×

Zitiervorschlag

Der Ablauf von Projekten

Martin R. Textor

 

Im Rahmen von Projekten beschäftigen sich Kinder vertieft mit einer sie besonders interessierenden Thematik. Diese kann aus einem der in den Bildungsplänen der Bundesländer genannten Bildungsbereiche stammen; gerade bei längerfristigen und komplexen Projekten werden aber mehrere - wenn nicht gar alle - Bereiche berücksichtigt (vgl. z.B. Textor 2004). Die Kinder werden allseitig gefördert, da in der Regel ganz verschiedene (Basis-) Kompetenzen geschult werden. So kommt Projekten eine große Bedeutung in der Kindergartenpädagogik zu.

Projekte unterscheiden sich hinsichtlich ihres Beginns, ihres Themas, ihrer Ziele, Inhalte, Methoden, Länge und Komplexität, bezüglich der Intensität des Lernens, des Arbeitsaufwandes, der Zahl der beteiligten Kinder usw. In der Regel durchlaufen sie aber dieselben Phasen, die in Abbildung 1 (aus Textor 2013, S. 31) genannt werden.

 

Ablauf eines Projekts


 Projektinitiative
1. Sich aus einer Situation ergebend
2. Spontane Idee von Kindern oder anderen Personen
3. Ausgearbeiteter Vorschlag der Erzieher/innen
 
Entscheidung der Gruppe über
das Weiterverfolgen der Initiative

Projektskizze/-plan

Vorbereitung der Projekts

Durchführung des Projekts
(mit Reflexionsphasen)

Präsentation der Ergebnisse

Auswertung des Projekts

 

Die Projektinitiative

Viele Projekte ergeben sich aus aktuellen Situationen. So kann z.B. der Anlass für ein Projekt "Krankenhaus" (Katz/ Chard 1989) der Klinikaufenthalt einer Erzieherin, die Entbindung einer Mutter oder der Bericht eines Kindergartenkindes sein, das sich den Arm gebrochen hat und nun mit einem Gipsverband in die Einrichtung kommt. Die Idee zu einem solchen Projekt kann aber auch spontan von einem Kind oder einer Erzieherin kommen - z.B. wenn im Morgenkreis besprochen wird, was in den kommenden Wochen gemeinsam unternommen werden soll. Hier mag ein Kind vorschlagen, dass es gerne wissen möchte, was in einem Krankenhaus passiert.

Manchmal ist das Interesse der Kinder gleich so groß, dass - insbesondere in Kindergärten, in denen Projektarbeit regelmäßig praktiziert wird - aus diesem Anlass bzw. Vorschlag gleich eine Projektinitiative resultiert. Ist das Interesse weniger stark ausgeprägt oder ist die jeweilige Thematik etwas "exotisch", werden die Erzieher/innen erst überlegen, ob sie z.B. am nächsten Tag den Anlass oder Vorschlag wieder aufgreifen wollen. In jedem Fall sollte aber im Team reflektiert werden, ob es unter pädagogischen Gesichtspunkten sinnvoll ist, das jeweilige Thema weiter zu verfolgen.

Die Projektplanung

Geht die Initiative zu einem Projekt von den Erzieher/innen aus, so sollten sie die Relevanz für die Erziehung und Bildung der Kinder schon geklärt haben, bevor sie das Thema der Gruppe vorschlagen. In diesem Fall können sie das Projekt im Team auch schon grob planen, indem sie z.B. dessen Ziele und Inhalte besprechen. Ihre Ideen können sie z.B. auf einer Wandzeitung oder in einem Schema festhalten. So zeigt Abbildung 2, welche Aspekte beim Projekt "Krankenhaus" zu berücksichtigen sind. Für die weitere Planung wird aus dem Schema ersichtlich, welche Bereiche eines Hospitals besichtigt, mit welchen Mitarbeiter/innen gesprochen und welche Materialien wie z.B. Mullbinden oder Fieberthermometer behandelt werden können. Auch wird deutlich, welche Anschlussprojekte denkbar sind - in diesem Fall z.B. über Hausärzte oder Krankentransporte.

