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Zitiervorschlag

Mathematisches Können im Kindergarten - Förderung des Mengen-, Ziffern- und Zahlbegriffs

Barbara Perras


"Was hat Rückwärtslaufen mit Rechnen zu tun? Gar nichts werden jetzt viele spontan antworten. Eine ganze Menge - behaupten dagegen Entwicklungspsychologen. Denn Kinder, deren Gehirn solche motorischen Basisschritte wie Rückwärtslaufen und die damit einhergehende Raumorientierung nicht gelernt haben, können später nur schwer Zahlen verstehen. Und bei Kindern, die ihre Füße nicht nach hinten setzen können, weil ihnen dabei die absichernde Kontrolle durch die Augen fehlt, ist mit Sicherheit der Gleichgewichtssinn beeinträchtigt - ein Problem, von dem immer mehr Kinder heutzutage betroffen sind." (Murphy-Witt 2000, S. 4).

Die einfachsten Zahlen verwenden wir zum Zählen, dieses begann schon lange, bevor es Symbole wie 1, 2, 3 gab. Es ist durchaus möglich zu zählen, ohne Zahlen zu verwenden - zum Beispiel durch das Abzählen mit den Fingern. "Sie können ausrechnen, dass Sie 'zwei Hände und einen Daumen Kamele haben', indem Sie entsprechend viele Finger beugen, während Sie einen Blick auf die Kamele werfen. Sie müssen übrigens nicht über den Begriff der Zahl 'elf' verfügen, um den Überblick darüber zu behalten, ob jemand Ihre Kamele stiehlt. Wenn Sie das nächste Mal feststellen, daß Sie nur zwei Hände Kamele zu haben scheinen - fehlt also ein Daumen Kamele." (Stewart 2001, S. 44f.).

"Man kann das Zählen auch durch Einkerbungen auf Holzstücken oder Knochen vornehmen. Oder man zählt mit Hilfe von Marken - Tonscheiben, auf denen Schafe aufgemalt sind, um Schafe zu zählen, oder solche mit Bildern von Kamelen, um Kamele zu zählen. Wenn die Tiere an Ihnen vorüberziehen, werfen Sie diese Marken in einen Beutel - eine für jedes Tier.

Diese Verwendung von Symbolen für Zahlen wurde vor ungefähr 5000 Jahren entwickelt, als derartige Marken in einen Lehmumschlag eingepackt wurden. Da es lästig war, jedes Mal die 'Tonbörse' aufzubrechen, wenn der Inhalt kontrolliert werden sollte, und danach eine neue herzustellen, brachte man besondere Markierungen außen auf der Börse an, die deren Inhalt anzeigten. Schließlich erkannte man, daß man eigentlich gar keine Marken im Umschlag brauchte: Markierungen auf Tontafeln leisteten das gleiche. Es ist erstaunlich, wie lange es dauern kann, bis man das Offensichtliche sieht. Aber natürlich ist dies erst heute offensichtlich." (Stewart 2001, S. 44f.).

Die Unterstützung durch die Finger benutzten bereits die alten Römer. Ihre Ziffern in Strichen für 1, 2 und 3 bzw. einzelne Finger, aber auch das V für fünf bzw. die Hand mit fünf Fingern zeigen dies sehr anschaulich.

"Die nächste Erfindung nach den natürlichen Zahlen waren die Brüche - die Art Zahlen, die wir heute mit 2/3 (zwei Drittel) oder 22/7 (zweiundzwanzig Siebtel oder gleichbedeutend drei Ganze und ein Siebtel) symbolisch darstellen. Mit Brüchen kann man nicht zählen: Zwei Drittel eines Kamels mögen essbar sein, sind aber nicht zählbar. Dafür kann man viele andere, interessantere Operationen mit Brüchen vornehmen. Ein Beispiel: Wenn drei Brüder zwei Kamele erben, haben Sie die Möglichkeit, sich vorstellen, daß jeder Bruder zwei Drittel eines Kamels besitzt - eine praktische Geschichte aus der Rechtsprechung, die uns so vertraut ist, daß wir vergessen, wie merkwürdig sie ist, wenn wir sie wörtlich nehmen." (Stewart 2001, S. 45).

