer/innen ist jedoch der Hort wichtiger geworden und nicht bloß eine pädagogische Randerscheinung. Im Hort gehört das Wort Schule zum Alltag von Kindern und Erzieher/innen.

Der Hort

Der Hort ist eine Tageseinrichtung für Kinder im Anschluss an die Unterrichtszeit in der Schule (§22a SGBVIII - detaillierte Regelungen finden sich in den Kita-Gesetzen, Fördergrundsätzen und Bildungsplänen der Bundesländer). Überwiegend wird der Hort von Grund- und Hauptschüler/innen besucht - nur in wenigen Fällen von Kindern aus einer weiterführenden Schule. Immer häufiger melden Eltern mit Migrationshintergrund ihr Kind im Hort an, damit es die deutsche Sprache besser lernt und weil sie es wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht selbst beim Lernen und bei den Hausaufgaben unterstützen können. Aber auch der Anteil der schwierigen Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, Konzentrationsstörungen und Teilleistungsschwächen nimmt zu. Eltern und Lehrer/innen erhoffen sich durch den Besuch des Hortes eine Verbesserung für das Kind, das Elternhaus und die Schule.

Bericht einer Lehrerin an einer Grundschule in einem sozialen Brennpunkt: "Wenn es hier keinen Hort gäbe, dann würde kaum ein Kind die Schule erfolgreich abschließen. Könnte ich entscheiden, jedes meiner Kinder müsste den Hort besuchen. Die Hortkinder sind die einzigen Kinder in der Klasse, die ihre Hausaufgaben gemacht haben. Bei den anderen..."

Eine Mutter: "Ich habe keine Lust, mich auch noch um die Hausaufgaben zu kümmern. Ich zahle für den Hort und verlange dafür, dass mein Kind problemlos durch die Schule kommt".

Es wird geschätzt, dass heute ca. ein Drittel der Hortkinder bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwächst und mindestens 50% der Kinder aus "Problemfamilien" kommen.

In begrenztem Umfang übernimmt der Hort Funktionen, die üblicherweise in der Familie wahrgenommen werden, z.B. Mittagessen, Betreuung und Hilfe bei den Hausaufgaben, Aufbau sozialer Kontakte, Anleitung zu sinnvoller Freizeitgestaltung usw. Häufig wird die Ansicht vertreten, dass im Hort in erster Linie Kinder aufgenommen werden sollen, die ein familienergänzendes und -unterstützendes Angebot brauchen. Das hat sich verändert. Durch die Zunahme Alleinerziehender und die Vollerwerbstätigkeit von Frauen rücken Kinderhorte immer stärker in den Fokus der öffentlichen Diskussion und erhalten einen "Regelplatz" in der Reihe der Kitas.

Auftrag und Ziele des Hortes

Der Hort hat einen eigenständigen, sozialpädagogisch orientierten Erziehungsauftrag. Er soll den Kindern in ihrer individuellen Situation Möglichkeiten und Anreize zur Entwicklung ihrer gesamten Persönlichkeit bieten. Primäre Aufgabe des Hortes muss sein, "leben zu lernen": Ängste, Freude, Erlebnisse, Schmerz, Entdeckungen, Erfahrungen müssen verarbeitet und verwertet, Freundschaften gepflegt werden.

Grundsätzlich haben Hort und Schule gleiche oder ähnliche Bildungsziele, jedoch mit einer anderen schwerpunktmäßigen und methodischen Umsetzung. Der Hort darf nicht zum verlängerten Arm der Schule werden, d.h. konkret, dass Hausaufgaben nicht zum Mittelpunkt der Hortarbeit werden dürfen. Natürlich soll die Erledigung der Hausaufgaben aus dem Aufgabenbereich des Hortes nicht ausgeblendet werden. Die Erzieher/innen geben den Kindern individuelle Hilfen, wo sie notwendig sind. Reinen Nachhilfeunterricht kann und soll der Hort aber nicht leisten!