 

 

Anschließend kann der Ablauf des Projekts erarbeitet und in einer Projektskizze oder einem (ausführlicheren) Projektplan niedergelegt werden. Dieser enthält Angaben über Projektziele und -aktivitäten, aufzusuchende Orte, mögliche Gesprächspartner, benötigte Materialien und Dienstleistungen, die Aufgabenverteilung im Team, den vorgesehenen Zeitraum, Abschlusstätigkeiten usw. Allerdings muss beachtet werden, dass Kleinkinder sehr spontan sind und oft ganz andere Aspekte oder Themen weiterverfolgen wollen als vorgesehen. Die Projektskizze muss also hierfür Raum lassen.

Auf jeden Fall sollte die Projektinitiative möglichst früh in der Gruppe besprochen werden. Wurde das Projekt ausschließlich von den Erzieher/innen geplant, gilt es zunächst, das Interesse der Kinder an der jeweiligen Thematik zu wecken und eine längerfristige Motivation zu bewirken. Das ist bei Kleinkindern relativ leicht, da sie von Natur aus neugierig sind und ihre Aufmerksamkeit leicht durch neuartige Situationen, Objekte, Bilder, Geschichten oder Ideen geweckt wird. Die Kinder sind von lebensnahen und direkt erforschbaren Themen schnell begeistert, insbesondere wenn sie damit bereits Erfahrungen gesammelt haben. Für Themen ohne direkten Bezug zu ihrer Lebenswelt (z.B. "Afrika") interessieren sie sich nicht so rasch.

Mitbestimmung der Kinder

In einem Kindergarten, in dem die Rechte der Kinder wertgeschätzt und ihnen dementsprechend viele Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt werden, wird gemeinsam über das Weiterverfolgen der Projektinitiative entschieden (z.B. per Abstimmung in der Kinderkonferenz). Hier werden die Kinder auch von Anfang an in die Projektplanung eingebunden: Gemeinsam wird überlegt, was die Gruppe alles machen und unternehmen könnte, was an Materialien gebraucht wird, ob Fachleute interviewt werden sollen, wohin Ausflüge gehen könnten usw. Die Kinder erleben, dass ihre Ideen, Wünsche und Meinungen berücksichtigt werden, was ihr Interesse an der jeweiligen Thematik verstärkt (mehr intrinsische Motivation) und sich z.B. positiv auf ihr Selbstbild und Selbstwertempfinden auswirkt. Sie bestimmen auch den weiteren Verlauf des Projekts mit, indem sie immer wieder um ihre Meinung und um Vorschläge gebeten werden. "Dieser Input, wesentlich für den Projekterfolg, ist das, was ein echtes Projekt von einem Thema oder einer Einheit unterscheidet, die von der Fachkraft geplant wurde" (Sloane 1999, S. 17). Das Projekt wird also von Erzieher/innen und Kindern "ko-konstruiert", gemeinsam gestaltet.

Der Projektbeginn

In der Anfangsphase des Projekts werden der Kenntnisstand der Kinder und ihre bisherigen Erfahrungen erfasst. So werden sie z.B. gefragt, ob sie schon einmal im Krankenhaus waren oder dort andere Personen besucht haben. Kinder, die einen längeren Krankenhausaufenthalt hinter sich haben, tragen aber oft nur wenig zum Gespräch bei. Hier wird deutlich, dass dies ein beängstigendes Erlebnis war, das die Kinder am liebsten verdrängen möchten. Andere Kinder überspielen hingegen ihre Ängste und berichten nichts Negatives. So ist es manchmal sinnvoll, ältere Geschwister oder ehemalige Kindergartenkinder bzw. Hortkinder zu interviewen, die vor kurzem aus einem Krankenhaus entlassen wurden und realitätsgerechter über diese Zeit Auskunft geben können. Alternativ können Bilderbücher oder Fotos über Krankenhausaufenthalte hinzugezogen werden, die die Diskussion bereichern und von Kindern mit entsprechender Erfahrung kommentiert werden können.