Zwischen 400 und 1200 nach Christus, wurde die Null als Zahl akzeptiert. "Falls Sie es seltsam finden, daß die Null erst so spät als Zahl anerkannt wurde, dann vergessen Sie bitte nicht, daß die "Eins" lange Zeit auch nicht als Zahl angesehen wurde: Man glaubte, nur mehrere Dinge könnten eine Anzahl ergeben. In vielen Geschichtsbüchern ist zu lesen, entscheidend für die Einführung der Null sei die Erfindung eines Symbols für 'Nichts' gewesen. Dies mag der Schlüssel gewesen sein, um Arithmetik praktisch anwendbar zu machen; aber für Mathematiker war die Idee wesentlich, ein Konzept einer neuen Art von Zahl zu entwickeln, welche die konkrete Idee 'Nichts' repräsentierte. Mathematik verwendet Symbole, aber sie ist genau sowenig mit jenen Symbolen gleichzusetzen, wie Musik mit der Notenschrift oder Sprache mit den Buchstabenreihen des Alphabets." (Stewart 2001, S. 45).

Heute werden die positiven ganzen Zahlen 0, 1, 2, 3... als natürliche Zahlen bezeichnet, die negativen ganzen Zahlen als ganze Zahlen, Brüche nennt man rationale Zahlen. Bereits die alten Griechen konnten mit dem Minuszeichen umgehen. Sie glaubten jedoch, dass nur ein positives Ergebnis erlaubt sei. "Erst im 18. Jahrhundert wurden negative Zahlen als wirkliche Zahlen anerkannt." (Devlin 2002, S. 182).

Reelle Zahlen sind von allgemeinerer Art und ermöglichen eine angemessene Theorie der Grenzwerte. Mit ihnen werden numerische Messergebnisse von Zeit und physikalischen Größen wie Länge, Temperatur, Gewicht, Geschwindigkeit usw. bezeichnet.

Komplexe Zahlen sind von noch allgemeinerer Art. Sie lassen sich im Gegensatz zu den rationalen und reellen Zahlen nicht als Punkte auf einer Geraden interpretieren, man kann sie sich stattdessen als Punkte in einer Ebene vorstellen. "Da komplexe Zahlen nicht auf einer Geraden angeordnet sind, kann man nicht sagen, welche von zwei komplexen Zahlen die größere ist." (Devlin 2002, S. 183).

"Hiermit haben wir also fünf Zahlensysteme, von denen jedes einzelne mehr umfasst als das vorausgehende: die natürlichen Zahlen, die ganzen Zahlen, die Brüche (oder rationalen Zahlen), die reellen und die komplexen Zahlen." (Stewart 2001, S. 47f.).

Mathematische "Dinge" existieren nicht in der wirklichen Welt

"Mathematische Prozesse sind Abstraktionen; deshalb sind Prozesse in nicht geringerem Ausmaß 'Dinge' wie die 'Dinge', auf die sie angewendet werden. Die Verdinglichung von Prozessen ist etwas Alltägliches." Die Zahl "zwei" ist kein Ding, sondern ein Prozess, der abläuft, wenn Sie sich zwei Kamele oder zwei Schafe vorstellen, die nacheinander die Symbole "1, 2" blöken wie beim Zählappell. "Eine Zahl ist ein Bewegungsablauf, der vor langer Zeit so gründlich verdinglicht wurde, dass jeder ihn sich als ein Ding vorstellt. Genauso plausibel - obwohl für die meisten von uns weniger vertraut - ist es, sich eine Operation oder eine Funktion als ein Ding vorzustellen. Wir könnten zum Beispiel über die 'Quadratwurzel' reden, als wäre sie ein Ding - und ich meine hier nicht die Quadratwurzel einer bestimmten Zahl, sondern die Funktion selbst. In dieser Vorstellung ist die Quadratwurzelfunktion eine Art Wurstmaschine: Am einen Ende stopfen Sie eine Zahl hinein, und am anderen Ende kommt die Quadratwurzel heraus." (Stewart 2001, S. 49).

Die Ontogenese ist die Wiederholung der Phylogenese

Das menschliche Gehirn trägt in seiner Struktur die evolutionäre Entwicklung aller Gehirne in sich. "Im Kern, so scheint es, ist das menschliche Gehirn dem Gehirn heutiger Reptilien sehr ähnlich. Die Entwicklung des fötalen menschlichen Gehirns vollzieht sämtliche Stufen der Evolution en miniature, und die primitiveren Schichten werden von immer neuen Schichten überlagert." (Ratey 2003, S. 16).

Wir können nur in Bewegungsbahnen denken, weil wir keine anderen haben! Deshalb muss jedes Kind - auch in der Mathematik - alle Entwicklungsschritte seiner Vorfahren nacheinander und nebeneinander - aufbauend und parallel zueinander - nachvollziehen.