Zur altersgemäßen Förderung von Hortkindern gehört es, dass sie das Leben im Hort mitgestalten und mitentscheiden können, wie sie ihre Freizeit verbringen wollen, welche Projekte durchgeführt werden usw. ("Partizipation"). Hortkinder benötigen ausreichend Raum und Zeit, um eigene Aktivitäten zu entwickeln, für fantasievolles Spiel, für Sport, Werken und verschiedenste Unternehmungen. Will der Hort den Bedarfslagen der Kinder wirklich gerecht werden, so muss seine Arbeit ihren Platz im Gemeinwesen finden. Die Kinder haben dann die Möglichkeit, Angebote und Einrichtungen im Stadtteil oder in der Kommune zu nutzen, wie dies auch Kinder tun können, die keinen Hort besuchen.

Wolfgang, ein 10-jähriges Hortkind, definiert Auftrag und Ziel des Hortes: "Also ein Hort, da geht man nach der Schule hin. Da ist immer jemand da. Da bekommt man ein warmes Essen und macht seine Hausaufgaben. Das wichtigste ist aber, dass man jemanden zum Reden hat. Wenn es einem nicht gut geht, wenn man die Hausaufgaben nicht verstanden hat und wenn man daheim Ärger hat. Die Erzieherin bei mir im Hort, die geht auch mit mir mal heim, bei 'ner schlechten Note oder so. Die ist prima. Ich mag die richtig!"

Die Rolle der Erzieherin/des Erziehers im Hort

Auf einer Fortbildung für Hortleiter/innen beschrieb eine Erzieherin ihre Rolle: "Man erwartet von mir, dass ich Mutter, Therapeutin, Eheberaterin, Allround-Lehrer für neun Jahrgangsstufen und verschiedene Schultypen, Nachhilfeinstitut, Freizeit-Animateur, Hausfrau, Werklehrerin, Seelentröster, Erziehungsberaterin, Sozialerzieherin, Verwaltungskraft, Vorbild, Gesprächspartner, Vermittler, Krankenpflegerin, Ernährungsfachfrau, Putzfrau usw. bin. Manchmal halte ich es nicht mehr aus, weil so viele Erwartungen an mich gestellt werden. Ich glaube, ich höre auf, im Hort zu arbeiten, aber..."

Auf die Frage, wer denn alle diese Erwartungen an sie stelle, berichtet sie: "Die Schule: Lehrer empfehlen den Eltern schlechter Schüler den Hort und erwarten sich eine Verbesserung der Schulleistungen. Schwierige Kinder sollen im Hort 'zurechtgebogen' werden...

Die Eltern: Sie schieben alle Verantwortung für Hausaufgaben auf den Hort. Sie vertreten den Standpunkt, dass der Hort, für den sie ja einen Beitrag entrichten, aus ihrem Kind ein braves, ordentliches, anpassungsfähiges, kluges Kind macht.

Die Kinder: Sie kommen mit allen ihren Problemen, weil sie sich im Hort sicher und wohl fühlen und wir guten Kontakt zueinander haben. Sie hoffen, dass wir vermitteln zwischen ihnen und den Eltern oder auch zwischen ihnen und der Schule.

Der Träger/Arbeitgeber: Der Hort muss funktionieren, alle Plätze müssen besetzt sein. Möglichst nur der gesetzlich vorgeschriebene Personalschlüssel wird genehmigt. Feste, Basare etc. zur Behebung des Kostendefizits werden erwartet. Wir spüren kaum Verständnis für unsere pädagogische Arbeit.

Die Öffentlichkeit: Im Hort, da werden die 'asozialen' Kinder sozialisiert. Der Hort sei eine überflüssige Einrichtung, in der in erster Linie die Hausaufgaben schlechter Schüler kontrolliert werden..."

Die erweiterten Anforderungen an den Hort durch die Zunahme von Kindern und Familien mit Migrationshintergrund werden in der personellen Besetzung noch lange nicht ausreichend berücksichtigt. Häufig wird der Hort zu einer Art "Sozialstation", die ausländische Eltern unterstützt, Sprachbarrieren zu verringern versucht, für sie dolmetscht, Anträge ausfüllt, sie zu Behörden begleitet etc.

Eine spezifische Vorbereitung für Mitarbeiter/innen im Hort gibt es nicht. In der sozialpädagogischen Ausbildung an Fachschulen bzw. Fachakademien für Sozialpädagogik stehen seit dem Rechtsanspruch auf einen Krippen- und Kindergartenplatz noch viel zu sehr diese Bereiche im Vordergrund.