Diese Gespräche bringen die Kinder auf einen vergleichbaren Wissensstand, der als gemeinsame Grund- bzw. Ausgangslage für das Projekt dient. Es ist sinnvoll, wenn anschließend praktische Aktivitäten wie Malen, Basteln oder Rollenspiele folgen. Beispielsweise können die Kinder gemeinsam eine Bildergeschichte "Wie Marlene ins Krankenhaus kam und was sie dort erlebte" gestalten.

Die Einbindung der Eltern

Spätestens an dieser Stelle sollten die Eltern durch Elternbriefe, Tür- und Angel-Gespräche oder Anschläge über das Projekt informiert werden. Auch sollen sie so weit wie möglich (oder gewollt) in dessen Planung, Vorbereitung und Durchführung eingebunden werden. Dies kann z.B. bei einem Elternabend oder in einer Arbeitsgruppe mit interessierten Eltern geschehen. Eltern können aber auch gebeten werden, schriftlich oder telefonisch ihre Vorschläge zu machen, sich z.B. als Interviewpartner einzubringen oder benötigte Gegenstände (medizinische Geräte, Verbandsmaterial usw.) bereitzustellen.

Beim Projekt "Krankenhaus" können die Kinder mit dem Auftrag nach Hause geschickt werden, ihre Eltern zu fragen, ob sie schon einmal im Krankenhaus waren und was dort passiert ist. Die erhaltenen Informationen werden an den folgenden Tagen in den Morgenkreis eingebracht und führen damit zum Projektthema zurück.

Immer wieder werden die Eltern - z.B. durch Tages- oder Wochenberichte - angeregt, zu Hause mit den Kindern über die Projektaktivitäten zu sprechen oder mit ihnen bestimmte Aktivitäten durchzuführen. Durch das Interesse der Eltern wird nicht nur die Motivation der Kinder aufrechterhalten, sondern diese haben auch die Gelegenheit, daheim neue Begriffe zu üben, ihre Erfahrungen zu reflektieren und ergänzende Kenntnisse zu erwerben. Oft geben die Eltern den Kindern dann Bücher, Broschüren, Fotos oder andere Materialien in den Kindergarten mit, die Rollenspiele und Diskussionen bereichern. Auf die skizzierte Weise wird zugleich die von den Erzieher/innen anzustrebende Bildungspartnerschaft mit den Eltern realisiert.

Vorbereitung und Durchführung von Besuchen und Exkursionen

Im weiteren Verlauf des Projekts "Krankenhaus" nehmen die Erzieher/innen Kontakt mit einem Hospital auf. Oft ist es sinnvoll, dieses zu besichtigen, um sich einen Eindruck von den Räumlichkeiten zu verschaffen und um besonders bildungsrelevante Situationen ausfindig zu machen. Der Kontakt zum Krankenhauspersonal kann aber auch durch Eltern vermittelt werden, die dort arbeiten oder die einen medizinischen Beruf ausüben. Diese sollten außerdem als Interviewpartner für die Kinder gewonnen werden - entweder während der Besichtigung des Krankenhauses oder während eines längeren Besuchs im Kindergarten. Ferner werden einige Eltern bei dem Ausflug als Begleitpersonen oder "Transporteure" eingebunden.

Ein nächster Schritt ist die Vorbesprechung der geplanten Besichtigungen oder der Besuche von Außenstehenden, die vor allem dem Erwerb neuen Wissens - insbesondere durch Primärerfahrung - dienen. So wird mit den Kindern besprochen, welche Fragen sie an ihre Interviewpartner (z.B. Krankenhausarzt/ -schwester) stellen wollen, die in den Kindergarten kommen werden. Hinsichtlich des Besuchs im Krankenhaus wird mit ihnen diskutiert, welche Personen sie dort treffen und was sie von diesen wissen möchten, worauf sie bei der Besichtigung besonders achten wollen und was sie an Materialien (z.B. Skizzenblock, Kassettenrecorder) mitnehmen können.