Den Sprung vom Mengensinn zum Zahlensymbol schaffen außer den Menschen jedoch nur intensiv trainierte Menschenaffen. Das menschliche Gehirn ist ursprünglich nicht zum Rechnen entstanden, es baute sich evolutionär mit der räumlichen Orientierung und dem Gebrauch der Sprache auf. Über Rhythmen wie dem Zweitakt der Zweifüßer beim Gehen, dem Vierertakt der Vierfüßer im Trab oder dem Walzertakt im Galopp wurden Menschen zum Zählen "verleitet". Diese Entwicklungsgeschichte erklärt uns, warum Kinder über Bewegung, Rhythmik, Musik und Reiten Zugang zu Algebra und Mathematik allgemein finden können.

"Einige Tiere verfügen über nur eine Gangart - ein einziges rhythmisches Standardmuster, um ihre Gliedmaßen zu bewegen. Der Elefant zum Beispiel kann nur im Schritt gehen. Geht er schneller, so bleiben die Muster der Beinbewegungen die gleichen. Andere Tierarten besitzen viele verschiedene Gangarten; nehmen Sie zum Beispiel das Pferd. Bei niedrigen Geschwindigkeiten gehen Pferde im Schritt; bei höheren Geschwindigkeiten traben sie; bei Spitzengeschwindigkeit galoppieren sie. Die Unterschiede sind grundlegend: Ein Trab ist nicht einfach ein schnelles Gehen, sondern eine völlig andere Art der Bewegung." (Stewart 2001, S. 120).

Die meisten Gangarten weisen einen gewissen Grad an Symmetrie auf. Wenn ein Tier hochspringt, bewegen sich sowohl die beiden Vorderbeine als auch die beiden Hinterbeine gleichzeitig und bewahren die bilaterale Symmetrie des Tieres. Die linke Hälfte eines Kamels kann um eine halbe Phase verschoben dieselbe Bewegungsabfolge ausführen wie die rechte Hälfte, das heißt nach einer Zeitverzögerung, die eine halbe Periode beträgt. "Somit hat der Paßgang seine ihm eigene charakteristische Symmetrie: 'Spiegele links und rechts, und verschiebe die Phase um eine halbe Periode.' Beim Herumgehen wenden Sie genau diese Art der Symmetriebrechung an: Trotz Ihrer bilateralen Symmetrie bewegen Sie nicht beide Beine gleichzeitig! Es hat für Zweifüßer einen offensichtlichen Vorteil, das nicht zu tun: Wenn sie nämlich beide Beine gleichzeitig langsam bewegen, fallen sie vornüber." (Stewart 2001, S. 120).

Wir unterscheiden die sieben häufigsten Gangarten (vgl. Stewart 2001, S. 121):

  • Der Trab ist eine diagonale Gangart, zuerst setzen die vordere Linke und die hintere Rechte auf dem Boden auf, dann die vordere Rechte und die hintere Linke.
  • Beim Sprung treffen zuerst die Vorderbeine gemeinsam auf dem Boden auf, dann die Hinterbeine.
  • Der Passgang als laterale Gangart verbindet die Bewegungen jeweils einer Seite: Die beiden linken Beine berühren den Boden, dann die beiden rechten.
  • Der Schritt stellt ein komplexeres, ebenfalls rhythmisches Muster dar: links vorn, rechts hinten, rechts vorn, links hinten.
  • Beim Rotationsgalopp landen die Vorderbeine fast gleichzeitig auf dem Boden, allerdings trifft das rechte Bein ein wenig später als das linke auf; danach kommen die Hinterbeine fast gleichzeitig auf, wobei dieses Mal das linke etwas später den Boden berührt als das rechte. Im Reitunterricht wird dieser Galopp auch Kreuzgalopp genannt und ist unerwünscht, weil das Pferd nicht auf einer Linie gebogen ist. Dadurch wirkt die Bewegung für den feinfühligen Reiter unangenehm und disharmonisch.
  • Der Transversalgalopp funktioniert ähnlich, jedoch ist die Reihenfolge der Hinterbeine umgekehrt. Die Beine auf der Innenseite der Biegung fußen beide etwas eher auf als die äußeren. Dies sieht für den Betrachter so aus, als würden die inneren Beine weiter ausgreifen als die äußeren.
  • Der Kanter ist noch eigentümlicher: zuerst vorne links, dann hinten rechts, dann gleichzeitig die beiden anderen Beine.
  • Der Hopser ist eine seltene Gangart, bei dem sich alle vier Beine gleichzeitig bewegen. Er wird manchmal bei jungem Wild gesehen.