Die Fortbildung für Mitarbeiter/innen in Horten muss noch weiter ausgebaut werden. Es arbeiten engagierte Erzieher/innen und Sozialpädagog/innen im Hort, die sich bisher die notwendigen pädagogischen und methodisch-didaktischen Grundlagen mehr oder weniger selbst erarbeiten mussten.

Pädagogische Felder in der Hortarbeit

Insbesondere Eltern und Lehrer/innen sind sich der pädagogischen Felder im Bereich der Hortarbeit mit all ihren Handlungsspielräumen nicht immer bewusst. So bietet der Hort "Bereiche" für die erzieherische Arbeit und das soziale Lernen: bei den Hausaufgaben, beim Mittagessen, im Freizeitbereich, in der Arbeit mit den Eltern.

Wolfgang: "Die im Hort, die sagen nicht immer gleich, dass man blöd sei oder in der Schule nicht aufgepasst hätte. Mein Vater brüllt daheim immer gleich los. Im Hort, da gibt es eine Hausaufgaben- und eine Spielzeit. Das ist dann wie eine Belohnung, und man freut sich schon drauf. Der Klaus ist im Rechnen viel besser, der hilft mir. Wenn es bei mir schneller ginge, dann tät ich auch den Kleinen helfen... Toll ist auch, dass es immer richtiges Essen gibt, nicht bloß ein Brot. Daheim bei uns wird nie warm gekocht. Am Anfang im Hort, da hatte ich immer Angst, dass ich nicht genug kriegen könnte. Aber das Essen reicht für alle. Es gibt sogar meistens eine Nachspeise".

Elternarbeit im Hort ist nicht immer einfach, da davon ausgegangen werden muss, dass alle Eltern stark im Berufsleben eingespannt sind. Dies bedeutet, dass für den Hort ganz besondere Formen der Elternarbeit gefunden werden müssen, z.B. gemeinsame Unternehmungen mit Eltern und Kindern am Wochenende, gemeinsames Abendessen nach einem Hort- und Arbeitstag - es wird mit den Kindern vorbereitet -, gemeinsamer Sportabend mit den Vätern u.Ä. Eltern sind die Partner des Hortes in der Erziehung der Kinder. Ein ständiger Kontakt ist wichtig.

Zusammenarbeit von Hort, Elternhaus und Schule

Kinder, die den Hort besuchen, leben in verschiedenen Lebensbereichen: Familie, Schule, Hort und Öffentlichkeit. Diese Lebensbereiche müssen berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden - nur dann ist die bestmögliche Förderung und Erziehung der Kinder zu erreichen. Dazu ist ein regelmäßiger Austausch und eine intensive Kooperation zwischen Hort, Eltern und Schule erforderlich.

Es gibt keine ausreichenden Regelungen zur Zusammenarbeit von Hort und Schule, lediglich einige Empfehlungen. Diese fordern zur Zusammenarbeit beider Einrichtungen auf, damit pädagogische und organisatorische Fragen gemeinsam beraten und abgestimmt werden können. Teilweise wird auch ausdrücklich vermerkt, dass im Hort Hausaufgaben zur Zufriedenheit von Kindern, Eltern und Lehrer/innen erledigt werden sollen. Wird hier der sozialpädagogische Auftrag des Hortes verkannt?

Insoweit bereits eine Zusammenarbeit zwischen beiden Einrichtungen besteht, gehen die Initiativen meist vom Hort aus. Dies begründet sich im Problemfeld der Hausaufgaben, die während der Hortzeit gemacht werden müssen. Nicht selten sind die Hausaufgaben die Ursache für Spannungen mit Eltern und Schule, weil sie die sozialpädagogischen Aufgaben des Hortes sehr stark eingrenzen.

Soll der Hort erfolgreiche Arbeit leisten, so ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schule und Hort dringend notwendig. Diese Kooperation muss noch stärker die Eltern einbinden. Soll es zu einem wirklichen Austausch zwischen Horterzieher/innen und Lehrer/innen kommen, so ist aus datenschutzrechtlichen Gründen die Zustimmung der Eltern erforderlich. Nur dann dürfen Informationen über das Kind und seine Familie ausgetauscht werden.

