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Zitiervorschlag

Aus: Wir. Kindergärten in Südtirol. Heft 1/2014-2015, S. 6-9

"Komm, wir springen über'n Zaun!" Öffnung des Kindergartens zum Umfeld

Ludger Pesch

 

Es war erst mein zweiter Arbeitstag als Leiter eines Kindergartens: Im Windfang kamen mir Katja und Patrick entgegen, zwei etwa fünfjährige Kinder, die das Haus verlassen wollten. "Wohin des Weges?", fragte ich sie überrascht. "Wir gehen zum Kiosk, um für Angelika die Zeitung zu holen", sagte mir eines. Meine Verblüffung war groß. Ich ließ die Kinder ziehen, begab mich aber unmittelbar zu ihrer Erzieherin Angelika und führte mit ihr in den nächsten zwanzig Minuten ein sehr interessantes Gespräch.

Was denken Sie über die Geschichte? Vielleicht stellen auch Sie einige der folgenden Fragen: Wo lag der Zeitungsladen? Zum Kiosk waren die Kinder etwa zehn Minuten unterwegs - zunächst am Grundstück des Kindergartens entlang, dann musste eine ruhige Seitenstraße überquert werden, zuletzt ging es an einer belebten Straße auf dem Fußgängerstreifen entlang. Und an der Kreuzung, wo auch der U-Bahn-Eingang liegt, stand der Kiosk. War es eine Bastel- oder Kinderzeitung, die die Kinder holten? Nein, es handelte sich um die Tageszeitung, die die Erzieherin Angelika gerne las. Hatten die Eltern ihre Zustimmung gegeben? Angelika hatte selbstverständlich die Eltern ihrer Gruppe über ihre Arbeit informiert und mit ihnen diskutiert.

Die Erzieherin Angelika verwirklichte in ihrer Arbeit eine mich noch immer überzeugende pädagogische Idee der Öffnung zum Umfeld des Kindergartens. Im Gespräch mit ihr habe ich vor allem zwei Motive erkannt: Nichts war für die Kinder reizvoller, als sich außerhalb des Kindergartens zu bewegen. Hier gab es so vieles alleine zu entdecken - ich komme auf dieses Motiv noch später zurück. Und der Auftrag, die Zeitung holen zu dürfen, war ein "Top-Job" in der altersgemischten Gruppe, der natürlich den erfahrenen Kindern vorbehalten war. Ein echtes, selbst erworbenes Privileg also: Es lohnte sich in dieser Gruppe, älter und kompetenter zu werden.

Kinder wollen keine Zäune

Der in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern erfolgte Ausbau der öffentlichen Kindertagesbetreuung ist mit guten Gründen gefordert und umgesetzt worden. Es gab und gibt dafür mindestens zwei Gründe: Bildungsgerechtigkeit und arbeitsmarktpolitische Chancengleichheit für Familien mit Kindern. Aber, seien wir ehrlich: Es geschah nicht aufgrund der Wünsche von Kindern. Ganz drastisch drückt es Hans Rudolf Leu (2002) aus: Der Ausbau der öffentlichen Kindertagesbetreuung "bedeutet im Kern eine zunehmende Institutionalisierung von Kindheit ... Sie ist erforderlich, weil der Alltag von Erwachsenen so gestaltet ist, dass Kinder darin stören" (S. 62). Die Einrichtung eines Kindergartens bedeutet also die Ausgrenzung der Kinder aus der Erwachsenenwelt; darüber können gelegentliche Ausflüge (auch dazu später mehr!) nicht hinwegtäuschen. Zumindestens in den Städten kommen Kinder ohne pädagogische Begleitung kaum noch vor; der Kinderforscher Jens Qvortrup spricht in diesem Zusammenhang von einer "fürsorglichen Belagerung" von Kindern.

Fragen wir doch die Kinder! Die Erzieherin Regina Delarber hat im Rahmen ihrer Weiterbildung zur "Fachkraft für den Situationsansatz" genau das getan und schreibt darüber: "Bei der Auswertung der Fragen zeigte sich, dass von 82 befragten Kindern 53 davon überzeugt waren, mehr außerhalb der Kita erleben zu wollen. Besonders die Aussage von Ruben hatte für uns große Aussagekraft: 'Wir möchten gerne öfters über'n Zaun springen, Regina, auch wenn du das nicht hören willst!'" (Delarber 2002, S. 94).

