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Zitiervorschlag

Aus: Was + Wie. Kinder religionspädagogisch begleiten 2008, Heft 4, S. 122-124

Aus philosophischen Gesprächen mit Kindern zum Thema Nikolaus

Michael Schnabel

 

Hinführung

In einigen Kindergärten führen Erzieher/innen regelmäßig mit Kindern philosophische Gespräche, um die Vorstellungswelt der Kinder besser kennen zu lernen. In der zweiten Novemberwoche führte eine Erzieherin mit einer Kindergruppe eines Münchner Kindergartens folgendes Gespräch über den heiligen Nikolaus, um zu erkunden, was die Kinder über den Nikolaus denken.

Am folgenden Gespräch nahmen diese Kinder teil: Sabine 5,8 Jahre, Thomas 6,2 Jahre, Nina 6,0 Jahre, Vroni 4,4 Jahre, Robert 4,3 Jahre, Martin 4,8 Jahre und Ulrike 6,2 Jahre. Das Gespräch dauerte 20 Minuten.

Die Erzieherin ließ sich bei diesem Gespräch von den Ideen der Kinder leiten und beschränkte sich weitgehend nur auf Nachfragen.

Teile des aufgezeichneten Gesprächs

Erzieherin: Heute früh hab ihr euch über den Nikolaus unterhalten. Es ist sehr interessant, was ihr vom Nikolaus wisst.

Alle: Ja!

Sabine: Ja, Sankt Nikolaus. Und es gibt noch einen, der Sankt heißt.

Thomas: Ja, Sankt Martin.

Erzieherin: Es ist bald Nikolaustag, und ich möchte euch jetzt fragen, was ihr von Nikolaus wisst.

Thomas: Ich weiß, wann er kommt. Am 5. Dezember. Da kommt er. Weißt, wir haben immer einen Treffpunkt mit anderen Kindern. Und heuer kommt er bei Frau Zwilling. Ein Mann verkleidet sich und spielt den Nikolaus. Und die Eltern geben dem Nikolaus was, und der bringt alles den Kindern und sagt, was sie machen sollen.

Erzieherin: Was zum Beispiel?

Thomas: Dass ich die Mama ein bißl in Ruhe lassen soll, wenn sie meinen kleinen Bruder ins Bett bringt.

Erzieherin: Woher weiß er solche Sachen?

Thomas: Das sagen ihm Mama und Papa.

Erzieherin: Nina möchtest du was sagen?

Nina: Der echte Nikolaus ist gestorben, aber jetzt spielen manchmal Männer Nikolaus.

...

Erzieherin: Wo kommt der Nikolaus her?

Vroni: Er kommt vom Wald - vom Münchner Wald, dort wohnt er.

Robert: Ich weiß auch was: Es gibt so'n Wald und der steht bei Opa und Oma. Und da ist so ne hohe Leiter und da geht der Nikolaus mit'm Schlitten runter.

Thomas: Also, runterfliegen kann kein Mensch vom Himmel, der Nikolaus also auch nicht.

Erzieherin: Und woher hat er die Geschenke?

Markus: Die sind hinten im Schlitten. Er kauft sie ein.

Robert: Nein, er kauft sie nicht. Die Engel bringen sie, und sie packen sie auch ein im Himmel. Sie haben viel zu tun. Und der Petrus, der hat noch viel mehr Arbeit.

Erzieherin: Wer ist der Petrus?

Robert: Der wohnt auch im Himmel. Das ist'n ganz lieber Mann. Er ist der Chef von den Engeln.

Erzieherin: Und warum hat er die meiste Arbeit?

Robert: Weil der muss dem Nikolaus die Schuhe putzen und die Rehe muss er auch putzen und alles - eben den ganzen Himmel

...

Zusammengefasste Meinungen einiger Kinder

In der Kindergruppe wurde mit allen 19 Kindern in unterschiedlich zusammengesetzten Kleingruppen das Gespräch über den heiligen Nikolaus geführt. Die vier Gespräche hatten eine Dauer von 20 bis 30 Minuten. Hier einige bemerkenswerte Zusammenfassungen:

Vroni 4,4 Jahre:

"Der Nikolaus wohnt im Himmel beim lieben Gott. Und runter kommt er halt mit seinem Schlitten oder seinem Auto. Er ist rot und im Himmel schaut's weiß aus. Er wohnt auf einer Wolke. Wenn er mit dem Schlitten runterkommt, geht er zu den Kindern. Den Braven schenkt er was, den Bösen klopft er auf die Hos'. Die Geschenke machen die Mütter und sie stellen sie auf den Balkon, und die Engel holen's dann. Und sie bringen es dem Nikolaus. Später im Himmel ruht er sich dann aus. Er hört runter, ob die Kinder brav oder bös sind. Und besonders, ob sie folgen. Und das alles schreibt er in seinem Buch auf."