Nicht selten wird auch beobachtet, dass Hort und Schule gegeneinander "ausgespielt" werden. So empfiehlt es sich, dass Elternsprechstunden in der Schule grundsätzlich von Horterzieher/innen und Eltern gemeinsam besucht werden. Schreibt man dem Hort die Aufgabe zu, dass er die Erziehung in der Familie ergänzen soll, so braucht die Horterzieherin Wissen über die Familienerziehung. So wäre es sicher auch vorstellbar, dass für Horteltern ein Elternsprechtag im Hort durchgeführt wird. Die Lehrer/innen sollten dann im Hort anwesend sein; die Kinder könnten von einer Mitarbeiterin des Hortes betreut werden. So kann es zu Gruppengesprächen zwischen Horteltern, Lehrer/innen und Horterzieher/innen kommen, aber auch zu Einzelgesprächen. Wichtig ist, dass gemeinsam pädagogische Schritte und Fördermöglichkeiten zum Wohl der Kinder überlegt werden.

Kooperationsmodelle Hort - Elternhaus - Schule

Hort und Schule tragen Verantwortung für eine altersspezifische Förderung und Erziehung des Kindes. Beide Institutionen haben jedoch unterschiedliche Ausgangslagen, z.B. hinsichtlich ihrer historischen Entwicklung, ihrer Organisationsform und ihres schulpädagogischen bzw. sozialpädagogischen Auftrags. Daraus ergibt sich, dass Formen der Zusammenarbeit zwar festgelegt und empfohlen, nicht aber einheitlich durchgeführt werden können. Vielmehr sollen Erzieher/innen und Lehrer/innen ihre Kooperationsformen den jeweiligen örtlichen Verhältnissen anpassen.

Die gemeinsame Konferenz: Hort und Schule stellen fest, mit welchen Einrichtungen im jeweiligen Einzugsgebiet eine Zusammenarbeit erforderlich und möglich ist. Der Anlass zu einer gemeinsamen Besprechung kann die Einschulung eines Kindes bzw. der Lehrerwechsel sein. Es ist günstig, wenn sich zu Beginn des Schuljahres alle Lehrer/innen (in deren Klassen Kinder den Hort besuchen) und das Team des Hortes zu einem Gespräch im Hort treffen würden. Bei diesem Treffen können die Lehrer/innen grundlegende Informationen über den sozialpädagogischen Auftrag des Hortes erhalten und gleichzeitig auch von den begrenzten Möglichkeiten erfahren, die der Hort im Hinblick auf Hausaufgabenhilfe hat.

Die Elternsprechstunde: Da der Horterzieherin häufig seitens der Eltern die Verantwortung für schulische Leistungen und Hausaufgaben angelastet wird, besuchen sie nicht mehr die Elternsprechstunde der Schule. Hier ist es notwendig, dass Gespräche mit allen an der Erziehung Beteiligten regelmäßig stattfinden. So ist ein gemeinsames Bemühen, Termine für die Elternsprechstunde zu finden, unerlässlich. Es ist nötig, dass Eltern, Horterzieher/in und Lehrer/in sich zu gemeinsamen Gesprächen treffen. Nur so lassen sich Missverständnisse abbauen und vor allem bestmöglichste Hilfen für das jeweilige Kind aufzeigen.

Bericht einer Horterzieherin: "Die meisten Eltern können untertags nicht zur Sprechstunde in die Schule kommen. Bei uns bieten die Lehrer für die Eltern von Hortkindern die Sprechstunde zweimal im Jahr im Hort an. Die Kinder bleiben an diesem Tag länger im Hort und wir bieten den Eltern - von den Kindern vorbereitet - einen kleinen Imbiss. Die Kinder können noch spielen. Währenddessen finden gemeinsame Gespräche zwischen uns, den Eltern und den Lehrern statt".

Gegenseitige Besuche und Hospitationen von Erzieher/innen und Lehrer/innen: Damit die Zusammenarbeit sich erfolgreich gestalten kann, sind solche Aktivitäten äußerst wichtig. Der Lehrer kann bei seinem Besuch im Hort das Umfeld seiner Schüler/innen nach der Schule kennen- und entdecken lernen. Gleichzeitig wird er die Schwierigkeiten wahrnehmen, die sich durch die relativ große Hortgruppe und die gleichzeitige Anwesenheit von Schüler/innen aus den verschiedenen Jahrgangsstufen ergeben. Die Horterzieherin kann bei ihrem Besuch in der Schule die Entwicklung der Kinder beobachten, aber auch die Unterrichtsformen und die praktische Umsetzung des Lehr- und Lernstoffs kennen lernen. Solche gegenseitigen Besuche sollten mit der Schulleitung und dem Träger des Hortes abgestimmt werden.