Einige Tage später besichtigt dann die ganze Gruppe das Krankenhaus - oder nacheinander zwei oder drei Kleingruppen, wenn nicht genügend Begleitpersonen zu finden sind oder das Krankenhauspersonal befürchtet, dass eine große Gruppe zuviel Unruhe in das Hospital bringen könnte. Auch lassen sich kleinere Räume oder medizinische Geräte leichter in Kleingruppen erkunden. Die Durchführung des Krankenhausbesuchs kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:

  1. Besonders interessant ist es, wenn die Kinder z.B. einen ganz "normalen" Aufnahmeprozess durchlaufen, also beispielsweise ein Kind aus der Gruppe wegen eines "Armbruchs" angemeldet, ärztlich untersucht und "geröntgt" wird sowie schließlich einen Gipsverband erhält.
  2. Alternativ kann eine Puppe oder ein Kuscheltier vom Krankenhaus als Patient aufgenommen werden. Hier kann mit den Ärzten zuvor abgesprochen werden, dass z.B. eine Büroklammer im Hals des Stofftiers versteckt wird. Das Kuscheltier kann dann richtig geröntgt und den Kindern die Büroklammer auf dem Röntgenbild gezeigt werden. Dann wird das Stofftier zur Operation vorbereitet, "narkotisiert" und "operiert". Dabei werden Instrumente wie Skalpelle, Zangen, Schlingen usw. gezeigt und erklärt. Auch werden die Funktionen der anwesenden Ärzte und Krankenschwestern erklärt (z.B. Narkosearzt, Chirurg). Zum Schluss kann das Kuscheltier von einem Pfleger auf eine Station gefahren werden.
  3. Der Besuch kann sich auch z.B. auf eine Kinderstation beschränken, sofern eine Ansteckungsgefahr ausgeschlossen werden kann (kranke Kindergartenkinder sollten generell nicht mitkommen). Die Kinder können zu dritt oder viert in die einzelnen Krankenzimmer gehen, sich mit den kranken Kindern unterhalten und mit ihnen spielen. Vorher oder anschließend können Gespräche mit dem Stationsarzt und der Stationsschwester oder anderem Pflegepersonal geführt werden - beispielsweise über die Krankheiten bzw. Verletzungen der Kinder, den Tagesablauf auf der Station (Weck- und Essenszeiten, Visite) oder dort gemachte Beobachtungen (Streckverband, Tropf usw.).
  4. Es wird eine Erzieherin nach der Entbindung oder ein erkrankte Kind aus der Gruppe im Krankenhaus besucht und über ihre Erfahrungen befragt. Dann können zuvor Geschenke gebastelt, Bilder gemalt und Plätzchen gebacken werden.

Sinnvoll sind - falls möglich - mehrere Besuche, weil die Kinder zumeist beim ersten Mal so neugierig und aufgeregt sind, dass sie viele Dinge übersehen. Ferner tauchen bei den nachbereitenden Gesprächen oft neue Fragen auf, die beim folgenden Besuch gestellt werden können. Natürlich kann bei jedem Besichtigungsgang auch ein anderer Teil des Krankenhauses erkundet werden. Ferner können Patenschaften für langfristig hospitalisierte Kinder übernommen werden, die dann mit einigen Kindern regelmäßig besucht oder denen selbst gemalte Bilder geschickt werden.