Zäune und Mauern sind immer eine defensive Maßnahme. Der geräuschlosen Wegorganisierung setzen Kinder ihre Neugierde entgegen. Es ist deshalb in ihrem Interesse, wenn wir dafür sorgen, dass sie am Leben in der Kommune teilhaben können - nicht als gelegentlich auftretende Exoten, sondern als partizipierende Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Öffnung als konzeptionelles Merkmal

Die Rahmenrichtlinien für den Kindergarten in Südtirol beschreiben die pädagogischen Implikationen der "Öffnung der Kommunikationsräume hin zum Umfeld" im Punkt 3.3.2.3. Erwähnt werden u.a. die Erweiterung des sozialen Erfahrungsspektrums, die aktive Eroberung der Welt und (etwas vage) Möglichkeiten der Teilhabe. Die hier beschriebene Öffnung steht im Kontext eines Rahmenplans, dessen erster programmatischer Satz lautet: "Kinder lernen von Anfang an und begegnen der Welt als Forschende."

Der Situationsansatz favorisiert ein Lernen in Ernst- und Alltagssituationen. Er verhält sich kritisch gegenüber einer enggefassten Institutionalisierung von Bildungseinrichtungen, denn solche Einrichtungen sperren tendenziell das "wilde Leben" aus und produzieren eine Zone der Übersichtlichkeit und Sicherheit - mit anderen Worten: eine künstliche Lebenswelt, die aus Legitimationsgründen dann die Außenwelt als "gefährlich" oder gar "böse" denunziert. Fachkräfte für den Situationsansatz akzeptieren dagegen die prinzipielle Unvorhersehbarkeit des Lebens und helfen Kindern, in aktuellen Lebenssituationen diejenigen Kompetenzen zu entwickeln, die sie jetzt und zukünftig brauchen - und nicht nur jene, die Kinder brauchen, um sich im Kindergarten zurechtzufinden (vgl. Preissing/ Heller 2009).

Das Konzept des Offenen Kindergartens hat viele Facetten entwickelt: Es beginnt meist mit der Öffnung der Räume und Gruppenstrukturen. Wenn dies aber nicht einhergeht mit einer gründlichen Praxisreflektion und einer Verantwortungsübernahme der Erwachsenen, stellt sich rasch Chaos ein. Offene Arbeit fordert somit die Aufmerksamkeit und Beweglichkeit der Fachkräfte, wenn sie ihr Grundanliegen verwirklichen wollen: "Den Spuren der Kinder folgen und Spuren legen" (Lill 2011, S. 5). Die Spuren der Kinder aber führen nach Draußen - wenn wir sie lassen.

Die im angelsächsichem Raum entwickelte community education hat zum Ziel, Menschen durch Bildung zu motivieren, sich als aktive Gestalterinnen und Gestalter ihrer Lebenswelt zu verstehen, und sie zu befähigen, sich für die eigenen Interessen wie die der Anderen einzusetzen. Soziale Ressourcen sollen erkannt und soziale Missstände in sozialer Verantwortung beseitigt werden. Dazu muss die Bildungseinrichtung selbst sich öffnen für die Lebenswelt ihrer Kinder und Familien sowie Partnerschaften suchen mit anderen Akteuren. "Think global - act lokal" ist ein Motto dieser internationalen Bewegung (vgl. Buhren 1997).

Zuletzt weise ich in dieser unvollständigen Aufstellung auf das Konzept der Lebensweltorientierung hin. Lebensweltorientierung ist seit den 1990er Jahren eine leitende Maxime in der Kinder- und Jugendhilfe. Sie wendet sich gegen standardisierte Verfahrensweisen und alle Formen institutioneller Zurichtungen. Stattdessen wird die reale Lebenswelt der Kinder und ihrer Familien ernst- und angenommen. Das Ziel ist, für diesen Alltag Kompetenzen zu entwickeln. Die Kinder- und Jugendhilfe tritt dabei nicht als besserwisserische Expertin, sondern als Partnerin der subjektiven Deutungsmuster ihrer Klienten auf (vgl. Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit 1990).

Widersprüche und Spannungen

Wenn soviel und so viele für die Öffnung des Kindergartens zum sozialen und räumlichen Umfeld sprechen, stellt sich die Frage, warum Öffnung nicht schon längst ein Alltagsmerkmal der Bildung im Kindheitsalter ist.