Besuche von Schulkindern im Hort: Nicht selten werden Kinder, die den Hort besuchen, von ihren Mitschüler/innen negativ abgestempelt. Um bei den Klassenkameraden mehr Interesse und Verständnis für den Hort zu wecken, sollten hin und wieder auch einzelne Schulkinder oder eine ganze Klasse den Hort besuchen. So lernen die Klassenkameraden die Einrichtung kennen und können sich einen ersten Eindruck von der Hortbetreuung verschaffen.

Wolfgang: "Ich wollte gleich wieder raus aus dem Hort. Da waren welche in meiner Klasse, die haben immer Hortbubi hinter mir hergerufen und dass ich wohl keine Mutter hätte, zu der ich nach der Schule könnte. Aber meine Mutter muss doch arbeiten. Mein Vater ist schon tot, und meine Mutter hat gesagt, dass die Rente nicht reicht. Verwandte von uns wohnen nicht hier. Ich hab das mal unserer Frau R. im Hort erzählt, weil es nämlich anderen auch so ging. Frau R. hat gemeint, dass wir mal überlegen sollten, was wir machen könnten. Und dann haben wir beschlossen, dass wir an einem Freitagnachmittag die ganze Klasse einladen, auch unsere Lehrerin. Alle haben sich den Hort angeschaut, und wir haben gespielt. Die haben vielleicht gestaunt. Wenn es noch Plätze gäbe, dann wollten jetzt noch mehr Kinder in den Hort. Aber erst dürfen die kommen, bei denen es nötig ist, so wie bei mir".

Unterrichtsgestaltung und Lehrpläne: Es ist auf alle Fälle eine Erleichterung für die Zusammenarbeit, wenn sich Lehrer/innen und Erzieher/innen im Hort über den Inhalt der Lehrpläne und die speziellen Klassenlehrpläne aussprechen können. Für die Horterzieherin ist es von Bedeutung zu erfahren, welche Inhalte den Kindern im jeweiligen Schuljahr vermittelt werden und welcher Methoden sich der Lehrer bedient. Gleichzeitig wird der Lehrer erfahren, welche Möglichkeiten für die Erledigung der Hausaufgaben dem Hort zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist auch eine Absprache über die Länge der Hausaufgabenzeit empfehlenswert. Dem Lehrer muss deutlich werden, dass Horterzieher nicht Nachhilfelehrer für alle Klassen sind, und dass für eine gelingende Horterziehung ein sinnvoll gestalteter Freizeitbereich unverzichtbar ist.

Zusammenarbeit mit den Eltern: Für Eltern muss die enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Hort erkennbar werden. So kann auch das Vertrauen zwischen Familie, Hort und Schule gestärkt und gemeinsam das Bestmögliche zum Wohl des Kindes geleistet werden.

Beratende Funktion der Horterzieherin hinsichtlich Fragen des Schulübertritts bzw. der Ausschulung: Die Horterzieherin hat Gelegenheit zu langfristiger Beobachtung und kennt im Allgemeinen den Entwicklungsstand eines Kindes sehr gut. So kann sie vor wichtigen Entscheidungen - wie z.B. hinsichtlich des Schulübertritts in die Förderschule oder in eine weiterführende Schule - beratend tätig werden. Die Eltern sind im Regelfall mit der Hausaufgabenerledigung des Kindes kaum vertraut, sodass die Beratung durch die Horterzieherin ersatzweise notwendig wird.

Fortbildungsveranstaltungen: Den staatlichen Schulämtern und den Verbänden wird empfohlen, zu Fortbildungsveranstaltungen mit einschlägigen Themen auch die Pädagog/innen aus dem Hort bzw. der Schule einzuladen. Solche gemeinsamen Veranstaltungen können die Kooperation nur verbessern. Besonders wichtig sind dabei Veranstaltungen zur Einführung eines neuen Lehrplans, zu Änderungen im Aufbau des Erstunterrichts usw.