Weitere Aktivitäten

In dieser Phase des Projekts sind Gruppendiskussionen, kreative Aktionen und Rollenspiele von großer Bedeutung (Textor 2009). Manche dieser Aktivitäten können auch nur in Kleingruppen - z.B. während der Freispielzeit - durchgeführt werden. Dann können Kinder, die sich nicht so sehr wie andere für das Projekt interessieren, anderen Beschäftigungen nachgehen. Es ergeben sich "auch viele Möglichkeiten für das fortlaufende sozial-emotionale Curriculum der frühen Kindheit: Gelegenheiten, sich abzuwechseln, zu teilen, einander zu helfen, angemessen zuzuhören, Ideen anzuzweifeln und zu hinterfragen, Fertigkeiten zu zeigen, Stolz zu vermitteln und zu fühlen sowie zu einer Gruppenleistung beizutragen" (Booth 1997, S. 84 f.).

Im Projekt "Krankenhaus" kommen beispielsweise folgende Aktivitäten in Frage:

  1. Im Stuhl- bzw. Morgenkreis diskutieren Erzieher/innen und Kinder ihre neuen Erfahrungen und Erlebnisse. Erstere bringen dabei ergänzende Informationen durch Fotos, Dias, Bücher und Geschichten ein. Zugleich können gemeinsam neue Aktivitäten oder weitere Besichtigungen geplant werden.
  2. Die Erzieher/innen stellen in der Gruppe relevante Objekte wie z.B. ein Stethoskop vor. Die Kinder können diese anschließend ausprobieren und oft auch in ihren Rollenspielen einsetzen.
  3. Haben Erzieher/innen Menschenskelette oder Torsos mit herausnehmbaren inneren Organen ausgeliehen oder (im Spielzeughandel) gekauft, werden diese mit den Kindern betrachtet.
  4. Manchmal bietet es sich an, nach und nach eine Sammlung relevanter Objekte anzulegen, die die Kinder untersuchen, messen, vergleichen oder sortieren können und mit denen sie sich auch ohne Anleitung in Kleingruppen befassen dürfen.

Die Kinder können durch Zeichnen und Malen neue Erfahrungen ausdrücken und verarbeiten. So malen sie z.B. den besuchten Operationssaal, Röntgengeräte, kranke Menschen im Bett, Krankenwagen mit Sanitätern usw. Neue Erfahrungen fließen aber auch in Rollenspiele ein. Hierfür basteln die Kinder entsprechende Kulissen und Ausstattungsgegenstände - eine Schulung motorischer Fertigkeiten, aber auch von Beobachtungsfähigkeiten, Raumverständnis und Materialkenntnis. So können sie z.B. im Mehrzweckraum, in einem breiten Flur oder einem Nebenraum ein Krankenhaus nachbauen - den Empfangsbereich mit Anmeldung, Sitzgelegenheiten, medizinischen Zeitschriften und Broschüren, einen Untersuchungsraum mit Liege, (Röntgen-) Geräten, Medikamentenschränken, Waage, Stethoskopen und Thermometern, einen Operationssaal und ein Krankenzimmer mit Betten usw. Konnten die Erzieher/innen nicht "echte" Instrumente, Verbandsmaterialien, (leere!) Medikamentenschachteln etc. besorgen, stellen sie z.B. einen in einem Spielwarengeschäft/ -versand gekauften Arzt- oder Erste-Hilfe-Koffer für das Rollenspiel zur Verfügung.

Dann werden Aufnahme, Untersuchung, Operation und Pflege von Kranken, der Tagesablauf auf einer Station, die Arztvisite u. Ä. nachgespielt. Entweder werden die Patientenrollen von den Kindern selbst übernommen oder von Puppen bzw. Kuscheltieren (deren Arme und Beine z.B. geschient und verbunden werden können). Oft ist es sinnvoll, wenn zunächst die Erzieher/innen die Arzt- oder Krankenschwesterrolle übernehmen, so dass sie den Kindern ein entsprechendes Rollenverhalten vormachen - sonst ist das Rollenspiel manchmal recht flach. Auch können die Fachkräfte im Verlauf der Zeit neue Rollen einführen (z.B. Sanitäter, Pfleger, Krankenhausapothekerin, Physiotherapeut, Masseuse, Hebamme, Eltern auf Besuch), so dass die Rollenspiele immer länger, komplexer und vielseitiger werden.