Tobias 6,4 Jahre:

"Der Nikolaus wohnt eigentlich ganz normal, so wie wir. Er ist ein Mensch, und er verkleidet sich manchmal im Jahr. Er tut Geschenkpapier und Süßigkeiten kaufen. Das Geld dazu hat er einfach. Da ist dann auch noch Ruprecht da, auch ein normaler Mann, und der hilft ihm, würde ich sagen. Sie machen Paketchen und transportieren sie mit dem Schlitten. Und wenn kein Schnee liegt, haben sie einen Wagen. Den müssen sie selber ziehen. Wenn sie dann die Pakete verteilt haben, sind sie wieder normale Menschen."

Nina 6,0 Jahre:

"Der Nikolaus wohnt in der Wolke. Da hat er seinen Sack und seine Rute und sein Gewand. Und wenn der Sommer rum ist und der Winter kommt, geht er wieder los. Dann ruft er erst mal mit dem Telefon den Engel an. Dann fliegt er mit dem Engelchen zu den Kindern. Es trägt ihn auf den Rücken. Es kann gut fliegen. Dann ist er unten und gibt den Kindern Geschenke, und sie freuen sich. Die Geschenke bekommt er vom Christkind. Das hat immer viel zu viele Geschenke und gibt ein paar dem Nikolaus ab. Dann zeigen die Kindern den Eltern ihre Geschenke. Das Engelchen fliegt inzwischen wieder ins Engelhaus zum Christkind. Das Haus schaut aus wie ein Hexenhaus. Alles ist zum Essen. An Weihnachten wird da was abgemacht und den Kindern geschenkt. Dann fliegt das Engelchen wieder runter und holt den Nikolaus wieder ab."

Thomas 4,8 Jahre:

"Der Nikolaus wohnt im Himmel in einem Stern. Das ist sein Sternhaus. Da sieht's ganz hell aus. Gelb. Und Pünktchen sind drin, das sind die Fenster. Er fliegt mit seinem Stern runter und legt alle Geschenke vor die Türen, und dann fliegt er mit seinem Stern wieder rauf. Die Geschenke hat er von dem Christkindl bekommen und die schenkt er her. Das Englein hilft ihm dabei. Ein armer Mann ist gekommen, der hat Husten gehabt, und der Nikolaus hat ihn gepflegt, bis er gesund war. Und dann ist der Krampus gekommen und hat die bösen Kinder gerutet und in den Sack gesteckt. Das war in Österreich so. Bei uns gibt's das nicht."

Folgerungen

Die Gespräche wurden vor dem "Nikolausprojekt" im Kindergarten geführt. Somit sind die Vorstellungen und Ideen der Kinder über den Nikolaus nicht von aktuellen Mitteilungen der Erzieherinnen beeinflusst, sondern sie geben mehr verfestigte Gedanken der Kinder wieder, die weitgehend auf Informationen von zu Hause beruhen.

Anscheinend belästigt die Kinder kaum der Rummel und die Geschäftemacherei, die schon weit vor dem Weihnachtsfest veranstaltet werden. Keines der Kinder beklagte, dass in Kaufhäusern Nikoläuse oder Weihnachtsmänner auf Schritt und Tritt anzutreffen sind.

Jedes Kind hatte eigene Vorstellungen vom Nikolaus und konnte Erfahrungen einbringen. Nur ein einziges Kind (Thomas 4,8 Jahre) ließ in seinen Aussagen anklingen, dass der heilige Nikolaus geholfen hat. Äußerst erstaunlich ist auch, dass kein einziges Kind die Bezeichnung "Bischof" verwendet hat. Also genuin religiöse Gedanken sind in den Aussagen der Kinder kaum vorhanden. Der Nikolaus bleibt eine Märchenfigur.

Weiterhin zeigen die Aussagen: Die meisten Kinder haben magisch-mythische Vorstellungen vom Nikolaus. Nur einige Kinder sehen die Nikolausfeier realistisch und wissen, der Nikolaus wird gespielt. Dieser Unterschied ist vom Alter der Kinder unabhängig: Es sind sogar die jüngeren Kinder mit den realistischen Vorstellungen. Daher kann mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es vor allem die Aussagen der Eltern sind, die die Kinder geprägt haben.

In den Aussagen aller Kinder spielen die Geschenke eine große Rolle. Der Gedanke, dass wir den Namenstag von Nikolaus feiern und uns beschenken, weil Nikolaus seine Mitmenschen beschenkt hat, ist in keinem Gespräch zu finden.

Allen Kindern ist das Lohn-Strafe-Schema im Zusammenhang mit dem Nikolausbesuch bekannt. Wenngleich nicht mehr übermäßig mit dem Nikolaus gedroht wird, so stehen doch immer noch Lob und Tadel beim Nikolausbesuch im Vordergrund.

Viele Kinder kennen auch den Begleiter des heiligen Nikolaus: den Krampus oder Knecht Ruprecht.