Bericht über eine gemeinsame Fortbildung von Horterzieherinnen und Lehrern: "Die Teilnehmergruppe setzte sich aus 14 Horterzieherinnen und 16 Lehrern und Lehrerinnen zusammen. Erstere waren freiwillig und aus Interesse zu der Veranstaltung gekommen, während Letztere von ihrem Rektor oder Schulrat geschickt wurden. Die mehrtägige Fortbildung wurde geprägt durch ein prozesshaftes Geschehen. Auf der Heimfahrt saß ich mit einer der teilnehmenden Lehrerinnen im Zugabteil. 'Ich wollte nicht zu der Veranstaltung. Ich habe nur fünf Hortkinder in meiner Klasse. Die Hortnerin habe ich auch erst jetzt auf der Fortbildung kennen gelernt. Aber was sie so berichtet hat und was Sie uns vermittelt haben, das hat mich doch sehr betroffen gemacht. Ich sehe den Hort und meine fünf Hortkinder jetzt mit ganz anderen Augen'."

Vorüberlegungen zum Start in eine Kooperation: Nun möchte ich Sie als Lehrer/in oder als Erzieher/in direkt ansprechen. Vielleicht sind Sie jetzt motiviert, die Kooperation mit der Schule bzw. dem Hort aufzunehmen. Bevor Sie nun den Schritt in Ihre "Nachbareinrichtung" tun, möchte ich Sie bitten, sich mit folgenden Fallbeispielen gedanklich oder im Rollenspiel mit Kolleg/innen zu beschäftigen:

  • Die Eltern hatten sich bei der Horterzieherin beschwert, dass trotz Hort (und eines so hohen Beitrags) ihr Kind Claudia in der Schule nicht besser wird. Das letzte Zeugnis... Die Elternsprechstunde des Klassenlehrers wurde von den Eltern nicht besucht. Auf Initiative der Horterzieherin kommt es nach mehreren Anläufen zu einem Gespräch.
  • Peter schwänzt immer wieder Schule und Hort. Lehrer und Horterzieherin planen gemeinsam einen Hausbesuch und führen diesen dann durch.
  • Christiane ist total verschüchtert, wenn sie aus der Schule kommt. Das dreiköpfige Team des Hortes bespricht diesen Fall und beschließt, mit dem Klassenlehrer von Christiane zunächst telefonisch Kontakt aufzunehmen.
  • Klaus ist das "schwarze Schaf" in der Hortgruppe und der Schulklasse. Die Horterzieherin bespricht diesen Fall mit dem Klassenlehrer und einem Fachlehrer. Gemeinsam wird ein Handlungsplan entworfen.

Und jetzt alles Gute für Ihre Kooperation mit Hort bzw. Schule!

Anmerkung

Eine erste Fassung dieses Textes erschien in: Die Grundschulzeitschrift 1989, 28 (3), S. 30-36. Der Artikel wurde im Jahr 2015 überarbeitet und aktualisiert.

Autorin

Ingeborg Becker-Textor ist Kindergärtnerin und Hortnerin. Sie studierte Diplom-Sozialpädagogik an der Fachhochschule Würzburg und Diplom-Pädagogik an der Universität Würzburg und hat mehrere Zusatzqualifikationen wie z.B. den Abschluss als Fachlehrerin für Werken und das Montessori-Diplom erworben.
Frau Becker-Textor arbeitete als Kindergartenleiterin in Würzburg, als Regierungsfachberaterin für Kindertageseinrichtungen in Unterfranken, als nebenberufliche Dozentin in der Ausbildung für Kinderpfleger/innen und Erzieher/innen, in der Fortbildung für Erzieher/innen und Fachkräfte in der Jugendhilfe sowie mehr als 20 Jahre lang als Referatsleiterin im Bayer. Sozialministerium (nacheinander in den Bereichen Jugendhilfe, Kindertagesbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit). Im Ministerium war sie auch für zahlreiche Forschungsprojekte auf Landes- und Bundesebene zuständig. Von 2006 bis 2018 leitete sie zusammen mit ihrem Mann das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg.
Ingeborg Becker-Textor ist Autorin bzw. Herausgeberin von mehr als 20 Büchern und über 40 Medienpaketen. Sie hat ca. 140 Fachartikel in Zeitschriften, in Sammelbänden und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de