"Den Passgang kann man bei Kamelen beobachten, den Sprung bei Hunden; Geparden verwenden den Rotationsgalopp, um sich mit Höchstgeschwindigkeit fortzubewegen. Die Pferde gehören zu den flexibleren Vierfüßern, da sie abhängig von den Umständen den Schritt, den Trab, den Transversalgalopp und den Kanter nutzen. Die Fähigkeit, Gangarten zu wechseln, rührt von der Dynamik der CPGs (General Pattern Generator - zentraler Muskelgenerator) her." (Stewart 2001, S. 121).

Neben den genannten Rhythmischen Erfahrungen beim Reiten machen die Kinder grundlegende Raumerfahrungen am eigenen Körper:

  • vor - zurück
  • links - rechts
  • auf - ab
  • diagonal
  • kreuzende Bewegungen
  • Rotation um die Wirbelsäule

Entwicklung des Mengensinns

Manche Tiere besitzen bereits einen Mengensinn. Wenn sie trainiert werden, können sie eine Anzahl gemalter Punkte richtig deuten, sofern dies nicht mehr als fünf sind. Größere Mengen können sie ungefähr erfassen. "Eins, zwei, drei, viele, noch mehr, sehr viele" ist ein Schema, nach dem kleine Kinder und viele Tiere Mengen erfassen können (Mechsner 1999, S. 123).

Kinder benötigen die anschauliche Mengenvorstellung, deren Mitschulung und Weiterentwicklung. Die lang verbreitete These, dass sie sich nur schwer vom Anschauungsmaterial lösen können, ist letztendlich darauf zurückzuführen, dass dieses Material einseitig war und nicht "mit wuchs". Somit war es für die Schulen unbrauchbar. Dieses Problem belegten auch brasilianische Kinder, die als Verkäufer arbeiteten: Sie "'können beispielsweise exzellent mit Geld rechnen, doch ihre Fähigkeit kaum auf andere Bereiche übertragen.' Mathematische Kompetenz entsteht Elsbeth Stern zufolge erst, wenn Kinder lernen, von den Oberflächenmerkmalen einer Aufgabe abzusehen und deren abstrakte Struktur erkennen." (Mechsner 1999, S. 126).

Die Kinder benötigen unendlich Zeit, um sich gerade mit mathematischem Material auseinander zu setzen. Ihre individuellen Entwicklungsfenster vor dem Schuleintritt und der Zeitfaktor machen den naturwissenschaftlichen Bereich zu einem der wesentlichsten in der Kindergartenerziehung.

Großartige Forschungs- und Materialentwicklungsarbeit hat in diesem Bereich Maria Montessori entwickelt. Ohne unser Wissen aus der modernen Gehirnforschung hat sie die bedeutendsten Kriterien für Arbeitsmaterial erfüllt:

  • "Arbeitsmaterial", weil das Kind sich mit den Sinnen Erkenntnisse erarbeitet, also nicht nur mit dem Sehsinn anschaut.
  • Wechsel zwischen Längen, Punkten und umfassbaren Spindeln einerseits als Raumorientierung und Mengen- oder Muskelsinn und Begreifen von Ziffern andererseits.

Beginnend mit den numerischen Stangen - blau-rote Stangen mit den Seitenlängen 2,5 cm mal 2,5 cm - in den Längen 10 dm, 9 dm bis 1 dm ermöglicht das Montessori- Mathematikmaterial dem Kind die propriozeptive Wahrnehmung der Armspanne 1 Meter bis zur Fingerspanne eines Dezimeters. Die Sandpapierziffern lassen das Kind mit den Fingerspitzen über den Tastsinn die Formen der Ziffern wahrzunehmen. Im dritten Schritt, dem Zuordnen von Ziffern zu den numerischen Stangen, verbindet das Kind Ziffern mit entsprechenden Längen.

Die Spindelkästen führen zurück zur Propriozeption: Im Zangengriff umfassen die Kinder die unterschiedliche Menge von Holzspindeln. Für eine kleine Kinderhand sind 10 Spindeln kaum noch zu umfassen. Eindrücke, wie die Menge von 10 Spindeln mit der Hand umfassen, einen Dezimeter zwischen Daumen und Zeigefinger im Pinzettengriff zu halten oder die Arme einen Meter auszubreiten, hinterlassen bedeutende Eindrücke beim Kind. Über die Förderung der Handmotorik mit allen sinnlichen Wahrnehmungen fördern wir beim Kind nicht nur die Sprache sondern auch mathematische Vorstellungen.