Alternativ können die Kinder ein Miniaturkrankenhaus basteln, indem sie z.B. einen Karton austapezieren und mit Spielzeugtischen und -betten, Regalen und Schränken, aus dem Boden von Spülflaschen zurechtgeschnittenen Badewannen und WCs, Schüsseln (aus Nussschalen), Tellern (Kronkorken), Fieberthermometern (mit Folie umwickelte Streichhölzer) u.a. ausstatten.

Es können im Kindergarten auch zum Projektthema passende Experimente durchgeführt werden: Ein Hefeteig (mit ganz viel Hefe) kann z.B. die rasche Vermehrung von Hefepilzen - von denen Menschen ja auch z.B. im Rachen oder Darm befallen werden können - verdeutlichen, und damit auch von Bakterien. Oder der Vergleich von einem Tropfen Wasser aus einer Pfütze mit einem Tropfen Leitungswasser unter dem Mikroskop kann den Kindern einen Eindruck davon vermitteln, wie notwendig hygienische bzw. sterile Verhältnisse im Krankenhaus sind. Hier wird deutlich, wie Kinder im Rahmen eines Projekts Beobachtungstechniken und Untersuchungsmethoden (Messen, Zählen, Experimentieren usw.) lernen, aber auch andere naturwissenschaftliche Verfahren (z.B. Hypothesenbildung, Anlegen von Sammlungen).

Reflexionsphasen

Es ist wichtig, während der Durchführung des Projekts immer wieder Reflexionsphasen einzuschieben, in denen der derzeitige Stand mit den Projektzielen bzw. der Planung verglichen und der nächste Schritt besprochen wird. Dabei können neue Vorschläge der Kinder, Eltern und Fachkräfte berücksichtigt werden. Oft zeigt sich, dass die Erzieher/innen zu voreilig mit ihren Ideen und Plänen sind, sich also etwas mehr zurücknehmen müssen, da die Kinder bestimmte Teilaspekte der Thematik noch intensiver behandeln und tiefer durchdringen wollen. In diesen Reflexionsphasen sollte auch geklärt werden, wie groß das Interesse der Kinder noch an dem jeweiligen Thema ist, ob ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprochen wird. Schließlich können die Lernerfahrungen der Kinder, die Qualität ihrer Zusammenarbeit, ihr Verhalten gegenüber erwachsenen Interviewpartnern u. Ä. reflektiert werden.

Der Abschluss des Projekts

Wenn das Interesse der Kinder am Projektthema abnimmt, ist es an der Zeit, das Projekt zu beenden. Sinnvoll ist ein besonderer Abschluss, der mit einer Präsentation der Projektergebnisse in der Öffentlichkeit verbunden sein kann. Dabei können die Kinder lernen, die gesammelten Informationen und Erfahrungen in der Form von Sammlungen, Fotoreihen, Bildern usw. zu dokumentieren und anderen Menschen zu präsentieren. Die Darstellung der Projektergebnisse ist nicht nur für die Kinder wichtig, sondern verdeutlicht zugleich die pädagogische Arbeit des Kindergartens gegenüber Eltern, Träger und anderen Personen.

Das Projekt "Krankenhaus" kann beispielsweise mit folgenden Aktivitäten abgeschlossen werden:

