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Zitiervorschlag

Von der Erzieherin zur staatl. anerk. Motopädin/ Vom Erzieher zum staatl. anerk. Motopäden - am Beispiel des Sophie-Scholl-Berufskollegs in Duisburg

Jürgen Wrobel

 

1. "Motopädie heute" oder: Was hat das noch mit Psychomotorik zu tun?

Die ursprünglich für Kinder und Jugendliche konzipierte Psychomotorische Übungsbehandlung nach Professor E.J. Kiphard hat sich theoretisch und praktisch weiter entwickelt. Standen anfangs übungsorientierte Konzepte im Vordergrund, so sind es heute dialogorientierte Formen, die dem Anspruch der Ganzheitlichkeit gerecht werden. Tiefenpsychologische und systemtheoretische Theoriebrillen haben die Bewegungspraxis bereichert und eine Vernetzung mit anderen Disziplinen ermöglicht.

So ist Motopädie weder Pädagogik noch Therapie, sondern eher in deren Spannungsfeld zu verorten. Gerade das macht die Stärke dieses Zugangs aus: Bildungsziele versperren nicht den Weg zu Selbstheilungs- und Selbstbildungspotentialen des beeinträchtigten Menschen. Störungen werden nicht vorschnell zu erklären versucht und mit Etikettierungen wie ADHS oder MCD versehen. In einem hypothesengeleiteten Prozess wird der (Bewegungs-) Dialog mit dem Gegenüber vertieft und damit ein umfassendes Verständnis der Schwierigkeiten ermöglicht. Dazu gehören viel Körpererfahrung und auch viele Kenntnisse, die Sie in der Weiterbildung zur/zum Motopädin/Motopäden hinzu gewinnen werden.

Als Fazit muss hier festgehalten werden: Motopädie hat mit Psychomotorik (ein nicht geschützter Begriff) soviel zu tun wie Schachspielen mit dem Schachbrett. Grundlage können unter anderem Übungen aus dem psychomotorischen Umfeld sein, und sicher wird der Psyche in ihrer Verbindung zur Motorik Beachtung geschenkt. Doch das Spiel selbst muss richtig erlernt werden, damit auch in schwierigen Situationen gehandelt werden kann...

2. Was ist das Aufgabengebiet von staatlich anerkannten Motopädinnen/ Motopäden?

Ihre Aufgabe wird es sein, Menschen, die in ihren Wahrnehmungs- und Bewegungsfunktionen eingeschränkt oder behindert sind, in ihren Lern- und Entwicklungsprozessen zu begleiten und zu fördern.

Dabei stehen in der Motopädie die Ressourcen des hilfesuchenden Menschen im Vordergrund. Auf der Basis einer offenen, wertschätzenden Haltung und reflektierter Selbst- und Fremdwahrnehmung ermöglichen Sie nach der Weiterbildung differenzierte Wahrnehmungs- und Bewegungsangebote für einzelne oder Gruppen. Funktionale und neurophysiologische Kenntnisse werden Ihnen ebenso helfen wie vor allem psycho-motorisch verstehende Kompetenzen. Ihre Arbeit wird sich auf diagnostische Erkenntnisse, die Sie professionell mitteilen, stützen können.

Schließlich werden Sie eventuell Familien in Erziehungsfragen beraten und Vorschläge für Bewegungshandlungen machen, die neue Entwicklungsmöglichkeiten für die Beteiligten eröffnen. Ein zusätzlich wichtiger Bestandteil motopädischer Arbeit ist die Evaluation eingesetzter Fördermethoden.

In vielen Bereichen und Institutionen werden für Sie Möglichkeiten bestehen zu arbeiten: in Beratungs- und Frühförderstellen, Psychiatrien, Therapiezentren, Klinischen Einrichtungen, Integrativen Kindertagesstätten, Heilpädagogischen Einrichtungen, Sozialpädiatrischen Zentren, Altenheimen, Freien Praxen, Vereinen, Unterricht und Weiterbildung...