Ziffern und Chips bieten eine andere Möglichkeit der Zuordnung von Ziffern und Mengen, weil sie im Gegensatz zur festen Zahl auf einer Stange lose angeboten werden. Das Kind zählt die einzelnen Chips zu den entsprechenden Ziffern in aufsteigender Reihenfolge im Gegensatz zur absteigenden bei den numerischen Stangen. Aufgrund der gestückelten Menge kann das Kind bei geraden Zahlen einen Weg zwischen den Chips bahnen, während es bei ungeraden Zahlen einen Umweg (ungeraden Weg) wählen muss. Auf diese Weise wird der Einblick in die Teilbarkeit von Zahlen durch 2 gefördert. Übertragen in Bewegungsspiele biete ich Kästchenhüpfen mit beiden Beinen auf die ungeraden und gegrätschte Beine auf die geraden Zahlen an.

Diese Übung entspricht einem Urbedürfnis des Menschen nach Symmetrie:

  • Er ist ein Körper mit einer Wirbelsäule, einem Magen usw., jedoch mit zwei Seiten: zwei Beinen, Armen, Händen, Ohren, Augen
  • Er hat ein Gehirn - geteilt in zwei Hälften.

Das Kind in Bewegung ist stets bestrebt, beide Seiten zu koordinieren und zu integrieren, um dann wieder die Gegensätze herauszuarbeiten, die eigene Polarität zu finden und dazwischen Gleichgewicht zu finden. Im Prinzip handelt bereits das Kleinkind mathematisch, physikalisch, rhythmisch.

Ich ergänze die roten Zahlen aus Ziffern und Chips mit blauen für die geraden Zahlen, welche in einem späteren Arbeitsschritt ausgetauscht werden. Somit wiederhole ich das System der numerischen Stangen, welche auf der linken Seite immer mit rot beginnen und den zweiten, vierten, sechsten, achten und zehnten Dezimeter in blauer Farbe darstellen.

Förderung des Zahlenbegriffs mit Regelspielen

In den meisten Regelspielen kommt die Förderung des Mengen-, Zahlen und Ziffernbegriffs zu kurz. Bevorzugt werden Würfelspiele, in die zugleich ein Inhalt aus der Natur- und Umwelterziehung mit einbezogen ist (z.B. Obstkorb, Schneemann). Auf den Kartons und in den Spielanleitungen wird genau beschrieben, was die Kinder lernen (können oder sollen), und dies wird häufig kritiklos übernommen. Kann ich viele verschiedene Ziele gleichzeitig und gleich wichtig verfolgen?

Dabei lässt sich gerade mit Regelspielen ein Zahlenbegriff sinnvoll aufbauen. Beginnend mit den bekannten vier ersten Spielen (von Ravensburger), welche mit dem Farbwürfel eingeführt werden, denn die Farbwahrnehmung erfolgt visuell schneller als die Form-, Mengen- und Ziffernwahrnehmung, kann bereits bei diesem Spiel auf einen Zahlenwürfel - am besten eins bis drei Augen - umgestellt werden. Erweitern lassen sich die Farbwürfelspiele auf Zwei-Farben-Kombinationen beim Spiel "Dallifant" und Drei-Farben-Kombinationen wie "Würfelzwerge".

Gleichzeitig wird das übliche Zahlendomino auf die Zahlen eins bis drei reduziert, welche dieselbe Punkteanordnung wie die Würfel haben. Als Steigerung wird das dreiseitige Trio-Domino mit seinen dreieckigen Spielsteinen mit den Zahlen Null bis Fünf eingeführt. Neben der veränderten Lage auf den Spielsteinen sind die Punkte zueinander und im Verhältnis zur Spielsteinform verändert dargestellt. Nach und nach kann der Zahlenbegriff anhand dieser Spiele auf sechs erweitert werden.

Die Kinder haben Spaß daran, neutrale Würfel selbst zu bepunkten - korrekt und durcheinander. Würfeln und Dominosteine lassen sich gut zuordnen. Eine Abwandlungsmöglichkeit bietet der Kreiselwürfel mit den üblichen Punkten von 1 bis 6, jedoch auf einer rechteckigen Grundform statt der üblichen quadratischen. Förderlich für den Lernerfolg sind dabei die ausgeführten Bewegungen, welche möglichst breit variieren sollen.