Zunächst muss ich hier mit Respekt vor den Fachkräften eine Lanze für den Kindergarten brechen: Im Vergleich mit anderen Bildungseinrichtungen ist der Kindergarten nicht die abgeschlossenste Einrichtung. Beinahe täglich begegne ich in der Berliner S-Bahn Kindergartengruppen, die zu irgendeinem fernen Ziel unterwegs sind. Ich kenne viele Kindergärten, die eine lebendige Verbindung zur (Kirchen-) Gemeinde halten. In der Innenstadt gibt es Kindergärten, die aus dem Nachteil, keinen eigenen Spielplatz zu besitzen, einen Vorteil machen: Deren Kinder kennen sich aufgrund der vielen Ausflüge bestens in ihrer Nachbarschaft aus. Und ich erinnere mich heute noch an die vielen Umzüge, die in meiner Kindheit veranstaltet wurden: Im Sommer oder zu St. Martin zogen oft Hunderte Kinder durch die Stadt, begleitet von nur wenigen Erwachsenen.

Auch heute noch gehören Ausflüge zur Polizei, zur Feuerwehr oder ins Museum zum Standardrepertoire vieler Kindergärten. Doch oft treffen auf diese Veranstaltungen Merkmale zu, wie sie Roger Prott schildert:

"Die Erzieherin plant, bereitet vor, organisiert, terminiert und kontrolliert: den Fahrplan, die Wegstrecke, die Verpflegung, die Zweierreihen und manches mehr. Der Weg zum Zielpunkt wird schnell überbrückt, das Dazwischen ist hinderlich, zum Teil gefährlich und stört ... Der Schutz bewahrt die Kinder vor körperlichem Schaden, es soll ihnen ja nichts zustoßen. Der Schutz bewahrt die Kinder häufig ebenfalls vor sozialen Kontakten: Die Kinder sollen ruhig sein im Bus, damit kein anderer gestört wird ... Am Zielpunkt des Ausflugs angelangt, schauen sich die Kinder alles an, dürfen vielleicht etwas anfassen und ein paar vorbesprochene Fragen stellen; dann geht es auf dem gleichen Weg und in gleicher Weise zurück in den Kindergarten.

Was können Kinder dabei lernen?

  1. Die Erzieherin weiß, wo es langgeht. Sie weiß, was gut und interessant ist; zumindest weiß sie, was gut und interessant zu sein hat.
  2. Die Erzieherin organisiert alles, regelt alles, nimmt einem alles ab.
  3. Erwachsene machen alles; als Kind brauche ich bloß zuzuschauen..." (nach Becker-Textor/ Textor 1997, S. 81 f.).

Wenn sich der Kindergarten der Aufgabe stellt, über einige Ausflüge dieser Art hinaus sich zu öffnen, gerät er in ein Feld von Widersprüchen und Spannungen, denen wir standhalten müssen. Drei davon möchte ich skizzieren.

1. Kindbild versus Institutionalisierung

Alle mir bekannten Bildungsprogramme gehen vom Kind als aktivem Lerner aus, das eine intrinsische Motivation zur Entwicklung besitzt und diese in der Regel kraftvoll auslebt. Zur "Grundausstattung von Kindern" zählt Gerd E. Schäfer (2010) u.a. "die Möglichkeit der körperlichen Bewegung, des Handelns und der sinnlichen Erfahrung; die Möglichkeit, die emotionale Bedeutung der täglichen Lebensereignisse zu erfassen und zu differenzieren; eine elementare Kommunikationsfähigkeit von Anfang an; ein ständiges Bedürfnis, Neues und Unbekanntes kennen zu lernen" (S. 14).

Diesen Bedürfnissen nach dem Abenteuer des Lernens haben wir in der Kindheitspädagogik aufmerksam und wertschätzend zu folgen; auf einen Bildungserfolg dürfen wir vor allem da hoffen, wo wir kindinitiierte Aktivitäten ermöglichen, unterstützen und wo nötig erweitern: die pädagogische Fachkraft als "Türöffnerin" aus dem "Hochsicherheitstrakt" Kindergarten. In Spannung dazu stehen die Ansprüche der von uns geschaffenen Institutionen: Sie drängen auf Übersichtlichkeit, Grenzziehung, Berechenbarkeit. Wenn allein institutionelle Gesichtspunkte das Leben bestimmen, greifen Kontrolle und Bevormundung um sich. Vor allem geschlossene Einrichtungen tendieren zur Einschränkung des individuellen Freiraums. Abenteuer sind innerhalb der Institution dann kaum noch möglich.

2. Bildung versus Betreuung

Im deutschsprachigen Raum hat sich Fröbels Idee einer Bildungseinrichtung für alle Kinder lange nicht durchsetzen können. Stattdessen wurden neben einigen wenigen Bürgerkindergärten, die die Kinder des begüterten Bürgertums für einige wenige Stunden besuchten, vor allem Einrichtungen zur Aufbewahrung und Betreuung der Kinder der verarmten Unterschichten gegründet, um deren leibliches und vor allem seelisches Wohl man sich sorgte. Kindergarten und Schulkindbetreuung haben sich in Deutschland vor allem aus einem fürsorgerischen Motiv heraus gebildet. Es ging um Fürsorge, um Aufsicht und um Erziehungskompensation.