3. Welche Voraussetzungen müssen Sie als Erzieherin/ Erzieher noch erfüllen?

Alle Absolventen unserer Fachschule in Duisburg sind im Berufsleben erfahren und haben sich bereits für den Schwerpunkt Bewegung entschieden. Wir richten uns nach den rechtlich vorgegebenen Aufnahmevoraussetzungen.

Als Erzieherin/ Erzieher haben Sie eine abgeschlossene Fachausbildung im Sozialwesen. Sie benötigen neben der Berufspraxis (mindestens 1 Jahr) eine psychomotorische, sportliche, rhythmische oder tänzerische Qualifikation. Dies kann zum Beispiel der Übungsleiterschein des Landessportbundes sein (Stundenumfang: 140 Stunden). Wir kooperieren seit einem Jahr mit dem LSB in Duisburg. Bewerber/innen können den Übungsleiterschein auch bei uns machen. Da auch Berufe aus dem Gesundheitswesen und Sportlehrer die Weiterbildung machen, ist eine Angleichung der Bewegungserfahrungen und Kenntnisse unserer Meinung nach unumgänglich.

4. Wie lange dauert die Weiterbildung?

Die berufsbegleitende Weiterbildung dauert zwei Jahre, die Vollzeitweiterbildung ein Jahr. In der berufsbegleitenden Weiterbildung beträgt die wöchentliche Unterrichtszeit 12 Stunden plus 2 Stunden motopädische Praxis an der Arbeitsstelle. Der Unterricht findet am Sophie-Scholl-Berufskolleg Dienstag- und Mittwochabend und Samstagvormittag statt. In der Vollzeitweiterbildung von Montag bis Freitag.

5. Welche Lernbereiche werden unterrichtet?

Inhalte werden nach den fachrichtungsbezogenen Lernbereichen

  • Praxis der Motopädie
  • Motopädische Arbeitsweisen und Konzepte
  • Motodiagnostik
  • Projektarbeit
  • Praxis im motopädischen Berufsfeld

und den fachrichtungsübergreifenden Lernbereichen

  • Medizinisch-psychologische Grundlagen
  • Deutsch/Kommunikation
  • Fremdsprache
  • Politik/Gesellschaftslehre

unterrichtet.

Daneben gibt es am Sophie-Scholl-Berufskolleg viele Wahlbereichsangebote im Differenzierungsbereich:

  • Sensorische Integration
  • Motopädie mit alten Menschen
  • Integrative Bewegungstherapie
  • Systemische Bewegungstherapie
  • Kinesiologie
  • Yoga
  • Motopädie mit autistischen Menschen
  • Musiktherapie
  • usw.

6. Welche letzten Überlegungen sollten Sie anstellen?

Sind Sie bereit, neue Sichtweisen konstruktiv zu diskutieren? Sind Sie neugierig, neue Bewegungen zu erlernen und alte Bewegungen neu zu lernen? Sind Sie bereit, den eigenen und fremden Körper neu wahrzunehmen und sich mit ihm auseinander zu setzen? Besitzen Sie die Bereitschaft, den Anderen in all seinen Persönlichkeitsfacetten zu akzeptieren? Denn das erwarten wir am Sophie-Scholl-Berufskolleg von Ihnen.

Dann werden Sie bei uns die Kompetenz erlangen, differenzierte Förderangebote für beeinträchtigte Menschen durchführen zu können. Außerdem werden Sie nach der Weiterbildung als reflektierte Persönlichkeit in den Dialog mit anderen Menschen und Institutionen treten können. Schließlich werden Sie psychomotorische Ansätze reflektieren und ein eigenes Konzept entwickeln können.

Weitere Informationen erhalten Sie am

Sophie-Scholl-Berufskolleg
Fachschule für Motopädie
Dahlmannstraße 26
47169 Duisburg
Tel.: 0203/28355-00
Fax: 0203/28351-44
Email: [email protected]
Homepage: http://www.du.nw.schule.de/sks