Bei "Klipp-Klapp" - einem Holzkasten mit den Zahlen 1 bis 9 zum Umklappen - ordnen die Kinder die Augenpunkte von zwei Würfeln den entsprechenden Ziffern zu. Beispiel: Das Kind würfelt 2 und 5 Punkte, es darf die Zwei und die Fünf oder die Sieben umklappen. Als Steigerung können die Kinder die Punkte addieren und beliebig teilen, also bei 2 und 5 können sie auch 3 und 4 oder 6 und 1 ablegen.

Parallel zu den Würfelspielen können Kartenspiele angewendet werden. Leider fällt uns meist nur das eher langweilige Quartett oder Schwarzer Peter ein. Mir persönlich gefällt das Spiel "Hamstern" von der Fa. Amigo sehr gut. Spielerisch lernt das Kind, über angelegte Karten den Zahlenbegriff bis sechs oder mehr schnell zu erkennen: Bei genau sechs Punkten gibt es einen Pokal, ist die Summe höher, sind die Karten wertlos und müssen abgelegt werden. Eher nebenbei wird die zweite mathematische Fähigkeit des Sortierens in Möhren, Nüsse und Äpfel gefördert. Der Naturaspekt "Was frisst ein Hamster" kommt eigentlich nicht zum Tragen. Hamstern ist ein Glücksspiel, so dass das Nichterkennen der Menge nicht "bestraft" wird.

"Elfer raus" können auch Kindergartenkinder schon spielen. Wir haben dazu die Zahlen auf 15 begrenzt. Ein weiteres Kartenspiel mit jeweils 30 Karten (3 x die Ziffer 1, 3 x die Ziffer 2 usw. bis zur Zahl 10) in den Farben gelb, blau und rot verwenden wir als einfaches Rauf- und Runterzählspiel, beginnend mit 1 oder 10. Vor "Elfer raus" empfehle ich noch "Speed" und "Mau Maus". Bei letzterem kann auf dem Stapel entweder dieselbe Zahl oder dieselbe Farbe abgelegt werden. Bei "Speed" gibt es drei Möglichkeiten: Farbe, Menge oder Symbol muss sich auf der abzulegenden Karte wiederholen. Treffen alle drei Kriterien zusammen, ist das Kind noch einmal an der Reihe.

"Wer hat 4?", ein Piatnik Mitbringspiel, ermöglicht ebenfalls das Erfassen von Mengen bis vier unabhängig von deren Gruppierung. Neben dem Ablegen nach der Größe von der kleinsten bis zur größten Zahl oder umgekehrt, kann es als Memory verwendet werden, bei dem es im ersten Schritt nicht auf die Mengen, sondern auf dieselben Symbole ankommt. Als zweiter Schritt kann vereinbart werden, dass immer zusammen fünf Dinge auf zwei Karten sein müssen. Und last but not least kann das Spiel als Sprachförder-Fragespiel verwendet werden, bei dem die Kinder einen Mitspieler nach einer bestimmten Karte fragen müssen: "Hast du zwei Äpfel?" Hat dieser Spieler diese Karte, so muss er sie abgeben, und der Fragende bleibt an der Reihe und darf weiter fragen. Hat der Gefragte diese Karte nicht, so ist der nächste Mitspieler an der Reihe. Die Kartenserie 1 bis 4 darf abgelegt werden.

Den Zahlenraum bis 9 erweitern wir neben den Kartenspielen mit Spielen wie

Der einfache Würfel

Erstand Modell für die Raumlageerkennung von Punkten. Seine quadratische Fläche ist unterteilt in unsichtbare 9 Quadrate, je drei Quadrate in 3 Reihen. Neben der Erkennung von Mengen bei Würfelspielen bildet dieses Schema auch die Basis für Dominosteine und mein selbst entworfenes Holzsteckspiel. Es bildet die Quadratzahl von 3 ab und beinhaltet die Quadratzahl von 2. Somit führt es zu den Quadratzahlen und zu den Kubikzahlen - den reellen und den komplexen Zahlen. Parallel dazu übt das Kind diese Zahlen mit Schüttübungen.

In dieses Schema passen die Quadrat- und Kubikketten und das Dekanom von Maria Montessori, aber auch Formenlegespiele und das Spiel "Digit" (von der Firma Piatnik).