Und genau deshalb hat sich auch lange Zeit keine wirkliche Professionalität des Erzieherinnenberufs ausbilden können. Eine "Ausbildung" zur Mütterlichkeit reichte da vollkommen. Tatsächlich bereitete die Kindergartenausbildung lange Zeit auf Helferinnentätigkeiten sowohl im Kindergarten als auch in der Familie vor (vgl. Ebert 2006, S. 115).

Aber heute sind sich alle Fachleute darin einig, dass Kindergarten und Schulkindbetreuung in Folge des gesellschaftlichen Wandels einen enormen Bedeutungszuwachs erleben. Die pädagogischen Bildungsprogramme haben vielfältige Impulse zur Weiterentwicklung gegeben. Damit ist nicht nur fachpolitisch anerkannt: Die sozialpädagogische Arbeit mit Kindern ist von hoher gesellschaftlicher Bedeutung und ein Feld professioneller Tätigkeit. Wer die in der UN-Kinderrechtskonvention beschriebenen Bildungsrechte aller Kinder wirklich anerkennen möchte, muss sich für eine hohe Qualität der öffentlichen Bildung einsetzen. Aber dem Kindergarten haftet dieses fürsorgerische Erbe immer noch an. Es wird vor allem dann ganz deutlich, wenn aus finanzopportunistischen Gründen an der personellen Ausstattung oder Qualifikation gespart wird.

3. Lebensnahes Lernen versus verschultes Lernen

Spielen und Lernen sind für Kinder synonyme Erfahrungen. Wenn ein Kind sagt: "Heute habe ich nur gespielt", dann drückt es in der Regel keine Langeweile aus, sondern markiert nur den Unterschied zwischen einem lebensnahen, häufig intuitiven Lernen und einem funktions- und zweckorientierten Lernen, wie es meist die Erwachsenenwelt organisiert (vgl. Zehnbauer 1994, S. 63). Letzteres didaktisiert die Situation, richtet Lernhäppchen an, kontrolliert die Bedingungen und Ergebnisse.

Das alles fällt weg, wenn die Kindergruppe aus dem Kindergarten aufbricht ins abenteuerliche Leben. Da gibt es einen freilaufenden Hund (Wo kommt der her?), plötzlich ein Unwetter, einen toten Vogel am Straßenrand (Wo lebt jetzt seine Seele?), den Heißhunger auf ein Eis (und kein Geld!), fremde Menschen, ein verlassenes Haus (eine Räuberhöhle?), es gluckert und blinkt unter dem Gullydeckel (Schwimmen da Fische?), eine Mauer lädt zum Balancieren ein. Übrigens: Mit einer Kindergruppe unterwegs zu sein, ist kein Spaziergang. Kinder gehen nicht spazieren - wenn man sie lässt, sieht man sie rennen, hüpfen, springen, rückwärtslaufen, balancieren - denn sie "wissen", dass nichts besser ist sowohl für ihre motorische als auch kognitive Entwicklung. Welch ein Unterschied zur "Sitzpädagogik" in umbauten Räumen!

Notwendige Haltungen und Kompetenzen

Abschließend gehe ich auf das Verhalten der Fachkräfte ein und benenne einige Kompetenzen, die mir für die Öffnung zum Umfeld hilfreich erscheinen: Dem Bild vom Kind als einem aktiven Lernenden entspricht die Forderung, diesen Lernprozess aufmerksam zu begleiten, zu beobachten und verstehen zu lernen. In den meisten Bildungsprogrammen wird der Beobachtung, Dokumentation und Interpretation der Lernprozesse der Kinder ein hoher Stellenwert zugemessen. Es geht darum, die Impulse, Interessen und Motive des Kindes positiv aufzunehmen und ihm passende, möglichst individuelle Hilfestellungen zu geben, wo dies vom Kind gewünscht wird oder dies der Weiterentwicklung nützlich ist. Letztlich entscheidet dann das Kind, ob es diese Angebote annimmt. So kann ein Gang in die Umgebung zu einem demokratischen Lernabenteuer werden, denn an der Straßenecke gibt es mindestens fünf Möglichkeiten, den Weg fortzusetzen. - Fünf? Ich sehe fünf Möglichkeiten: links, rechts, geradeaus, zurück oder: verweilen! Wahrscheinlich gibt es aber noch mehr Entscheidungsmöglichkeiten.