  1. Die Kinder zeigen den Eltern oder einer anderen Kindergartengruppe die von ihnen angelegten Sammlungen oder selbst gebastelten Modelle.
  2. Die Kinder stellen ihre besten Bilder, Plakate und Collagen zum Thema "Krankenhaus" aus (unter Umständen auch im Foyer des besuchten Krankenhauses).
  3. Alternativ fassen sie ihre Bilder und den Erzieher/innen diktierte Texte zu einem "Buch" zusammen.
  4. Das Projekt "Krankenhaus" endet mit einem Fest, bei dem sich alle Kinder als Kranke, Ärzte oder Krankenschwestern verkleiden.
  5. Es werden immer wieder einzelne Eltern in das im Kindergarten erbaute "Krankenhaus" gebeten, dort nach ihrer "Krankheit" befragt, "ärztlich" untersucht, "geröntgt" und behandelt. Die Kinder sind stolz, dass sie "kranke" Erwachsene versorgen können - und die Eltern sind stolz auf ihre Kinder, wenn sie erleben, was sich diese im Verlauf des Projekts an Wissen und Verhaltensweisen angeeignet haben.
  6. Die Erzieher/innen führen Eltern und Kindern die während des Projekts aufgenommenen Dias oder Videofilme vor, die dessen Verlauf und die gemachten Erfahrungen verdeutlichen.

Ein Auswertungsgespräch - zumindest im Team, aber möglichst auch mit den Kindern - darf keinesfalls fehlen. Dabei können z.B. die Projektinitiative und der -plan mit dem Projektverlauf verglichen werden, wobei deutlicht wird, ob die Ziele erreicht wurden, welche Projektphasen gut und welche weniger gut verliefen, wie das Klima in der Gruppe war, wie das Projekt bei Kindern, Eltern und Außenstehenden ankam usw. Auch können Kritikpunkte erörtert und Konsequenzen für zukünftige Projekte gezogen werden.

Schlussbemerkung

Obwohl Projekte aufgrund ihrer pädagogischen Bedeutung zentrale Bestandteile der praktischen Arbeit in Kindertagesstätten sein sollten, schrecken viele Erzieher/innen vor ihnen zurück, da sie sich nicht entsprechend qualifiziert fühlen, den auf sie zukommenden Arbeitsaufwand nicht richtig abschätzen können und manchmal Angst vor bestimmten Aktivitäten haben. Aber auch hier gilt: "Übung macht den Meister". So kann mit "Mini-Projekten" begonnen werden. Anschließend können kleine Projekte zu Projektreihen verknüpft werden, die unter einer bestimmten Thematik stehen. Mit zunehmender Erfahrung können dann größere Projekte in Angriff genommen werden.

Und es gilt der Grundsatz: Erzieher/innen müssen nicht Spezialist/innen für das jeweilige Projekt sein. Für jeden Erwachsenen gilt das Prinzip des lebenslangen Lernens. Somit können Erzieher/innen den ihnen anvertrauten Kindern (deren Eltern und anderen Erwachsenen) mit gutem Gewissen als Lernende gegenübertreten. Sie müssen nicht jede Frage beantworten können, sollten sie aber als Herausforderung begreifen, mit den Kindern im Rahmen des Projektes auf die Suche nach einer Antwort zu gehen. Dann begleiten Erzieher/innen die Kinder auf ihrer Erkundungs- und Forschungsreise durch die Natur, die Gemeinde, die Erwachsenenwelt als Mit-Lernende - und das macht Projekte auch für (ältere, berufserfahrene) Fachkräfte so interessant...

Anmerkung

Eine umfassendere Darstellung der Thematik finden Sie in meinem Buch "Projektarbeit im Kindergarten. Planung, Durchführung, Nachbereitung" (Books on Demand, 3. Aufl. 2020), das im Buchhandel und z.B. bei Amazon erhältlich ist.

Literatur

Booth, C. (1997): The fiber project: One teacher's adventure toward emergent curriculum. Young Children 52 (5), S. 79-85

Katz, L.G./Chard, S.C. (1989): Engaging children's minds: the project approach. Norwood: Ablex

Sloane, M.W. (1999): All kinds of projects for your classroom. Young Children 54 (4), S. 17-20

Textor, M.R. (2004): Projektarbeit - Kombination von Bildungsbereichen und ganzheitliche Kompetenzentwicklung. http://www.kindergartenpaedagogik.de/1768.html

Textor, M.R. (2013): Projektarbeit im Kindergarten: Planung, Durchführung, Nachbereitung. Norderstedt: Books on Demand, 2. Aufl.

Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de