Das Spiel Logeo

Dieses Spiel (von Nicola und Christoph Haas, Firma Jakobs GmbH) führt diese Einteilung weiter. Als Motopädagogin möchte ich sowohl die Würfelübungen als auch die Idee von Legeo ganzheitlich, d. h. mit dem ganzen Körper, vermitteln. Dazu haben wir in unserem Turnraum das oben gezeigte Gitterraster mit Tesakrepp und ein ebensolches Punkteraster mit Decefix auf den Fußboden geklebt. So ist es möglich, dass sich die Kinder selbst als Würfelpunkte oder Kegel bewegen und erleben können. Sie finden ihren zugeteilten Standort und können später die Erfahrungen in den klein- oder feinmotorischen Bereich übertragen.

Die Formen des Spiels Logeo - je drei Dreiecke, Kreise und Quadrate in den drei Grundfarben gelb, blau und rot - kennen unsere Kinder bereits von unseren geometrischen Rollbrettern und den dazu passenden Teppichen in den Grundfarben (Perras-Emmer, Barbara: Geometrie in der Grundschule. Eine Herausforderung für den (Bewegungs-) Kindergarten? www.kindergartenpaedagogik.de/597.html).

So können wir das Spiel vom Tisch in die Turnhalle verlagern und vom Bewegungsspiel zum Tischspiel umwandeln. Neben dem Erkennen von Raumlagemustern und Mengen stellen wir Querverbindungen zur Graphomotorik und Geometrie her.

Die erste und einfachste Spielvariante beginnt mit A1 bis A5. Die Spielsteine sind im Raster der Vorlage abgebildet und müssen von links oben gemäß der Schreibrichtung an die richtige Stelle im Spielfeld gesetzt werden. In der Serie B ist der Platz für den jeweiligen Spielstein grau hervorgehoben, der Spielstein ist links neben dem Raster abgebildet. Bei Serie C ist das Raster nicht mehr vollständig. Fehlende Linien müssen im Kopf ergänzt und fehlende Informationen durch Kombination ersetzt werden. Die Anforderungen steigen mit jeder Serie bis zu einem Spezialmix aus allen Serien. Das Spiel ist auch für Erwachsene interessant!

Erweiterung des Neunerfeldes auf 16 Felder beim naturfarbenen Holzpuzzle

Auf einer quadratischen Holzplatte (ca. 15 mal 15 cm) sind vier Reihen mit je vier kleinen ebenfalls quadratischen Holzplättchen angeordnet. Alle 16 Teile sind gleich groß. Ich kenne drei verschiedene Obstmotive - wir haben in unserem Kindergarten den Apfel. Dieser ist farblich nicht von seiner Umgebung zu unterscheiden, nur die (dreidimensionale) Höhe lässt seine Form erkennen.

"Rush hour" - Raumlagewahrnehmung auf 6 mal 6 Feldern

Auf einem quadratischen Kunststofffeld mit je sechs kleinen quadratischen Mulden in sechs Reihen (etwa in derselben Größe wie das bereits genannte Holzpuzzle) wird mit bunten Plastikautos gespielt, welche ein Feld breit und zwei bis drei Felder lang sind. Die Räder dieser kleinen Fahrzeuge sind zwar fest, sie können trotzdem vor- und rückwärts bewegt werden.

Auf vierzig Vorlagekarten in vier Schwierigkeitsstufen werden verschiedene Ausgangspositionen mit unterschiedlich vielen Fahrzeugen gezeigt, welche dann mit den Autos auf dem Spielfeld nachgestellt werden. Nach dieser bereits sehr anspruchsvollen Aufgabe sollen die Fahrzeuge so bewegt werden, dass das Eis-Auto "Ice-Cream" freie Fahrt zum einzigen Spielfeldausgang bekommt.

Bei Fortgeschrittenen müssen viele Schritte wieder rückgängig gemacht werden, nachdem das Eis-Auto durchgefahren ist, dadurch erleben die Kinder besondere "Beweglichkeit" innerhalb des Spielraumes. Eine sehr gelungene Möglichkeit, um mathematische Fähigkeiten innerhalb des Zahlenfeldes zu üben! Sollte die Lösung nicht zu finden sein - sie steht (in englischer Sprache) auf der Rückseite.

Ein ähnliches Spiel: Frag Mind

In einem Metallkasten (32 cm mal 18 cm), der aussieht wie ein großer Buntstiftbehälter, befinden sich "Holzboote" mit Bohrlöchern für 1, 2, 3, 4, 5 und 6 Röllchen in den Farben Blau, Gelb und Rot - und Grün für die nächste Schwierigkeitsstufe. Auf Vorlagekarten wird die Ausgangsposition von unterschiedlichen Bootgrößen und deren verschieden farbigen "Insassen" dargestellt. Ebenso wie bei Rush Hour muss nun dieses Bild nachgestellt werden. Die Boote werden mit Magneten in den drei bzw. vier "Zeilen" gehalten. Alle Schiffchen in einer Bahn werden ohne Abstand aneinander gelegt. Durch Vertauschen der Boote innerhalb einer Zeile und/oder Vertauschen der Röllchen innerhalb eines Bootes soll erreicht werden, dass die drei oder vier Insassen, welche senkrecht untereinander liegen, die gleiche Farbe haben.