In der Begleitung der Kinder in das Umfeld des Kindergartens sind kommunikative Kompetenzen gefragt. Wenn die Fachkräfte nicht alles vorbereitet haben und nur noch Ansagen machen wollen, dann werden sie gemeinsam mit den Kindern in einen Diskurs gehen - und zwar schon vor dem Aufbruch aus dem Kindergarten. Wo soll es hingehen? Was könnte uns da erwarten? Wozu ist das gut? Wie können wir Kontakt aufnehmen? Wer weiß schon was? Wie kommen wir da hin? Was müssen wir mitnehmen? Was ist, wenn...? Das sind oft keine einfachen Fragen - und gerade hierhin liegt ihre Bedeutung für die Bildung, die auf Kommunikation angewiesen ist. Ausflüge können mit philosophischen Gesprächen beginnen (vgl. Dreier/ Hildebrandt 2014).

Wie für fast alle pädagogischen Handlungen ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel hilfreich. Das Umfeld, um das es hier geht, ist uns Erwachsenen (jedenfalls scheinbar) gut bekannt. Da erwarten wir wenig Überraschendes. Für Kinder ist aber alles neu. Deshalb muss es ja so oft wiederholt werden: Was für uns ermüdend wirken kann, ist für Kinder der Versuch, sich zu überzeugen, Konstanten und Unterschiede festzustellen. Unendlich viele Male lässt das Kleinstkind den Ball mit Faszination zu Boden fallen. Immer wieder möchte der Dreijährige die gleiche Geschichte vorgelesen bekommen. Aber den Besuch bei der Feuerwehr - warum gibt es den höchstens einmal im Jahr?

Letztlich braucht es unsere eigene Neugier auf die Welt. Im Kontakt mit Kindern können wir feststellen, wieviele Fragen wir uns schon nicht mehr stellen, obwohl wir oft auch keine Antwort wissen: Warum ist feuchter Sand dunkler als trockener Sand? Wozu sind Kriege da? Wie entsteht das Leben? Können Hunde träumen? Welches Geräusch macht ein umfallender Baum, wenn niemand ihn hört?

Die Öffnung des Kindergartens zum Umfeld ist für alle Seiten ein Gewinn: Kinder und Fachkräfte gewinnen unendlich viele Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten. Und die Gesellschaft entdeckt in ihren Kindern wieder die Lust auf das Vergnügen des Lernens...

Literatur

Becker-Textor, Ingeborg/Textor, Martin R.: Der offene Kindergarten - Vielfalt der Formen. Freiburg 1997

Buhren, Claus G.: Community Education. Münster 1997

Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Achter Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe. Bonn 1990

Delarber, Regina: Komm, wir springen über'n Zaun. In: Lipp-Peetz, Christine/Wagner, Irmgard (Hrsg.): Bildungsort und Nachbarschaftszentrum. Hohengehren 2002, S. 92-95

Dreier, Annette/Hildebrandt, Frauke: Was wäre , wenn...? Fragen, nachdenken und spekulieren im Kitaalltag. Berlin 2014

Ebert, Sigrid: Erzieherin - ein Beruf im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik. Freiburg 2006

Leu, Hans Rudolf: Bildungsauftrag und Öffnung der Kita. In: Lipp-Peetz, Christine/Wagner, Irmgard (Hrsg.): Bildungsort und Nachbarschaftszentrum. Hohengehren 2002, S. 58-69

Lill, Gerlinde: Was ist gute Offene Arbeit? Wie eine klare Positioniereung zu Qualität verhilft. Theorie und Praxis der Sozialpädagogik 2011, Heft 7, S. 4-8

Preissing, Christa/Heller, Elke (Hrsg.): Qualität im Situationsansatz. Berlin 2009

Schäfer, Gerd E.: Was ist Erfahrungslernen? Überlegungen zu einer Pädagogik des Innehaltens. Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, 2010, Heft 2, S. 10-17

Zehnbauer, Anne: Lebensnahes Lernen oder leben lernen. In: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): Orte für Kinder. Auf der Suche nach neuen Wegen in der Kinderbetreuung. Weinheim und München 1994, S. 57-73

Autor

Prof. Ludger Pesch, Jahrgang 1958, Dipl. Pädagoge und Organisationsberater, Professor für Erziehungswissenschaft/Elementarpädagogik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin, Leiter des Arbeitsbereiches Weiterbildung im Institut für den Situationsansatz in der Internationalen Akademie Berlin. Emailadresse: [email protected]