Für die vereinfachte Spielvariante gibt es Vorlagekarten, auf denen die Röllchen in den Booten bereits richtig einsortiert sind, so dass nur noch die Schiffchen in die richtige Reihenfolge zu bringen sind (weitere Informationen unter www.magnetspiele.com).

Den Übergang zum Zehner

Diesen leihen wir uns u.a. wieder bei Maria Montessori aus. Neunerspiel, Kartensätze, Perlenstangen usw. ermöglichen dem Kind neben dem linearen Zählen den Einblick in das Dezimalsystem. Dabei hat das Kind jederzeit die Möglichkeit, zu einfacheren Spielen zurückzukehren und zu wiederholen bzw. die angebotenen Materialien in ihrer einfachsten Weise zu verwenden. Das Hunderterbrett gibt einen Überblick im Zahlenraum bis 100, und unser Noppenbrett lässt uns diesen Weg mit einem Seil nachvollziehen.

Zu erwähnen sind noch die bereits genannten Quadratketten, die zum Einmaleins führen. Das Gefühl für die Potenzen lässt sich begleitend beim Zählen gut in Bewegung einführen:

  • 1: in die Hände klatschen, unterstützen linearen Zählens
  • 2: abwechselnd mit dem linken und dem rechten Bein stampfen
  • 3: links und rechts stampfen, auf den linken Oberschenkel patschen
  • 4: links und rechts stampfen, auf den linken, dann den rechten Oberschenkel patschen.

Ich achte darauf, dass jede ungerade Zahl mit einer geraden "abgeschlossen" wird. D. h. die entsprechende Bewegung muss links und rechts möglich sein (Finger schnippen, Schulter klopfen, zur Seite oder nach oben boxen usw.). Links beginnend bedeutet, dem Kind die Schreib- und Leserichtung unserer Kultur vertraut zu machen. Später können Bewegungen, die nicht auf das Zweiersystem verweisen, hinzugenommen werden (klatschen, nicken, auf beiden Beinen hüpfen). Kindern machen diese Spiele viel Freude, aber auch wir selbst bemerken manchmal, dass wir beim Treppensteigen zählen oder aus dem Gleichgewicht geraten, wenn Gehwegplatten in ihrer Größe entgegen unserer Schrittlänge verlegt sind.

Auch wenn es uns manchmal schwer fällt: Wir brauchen eine Kultur des Zutrauens und nicht des Misstrauens... - Das Kind weiß meist am besten, wo es gerade steht und womit es lernen möchte. Wir müssen nur selbst daran glauben, dass ein Kind lernen will, und seine Umgebung entsprechend vorbereiten.

"Einzelheiten lehren bedeutet Verwirrung stiften. Die Beziehung unter den Dingen herstellen bedeutet Erkenntnisse vermitteln." (Montessori 2002, S. 126).

Literatur

Devlin, Keith: Muster der Mathematik - Ordnungsgesetze des Geistes und der Natur. Heidelberg 2002

Mechsner, Franz: Pi mal Daumen. GEO-Wissen: Denken, Lernen, Schule 1/1999

Montessori, Maria: Kosmische Erziehung. Freiburg, 5. Aufl. 2002

Murphy-Witt, Monika: Spielerisch im Gleichgewicht. Freiburg im Breisgau, 4. Aufl. 2000

Perras, Barbara: Der Zahlenraum von 5 bis 9 anhand eines Holzkugelspiels mit Namen AYA www.kindergartenpaedagogik.de/746.html

Perras-Emmer, Barbara: Geometrie in der Grundschule. Eine Herausforderung für den (Bewegungs-) Kindergarten? www.kindergartenpaedagogik.de/597.html

Ratey, John J.: Das menschliche Gehirn. München 2003

Stewart, Ian: Die Zahlen der Natur - Mathematik als Fenster zur Welt. Heidelberg 2001

Autorin

Barbara Perras, Motopädagogin, Leiterin des Evang. Kindergartens Loderhof in Sulzbach-Rosenberg